Die Katze

Ernst schaute aus dem Fenster. «SHIT!» – bruddelte er. «BIG SHIT!» Draussen nieselte es fein. Die Tannenäste weinten Regentropfentränen.

ERNST FÜHLTE SICH BESCHISSEN. EINSAM. UND VERLASSEN – IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES! Silva hatte ihm den Rücken gekehrt – nach 45 guten Ehejahren (wie er glaubte).

Nie hatte es gross Streit gegeben. (Na ja – einmal kam Silva hinter das Techtelmechtel mit Bruna, der Sekretärin. Er hatte die Beziehung aber sofort gestoppt.)

Nie hätte es schwere Probleme gehagelt – die Kinder entwickelten sich gut: Sven wurde Programmierer und führte seine eigene Bude erfolgreich. Lena hatte den Master für Soziologie. Und meisterte jetzt einen Patchwork-Haushalt mit fünf Kindern (da war das Psychologie-Studium zumindest eine gute Investition gewesen).

UND DANN KAM DIESE VERDAMMTE KATZE! Eines Tages sass sie auf dem Fenstersims. Sie miaute. Und klopfte mit dem Pfötchen an die Scheibe.

«Ernst – schau mal. Eine Katze!»

«Ja!»

Das kam ziemlich abweisend. Ernst mochte keine Katzen. Hunde schon. Aber als Kind hatte ihm so eine Mieze eine gelangt, als er sie streicheln wollte.

SEITHER WAR DA EINE KATZENAVERSION!

«Vielleicht ist sie jemandem entlaufen…?»

Ernst schaute nicht einmal von der Zeitung hoch: «Ich weiss, was du willst – Silva. ABER EINE KATZE KOMMT MIR NICHT INS HAUS!»

Stille. Dann Scheppern in der Küche. Darauf Türenknallen. Und Ernst, der nun durchs Fenster linste, sah Silva, wie sie der Katze die Hühnerreste vom Vorabend zusteckte: «JAAA... HAT BUSI HUNGIHUNGI... ISS E GUDIGUDI...»

«Solche Katzen stecken voll von miesen Bakterien!», müffelte er, als sie den Teller in die Küche zurückbrachte. «Wasch dir die Hände GRÜNDLICH...»

Die Katze wartete nun jeden Tag auf dem Fenstersims. Trällernd brachte Silva die «Gudigudis» hinaus. In Ernsts Innern tobte es.

IHM HATTE SIE NIE DAS FRÜHSTÜCK MIT FROHGESANG SERVIERT!

«Die Katze ist ausgesetzt worden, Ernst...», erklärte Silva eines schönen Morgens. «Keine Annonce... Kein Such-Zettel an der Coop-Wand... Das arme, arme Tier!»

«NEIN!» – sagte Ernst frostig, «ES KOMMT KEINE KATZE INS HAUS!»

Silva hatte ihn stumm eine Minute lang angeschaut.

Dann ging sie in ihr Zimmer. Nach einer halben Stunde kam sie mit zwei Koffern heraus: «Ich gehe zu Lena. Mit uns funktioniert es nicht mehr, Ernst!»

Er fühlte eine eisige Hand in der Magengegend. Und er schlief in der Nacht keine Sekunde. Am Morgen war auch die Katze nicht mehr auf dem Fenstersims. «Sie hat sogar diese Mieze mitgenommen!», klagte er seinem Sohn am Telefon.

Der: «Papa – ich habe andere Sorgen. Mein Programm ist abgestürzt...»

Sechs Wochen lebte er nun schon alleine. Sie telefonierten miteinander. Aber das Thema «Katze» oder «Zurückkommen» wurde nicht erwähnt. Silva war höflich. Mehr nicht.

Ernst litt. Die Morgen waren dunkel. Und für ihn blieb es auch am Tag Nacht. NIE HATTE ER SICH SO ALLEINE GEFÜHLT.

Und dann sah er sie: Sie hockte auf dem Fenstersims. Und klopfte an die Scheibe. GOTTLOB. Es war noch Fleischkäse im Haus. Damit fütterte er sie im Garten.

Und als sie mit ihm ins Haus hinein wollte, sperrte er die Türe weit auf: «HERZLICH WILLKOMMEN – DA WIRD SICH DIE MAMA ABER FREUEN...»

Am andern Tag wieder Telefongespräch mit Silva: «Ich muss dir etwas gestehen... Ich bin nicht mehr alleine... Ich habe auch nicht alleine im Bett geschlafen...!»

«ERNST!» – die Stimme war plötzlich nicht mehr frostig. Sondern flammend wütend.

«JA – ICH BEREITE EBEN DAS FRÜHSTÜCK FÜR UNS BEIDE. SAG MIR – WO HAST DU DIE KATZENFUTTERDÖSCHEN...?»

Stille. Dann leise: «Ist sie bei dir?»

«Ja Silva. Und sie haart schrecklich – du solltest mal saugen...»

Ein Aufschrei: «ERNST – ICH KOMME!»

Montag, 16. Oktober 2017