Irma schaute in den Spiegel. «Na ja», gab sie den Kommentar über sich selber ab, «mit 40 kannst Du nicht mehr erwarten, Mädchen!» Eigentlich war sie 53. Gab sich aber als ewige Vierzigerin. Und tat alles, damit es so blieb: täglich Aerobic... zwei Mal Sauna die Woche... und dann ein Badezimmer voller geheimnisvoller Döschen und Flacons. SIE VERSPRACHEN ALLE DIE EWIGE JUGEND.
Leider fehlte der Mann in Irmas Leben, der sie wachrütteln konnte. «Hallo Mädchen – ist doch alles für die Katz’. Bleib einfach Dir selber treu – und Deinen Falten auch! Wir nehmen Dich, wie Du bist.» Irma hatte keine Falten. Alles glattgespritzt.
Ihr Busen war hart wie eine Wassermelone. Und der Po mit diesem Fett aufgepolstert, das man ihr aus der Hüftgegend abgesaugt hatte. IRMA WAR EIN WUNDERWERK DER SCHÖNHEITSCHIRURGIE. Kaum sah sie ein Rünzelchen, wurde es weggezaubert. SIE SPRACH DIE WUNDERDOKTOREN HEILIG.
Gelernt hatte sie Hotelassistentin. Sie war das, was man damals einen «flotten Käfer» nannte. Die Gäste – meistens Geschäftsleute, die unter der Woche im «Royal» abstiegen – mieteten nicht nur die Suiten. Sie mieteten Irma mit. Sie bezahlten gut – verschwanden wieder. Und Irma war das recht so. SIE BUTTERTE GANZ SCHÖN GELD AUF DIE HOHE KANTE. Mit 35 Lenzen besass sie zehn Mietwohnungen, die ihr einiges einbrachten. Dazu ein Aktienpaket. Und ein paar Kilo Gold. SO LIESS SICH GANZ GUT LEBEN.
Als sie den 40. Geburtstag feierte (im allerkleinsten Kreis), verkündete sie: «Aus die Maus! Ich bin 40 Jahre jung. Und ich werde immer jung bleiben – ab morgen gibt es keine Hotelarbeit mehr. UND DIE MÄNNER IM ROYAL KÖNNEN MICH ALLE MAL KREUZWEISE...!» Dies, nachdem sie sich über 20 Jahre von ihnen aufs Kreuz legen liess. Und dabei ganz schön abcashte.
Wenn man so viele Männer über sich ergehen lassen muss, will frau nur noch eines: einen treuen Hund. Und den Frieden.
Wenn sie nicht gerade in der Schönheitsklinik war (Fritz, ihr Hund, wurde an solchen Tagen ihrer besten Freundin Liz in Pension gegeben), wenn Doktor Fälterli also nicht wieder Mal ihre Haut abzog und sie danach wie die Mumie im Sarkophag auf den Moment wartete, wo sie sich verjüngt aus dem Spiegel zulächeln konnte – wenn also nicht an ihr geschnitten, gespritzt und abgesaugt wurde, blätterte sie sich in ihrem Penthouse durch die Welt der Illustrierten. Und war ganz zufrieden. Fritz schnarchte zu ihren Füssen. Er träumte von Liz, die ihn mit guten Häppchen stopfte – bei Irma bekam er nur Magerfutter. Und einen Hartgummi-Zahnknochen. Sein Frauchen klatschte in die Hände: «So – Zeit für unsern Fitnessspaziergang!» Der Dackel öffnete genervt sein linkes Auge. Sabberte ein bisschen. Und seufzte schwer. ER WAR NICHT DER SPAZIERGÄNGERTYP.
Irma kannte kein Pardon: ob Hundewetter-hitze oder Schneegraupel: ES WURDE GELAUFEN! DAS TÄGLICHE ARSCHBACKEN-TRIMMPROGRAMM WURDE ABGESPULT!
Der Hund hegte keine grosse Sympathie für Irma. ER WOLLTE NICHT EWIG JUNG BLEIBEN!
Als es dann wie aus Kübeln goss und Irma, unbeirrt des Sauwetters, in Richtung Wald marschierte, schüttelte sich Fritz angewidert.
IRMA LIESS IHN VON DER LEINE: «LOS FRITZ –AB INS VERGNÜGEN!» Der Hund machte rechtsumkehrt. Und dackelte auf Teufel komm raus heimwärts. «FRITZ!» Schon jagte er über die Strasse. Irma hinterher. Und dann kam das Auto. – gottlob musste Irma nicht lange leiden.
Liz erbte alles. Auch den Hund. Sie war ungespritzte 58. Sah aus wie 70. HATTE EINE KUCHENWAMPE. Und genoss das Leben.
LAUFEN WAR NICHT IHR DING. Fritz liebte sie. ER WURDE ANSEHNLICHE 15 HUNDEJAHRE ALT. Ungespritzt.