Vom Butlertraum und Diadem im Haar…

Illustration: Rebekka Heeb

Eigentlich hätte ich immer gerne einen Butler gehabt.

Vermutlich hat mich der stolpernde James in «Dinner for One» an den Silvesternächten am Fernsehen jeweils inspiriert.

Ich wäre gerne die Dame am Tisch gewesen. Aber als Trämlerstochter bist du immer nur das abgezogene Fell, über das die Welt dann stolpert. Dennoch – der Wunsch nach einem Nubier in weisser Uniform mit goldenen Knöpfen blieb. Innocent und ich hatten da mitunter Streitgespräche.

Er: «Weshalb ausgerechnet einen Nubier?»

Ich: «Das fände ich wahnsinnig chic. Weder die Sarasins noch die Merians haben einen Nubier. Wir würden sie ausstechen…»

«DAS IST GANZ SCHLECHTER GESCHMACK! BESONDERS DIE GOLDENEN KNÖPFE…»

So einigten wir uns schon früh auf unsere alte Linda. Sie hatte weiss Gott viel Nubisches an sich, auch wenn sie an unseren Einladungen stets mehr an den schuhlosen Diener Jacob aus «Cage aux Folles» erinnerte. Sie weigerte sich, ein Schürzchen zu tragen. Dafür steckte sie sich jedes Mal das Strass-Diadem meiner Grossmutter ins Falschhaar.

Linda trug eine Perücke. Und hatte die schlechte Angewohnheit, die Gästegläser leer zu saufen. Deshalb stand die Perücke auch meistens schräg. Und das Diadem auf halbmast.

ES WAR NICHT DER NUBISCHE TRAUM, DEN ICH IMMER WIEDER GESPONNEN HATTE.

Aber es war Linda. Und es war gut so.

Doch jetzt: «Wir brauchen wieder jemanden – ich kann nicht alles alleine machen: Zähne auswechseln… Hörapparate suchen… dazu die ganze Kocherei und die Balkonblumen! NEIN. ES MUSS EIN BUTLER HER!»

Und eben – als ich bereits Inserate wie «PFLEGELEICHTES PAAR SUCHT EINEN EBENSOLCHEN DRITTEN…» aufgegeben hatte, kam Max. Und wie gesagt: Max hat zwei Berufe: Tellerwäscher und Psychologe. Beide hat er mit einem «Master» abgeschlossen.

«Wir können Max nicht die ganze Zeit behalten…», versuchte ich gleich zu Beginn klare Verhältnisse zu schaffen. «Erstens hat er in Rom sein eigenes Leben. Er ist nur aus Freundschaft hier…»

«JA EBEN! WOZU HAT MAN DENN FREUNDE» – das war Innocent. Als er nämlich erfahren musste, dass diplomierte Butler punkto Monatslohn der Fiedler-Gage einer Anne-Sophie Mutter sehr nahe kommen, hat er sofort alle Anzeigen gestoppt: «WIR NEHMEN EINE ZUGEHFRAU – MEHR LIEGT NICHT DRIN!»

Jeder kann meinen Frust verstehen: Ich kann mir meine Zugehfrau nicht in weisser Uniform mit Goldknöpfen vorstellen.

Und eine Zugehfrau haben schliesslich auch die Sarasins.

«ZWEITENS…», führte ich nun die Diskussion über Max weiter, «ZWEITENS IST ER ZWAR EIN LIEBENSWERTER DIENER FÜR D I C H – ABER M I C H ENTLASTET ER KEINESFALLS. UND KOCHEN KANN ER AUCH NICHT…»

Max hat zwar in seiner Studentenzeit in der Hotelküche des römischen Nobelschuppens «Raphael» gearbeitet. Er war dort erster Plattenleger an der grossen Spülmaschine. (Und hat sich später entsprechend auch als Discjockey in Altenheimen einen Namen gemacht.)

Aber sein ganzes Interesse galt damals nur dem Spülen – na ja: ein klein wenig noch einem übergewichtigem Hilfskoch, der bereits mit einem Bein im Grab stand.

SO KOMMT ES, DASS MAX ZWAR N A C H DEM ESSEN MIT SEINER BEGABUNG BRILLIEREN KANN – V O R DEM ESSEN ABER IST GRAUZONE.

Wenn man ihn bittet, für einmal ein Nachtessen mit italienischen Spaghetti zuzubereiten, dann könnte man die Teller auch direkt am Komposthaufen füllen.

«ER IST NICHT DEIN K O C H – ER IST MEIN A S S I S T E N T!», lässt nun Innocent sein Gewitter auf mich los. «SCHLIESSLICH BIN I C H DER INVALIDENFALL. NICHT DU!»

Stimmt. E r hat die Krücken. Ich habe die Krux.

So kommt es nun, dass Max aus Rom zum Butler in Basel wurde. Und ich für drei kochen kann!

Zugegeben: Der «Assistente» macht das perfekt. Er umgaukelt Innocent wie ein Zitronenfalter die Dotterblume: Comandante hier… und Comandante dort …

Natürlich gefällt das dem ausgemusterten Kanonenknaller. Er jagt den Assistenten herum, wie er früher die Soldaten aufs Feld geschickt hat. Und Max spurt. Er hofft auf einen dritten Master.

Der einzige Makel: die Anlege des «Assistente».

Max war schon immer sehr sparsam. Das hat ihm auch ermöglicht, ein kleines Vermögen anzuhäufen. Und von dessen Zinsen zu leben.

Aber noch heute trägt er die Küchen-Blusen aus der Raphael-Epoche aus. Und die Kontrolleur-Hose aus dem Atac-Jahr 1982 ist auch jetzt sein «gutes Stück».

Innocent gibt mir seufzend sein Portemonnaie: «Also – ich erlaube dir, ihn einzukleiden. Aber übertreibs nicht!»

So gehen Max und ich ins Aussenquartier der geliebten Stadt. Dort kaufe ich ihm einen weissen Kellnerkittel. Und ein paar schwarze Hosen aus Acryl.

Gut. Es ist nicht mein Nubier-Traum. Aber der Kittel hat goldene Knöpfe. Das dann doch!

P.S. Für etwas anderes hätten die 42 Franken («…und nicht gleich alles verputzen, gell!») Einkleidungs-Budget des «Comandante» eh nicht gereicht…

Dienstag, 4. Juli 2017