«Louis!» – der Schrei gellte durch die alte Villa.
«LOUIIIS!»
DAS WAR EIN BEFEHL.
Louis erhob sich seufzend vor seinem Buddha im Keller. Er liebte Buddha. Er liebte die kleinen Lichter vor der goldenen Statue. Und er liebte die Blumen, die er vor dem dicken Goldmann immer frisch arrangierte. Vor allem liebte er die Ruhe hier unten in seinem Buddha-Reich.
«LOUIIIIS!»
Er kam nach oben. Irene stand anklagend vor der riesigen Glasscheibe im Salon. Sie zeigte an die Zimmerdecke: «Eine Spinne... ZERQUETSCH SIE!»
Irene hatte eine Tier-Phobie. Kam eine Katze in ihren Garten, verscheuchte sie die Mieze mit Steinen. Vögel verscheuchte sie mit der Hand. Fliegen schlug sie mit der Klappe.
Nur einmal hatte Louis ihr klar zu machen versucht: «Es sind Lebewesen...!»
Sie hatte ihn giftig angefaucht: «Hats Dir ins Gehirn geschissen – ich will keine Fliegen zum Frühstück!»
Dann höhnte sie: «Auch wenn das Tier Deinem Glauben nach die Reinkarnation von Tante Martha sein könnte! Würde der ja ähnlich sehen, mir das Leben auch aus der Hölle noch zu vermiesen!»
Irene kam in Fahrt: «DIESE MIESE RATTE VON EINER TANTE HATTE IMMER SO EIN TEUFLISCHES GRINSEN DRAUF. UND SO ETWAS WILL ICH NICHT ALS FLIEGE AUF MEINER KONFITÜRE!» Es war hoffnungslos.
Irenes einziger Glaube war das Geld. Ihr einziger Gott «das Bankkonto». Sie war reich. Und schalt Louis stets ein «Weichei». Dabei hatte er den harten Schlag drauf.
Im Karate-Kurs schlug er dicke Bretter mit einer Hand entzwei. Wichtig war ihm die Ruhe vor dem Schlag. Die Konzentration. Er brauchte diese Gelassenheit, um neben Irene überleben zu können.
Anfangs lief die Ehe problemlos. Sie hatte das Geld – er arbeitete als Hausmann. Und hielt die Villa in Schuss.
Sein «anderes» Leben richtete er sich im Keller ein. Es war die IRENE-FREIE-ZONE.
Einmal hatte sie dort eine Maus gesehen. SIE BRÜLLTE ZETERMORDIO! Und betrat den Keller nie mehr. Louis hat die Maus heilig gesprochen.
«LOUIIIIS!»
Er nahm ein Haushaltpapier. Und beförderte die Spinne in den Garten. «ZERQUETSCHEN HABE ICH GESAGT!», schrie Irene ihm nach.
Drei Tage später schleppte die Katze der Nachbarn eine Ratte an. Sie legte Louis die Trophäe vor die Füsse. Aber die Ratte lebte noch.
GOTTLOB HATTE ES IRENE NICHT GESEHEN. IHR HERZ WAR NICHT DAS BESTE – AUCH AUS MEDIZINISCHER SICHT.
Louis nahm die Ratte in den Keller. Bettete sie auf Lumpen. Und verarzte sie. Nach zwei Wochen waren sie dicke Freunde. Die Ratte schaute interessiert zu, wenn Louis die Blumen für Buddha zurechtbüschelte. Oder mit dem Karateschlag Holzbretter zerschlug.
«Du darfst nie hier rauf... hier oben ist das Böse», ermahnte Louis die Ratte, «...und das Böse hat ein schwaches Herz.»
Als Louis drei Wochen später vom Einkaufen nach Hause kam, lag Irene auf dem Boden. Ihr Blick fixierte die offene Kellertüre, als würde dort der Teufel in Person auftauchen Und «Herzschlag» konstatierte der Arzt, «mein Beileid».
«Wie konnte das geschehen?», fragte Louis nach der Beisetzung leise den goldenen Buddha.
Der lächelte nur geheimnisvoll...
Da sprang die Ratte auf Louis Schulter. Auch sie lächelte. Diabolisch.
Wie einst Tante Martha.