Politisch unkorrekt

«KÜGELCHEN!» – Hubert bückte sich keuchend zu den Schuhbändeln. Für einen kurzen Moment wurde ihm schwindlig. Es gab nichts zu beschönigen: Sein Ranzen war einfach zu gross.

«Kügelchen...könnten wir wieder mal Frikadellen zum Znacht...?» «FRIKADELLEN MACHEN DICK, MOPSI!» Sie rief ihn «Mopsi». Hatte sie schon immer GETAN. Selbst als er jung war. Den geilen Hubi gab. Und den Weibern nachgeiferte.

DAMALS WAR ER RANKSCHLANK GEWESEN. ALLERDINGS BEREITS OHNE KOPFHAAR. ALLES RASIERT. «Du bist so süss, Hubi – dein haarloser Kopf und die flache Nase haben etwas von einem Mops!»

Sie hatte herzlich gelacht. ER NICHT. ES MOPSTE IHN. Aber «Mopsi» blieb.

Nun – Mimmi war immer schon etwas üppig gewesen. Erst obenrum. Dann zog das Untere nach. «Mein Kügelchen» – nannte er sie. UND SIE SCHLUCKTE ES. So war es eine tolerante, gute Ehe.

«Wenn du Frikadellen...dann bringe ich zum Dessert zwei Mohrenköpfe von der Messe!» Kleines Räuspern. Dann im Ton der (pensionierten) Primarlehrerin: «DAS DARF MAN JETZT NICHT MEHR SAGEN!» «Aha? Und wie nenne ich die Sache richtig beim Kopf?!» «Dunkler Zuckerkuss, Mopsi. Oder schwarze Schaumkugel. Oder...»

«MOHRENKOPF BLEIBT MOHRENKOPF – WAS IST DA SCHLIMM DARAN?!» «Es ist rassistisch. Und politisch nicht korrekt. Was kann der Mohrenkopf dafür, dass er schwarz ist – Mopsi?!»

Hubsi wurde ärgerlich: «Ich habe schon als Kind Mohrenköpfe...» «SCHWARZE SCHAUMKUGELN!», belehrte sie auf diese sanfte Tontour, mit der sie auch dem kleinen Max beigebracht hatte, dass man mit Bärbel nicht «Doktor spielen darf», wenn Bärbel die Untersuchung verweigert.

Mopsi schüttelte eigenwillig seinen polierten Kugelkopf. «Das ist doch total schräg. Hat die Welt keine anderen Probleme. Was soll an einem Mohr nicht gut sein? Ich beisse jedenfalls lieber in den Mohrenkopf als ins käsige Arschgesicht von Trump.»

Er kicherte jetzt: «Stell dir vor, es gäbe den Trump mit Eischaum gefüllt. Dies mit käsig gelbem Schokoüberzug. UND MAN WÜRDE DAS GANZE ‹TRAMPELKOPF› nennen...»

«Das ist nicht lustig, Mopsi!» Mimmi war eine klare Trump-Gegnerin. Und wie die meisten Lehrer war sie politisch auf der korrekten Seite. Deshalb: «So einen Mohrenkopf würde ich an die Wand schmeissen, Mopsi!»

Er jaulte triumphierend auf: «DU HAST MOHRENKOPF GESAGT – KÜGELCHEN!»

Ihre Lippen wurden nun schmal. Sie hasste es, wenn man sie bei einem Fehler ertappte: «Gib hier nicht den Klugscheisser, Hubert! – Trump gehört an die Wand – und ein für allemal: MOHRENKOPF GEHÖRT AUS UNSERM ALLTAGSWORTSCHATZ! WEGRADIERT.»

«Ja , aber soll ich nun Mohrenköpfe von der Messe mitbringen, oder nicht...»

Eisiges Schweigen.

Dann: «...weisst du was, Hubert? – Du kommst einfach wieder heim, wenn du dieses scheussliche Wort vergessen und es gegen ein passendes Synonym ausgetauscht hast.

HABEN WIR UNS VERSTANDEN?!»

Türenkrachen.

An der Herbstmesse kühlte sich Hubi zuerst mit zwei Calvados runter. Dann zuzzelte er drei Weisswürste und spülte mit vier Münchner Paulaner. Doch seine Nerven beruhigten sich erst nach einem Raclette und einem Halben Weissen.

NUN HATTE MOPSI WIEDER GUTE LAUNE.

Er fand den Stand mit den Lebkuchen und den wunderbaren Kugeldingern in Stanniol verpackt.

«Ähhh – geben Sie mir dieses Herz mit der Inschrift ‹MUTTI IST DIE BESTE›! Dazu noch zwei... ähhh... diese da in Stanniol...»

«Aha Mohrenköpfe», sagte die Standfrau.

DAHEIM DUFTETE ES HERRLICH NACH FRIKADELLEN. «KÜGELCHEN – ICH HABE DIR ETWAS MITGEBRACHT...»

Sie schmollte noch ein bisschen: «Aber sag jetzt nicht das Unwort – Mopsi!»

«Nein – hier die dunklen Schaumküsse. Und das Herz ist für dich!»

Sie umarmte ihn. Dann aber atmete sie tief durch: «MUTTI – HIER STEHT MUTTI! Ja spinnst du denn?! Weisst du nicht, was in Deutschland los ist... ich bin keine Mutti, Hubert!»

Da warf er den Mohrenkopf an die Wand. UND DIES – obwohl es kein Trampel-Kopf war.

Montag, 30. Oktober 2017