«Die Prostata», sagte der Doktor.
Und milderte die Prognose mit dem fröhlichen Zuschlag: «Na dann – Prostata!»
Kurt wars nicht ums Spassen (obwohl er schon manchmal in einer Bierrunde beim Zusammenstossen der Humpen denselben Spruch gebracht hatte).
ABER DAS HIER WAR TODERNSTE MÄNNERSACHE.
«Und jetzt?»
Doktor Vögeli spreizte seine Finger. Und einer davon hatte immer mal wieder beim grossen Check bei Kurt zugegriffen.
Ihm war das stets schrecklich gewesen, wenn Doktor Vögeli den Gummihandschuh überstreifte. Und jedes Mal das vielsagende Lächeln aufsetzte: «Locker bleiben – Herr Nägeli. Locker. Sonst machen Sie es mir nur schwer...»
KURT KAM SICH VOR WIE BEI EINER VERGEWALTIGUNG.
Er hatte stets versucht, die peinliche Situation mit einem Witzchen zu übertünchen: «Aber, aber Herr Doktor – Sie sind ja ein ganz Schlimmer!», sagte er jeweils.
Da stiess der Finger abrupt zu.
DOKTOR VÖGELI MOCHTE KEINE SCHERZE SOLCHER ART.
Man riet zur Operation.
Kurt war indessen ein Weichei. Tausend «Wenn» und «Aber» jagten jetzt in seinem Kopf herum.
Freunde hatten ihm abgeraten. Sie hatten alle Freunde, die auch Freunde hatten, bei denen die Sache schief ging: «Deine Männlichkeit ist danach am Arsch, Kurt!» – raunten sie in der Bierrunde. (Immerhin vermieden sie jetzt aus Feingefühl beim Anstossen das «Na dann – Prostata!»)
ACH WENNS NUR DIE MÄNNLICHKEIT GEWESEN WÄRE. DIE HATTE EH NIE HAMMERHAFT FUNKTIONIERT.
Aber Kurt hatte einen Heidenbammel vor den Viren im Spital. Vor dem Katheter (alleine schon der Gedanke...!) – und dann die Vollnarkose! Das war doch schon der halbe Tod.
Dazu: Krankenschwestern, die da Seine Heiligkeit in die Hände nahmen. Und den Katheter einführten. JAMMERTAL!
Kurz: KURT WAR DAS, WAS DIE JUNGE GENERATION «EIN MANN OHNE EIER» NENNT.
Es ging dann alles glimpflicher als gedacht. Die nette Schwester aus der Ukraine wirtschaftete an Kurts lahmer «Heiligkeit» so gleichgültig herum, als wäre das Ganze eine vergessene Nudel in der Pfanne.
Die Narkose war wunderbar – er hatte geträumt, er hätte das Jassturnier im «Löwen» gewonnen. Und im Traum hatten alle mit «na dann – Prostata!» auf ihn angestossen.
Es kam die Zeit der Rekonvaleszenz. Und leider tropfte die Nudel.
«Das ist nur am Anfang so», tröstete Doktor Vögeli.
«Das trocknet dann schon noch ein...»
Immerhin – es war lästig. Vor der OP hatte Kurt alle zehn Minuten eine Toilette suchen müssen. Er kannte mittlerweile die Toiletten seiner Stadt so genau wie der Dackel die markierten Bäume im Wald.
Und jetzt passierte es, dass seine Hose einfach... ach, er konnte nicht darüber reden.
In der Apotheke wartete er, bis niemand mehr im Geschäft war. Dann flüsterte er zum schwarzen Inder in der weissen Schürze: «Inkontinenz.»
Der Mann lächelte breit , so dass eine Reihe perlweisser Zähne Kurt entgegenblitzten: «Welche Stufe?»
MEIN GOTT! ES GAB STUFEN!
«Ich weiss es nicht», flüsterte Kurt. «Geben Sie mir einfach irgend ein Höschen. Oder eine Einlage...»
BIMMBAMM – Frau Huber kam ins Geschäft, als eine Riesenauswahl von Inkontinenz-Schlüpfern verschiedenster Stärkegrade vor Kurt lagen.
«OH NEIN!», jammerte es in ihm.
«Nehmen Sie ‹mittel›, Stufe 2!», riet die Huberin, «mein Alter nimmt die auch...»
«Es ist für einen Freund...», hüstelte Kurt gequält.
Und die Huberin lachte schallend: «Na dann – Prostata!»