Sie hiess Resi. Und Resi war eine Kuh. Daran gab es nichts zu rütteln.
Deshalb: «Diese Kuh kommt mir nicht ins Haus!», sagte Walter und zog empört an seiner Tabakpfeife.
Er stand auf dem Balkon des Chalets. Und schaute zu, wie seine Elsie den gefleckten Fladenscheisser mit Salzstangen fütterte.
Resi mochte Salzstangen – und Elsie rief giftig zum Pfeifenrauch: «Die Resi frisst mir aus der Hand... das ist bei dir schon lange her, Walti!»
Empört zog Walter an seiner Pfeife. «Ich weiss, was du vorhast, Elsa-Maria! Ich kenne dich. Seit bald 50 Jahren!»
«ELSA-MARIA» SAGTE ER NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN ZU IHR.
RESI WAR SO EIN AUSNAHMEFALL.
Am Abend vorher hatten sie einander vor dem Raclette-Ofen im Garten angeschrien.
«DU HAST DOCH EINEN AN DER WAFFEL – WEISST DU ÜBERHAUPT, WAS SO EINE KUH KOSTET?»
Sie wusste es nicht. Aber es war ihr so was von schweinewurscht – Elsie hatte sich nämlich in den Kopf gesetzt, «ihre» Resi vor dem Verkauf am Rindermarkt zu retten.
Bauer Chrigel brauchte Geld. Okay. Die Subventionen vom Bund flossen auch nicht mehr so flüssig wie die Milch. Deshalb wollte Chrigel die Resi für einen «guten Batzen» (so sagte er es) loswerden.
Das Drama: Elsie kannte Resi seit Kalberbeinen. Sie hatte in Chrigels Stall mitgeholfen, die kleine Kuh auf die Welt zu bringen. Seither war es ihre Kuh. Und sie verwöhnte ihre geliebte Resi bei jedem Besuch in den Bergen mit diesen Salz-Stängeln.
Immer wenn Elsie im Chalet auftauchte und die Fenster aufriss, galoppierte die Kuh im Tempo des gehetzten Affen über die Wiese. Resi stand dann mit heraushängender Zunge am Hag. Und machte grosse Kuhaugen.
«Bin schon daaaa», rief Elsie.
Und Resi bekam gesalzene Stangen.
WALTI BEKAM VÖGEL: «Das ist ja tierisch! Total daneben...»
«Sie liebt mich», seufzte Elsie. «Schau nur: sie kann lächeln... du hast für mich nie so gelächelt, Walti!»
«DU SPINNST DOCH!»
Elsie war sogar bereit, auf den Kleinwagen zu verzichten, den ihr Walter zur goldenen Hochzeit schenken wollte: «Lieber die Kuh, Walter!»
«JA, VERDAMMI NOCHMALS!»
Es wurde Krieg. Wie will die Welt je in Frieden leben, wenn hier schon um eine Kuh gekämpft wird.
In der Nacht vor dem Rindermarkt hörte Walti einen Schrei aus Elsies Schlafstube. Er jagte zu ihr. «Das Herz...», sagte sie lahm.
Die Ambulanz kam zu spät.
Es wurde eine schlimme Zeit: Beerdigung in der Stadt. Beileids-Händeschütteln. Und diese leere Wohnung – Walti floh in die Berge. Und hockte apathisch im Chalet herum, als er die Kuhglocke hörte.
Es war Resi. Sie stand am Hag. Und schaute ihm mit grossen Augen entgegen. Walter ging zu ihr.
Da klopfte ihm Chrigel auf die Schulter:
«Als ich das von deiner Frau vernommen hatte... also: Ich hab s nicht übers Herz gebracht. Und Resi behalten!»
Sie schwiegen beide.
Walter holte die Salzstangen im Haus.
Und es war ihm, als würde Resi lächeln...