Lore äugte in die Konditorei-Auslage. Sie seufzte. Es war der schwere Seufzer der Frustrierten. Vor ihr wogte ein Meer an bunten Maschen. AN HERUMEIERNDEN OSTERFREUDEN.
Da und dort hoppelte auch ein Schokoladenhase. ABER DIE EIER! DIE EIER! Besonders das zartblaubeschleifte dort hinten! DAS MUSSTEN GUT drei KILOS SEIN!
Schon als Kind hatte Lore stets auf so ein Ostergeschenk gehofft. ABER NATÜRLICH LAGEN WIE JEDES JAHR NUR EIN PAKET ZUCKEREILEIN IM NEST! UND EIN HANDGROSSER SCHOKOHASE, DEM SIE AUS WUT DIE OHREN ABBISS. Die Ohren waren übrigens das Beste von allem.
Das Schlimmste: Ihr Vater brachte ihr jedes Jahr eine grosse Schachtel mit zarten Osterblüten drauf. «Da ist das Osterei für die Mami drin. Du darfst es ihr ans Bett bringen!»
SIE SCHAUTE DANN ZU, WIE MUTTER DAS EI MIT DEM REGENBOGENFARBENEN NOUGAT (SIE WOLLTE NUR SOLCHE!) AUS DEM KARTON SCHÄLTE. Im Innern des Kindes schrie es: «WESHALB DIE?! …WESHALB DIE?! …WESHALB DIE?!» Die Mutter war schliesslich kein Kind mehr, zu dem ein Hase hoppeln sollte.
Als sie ein junges schönes Mädchen war, hoffte sie auf ihre Freier. Aber nix da mit süssen Freiereierfreuden.
Lore neigte zur Molligkeit. Also lebte sie stets auf Diät.
So bekam Lore zum Hasenfest von ihren Verehrern meistens ein Sträusslein Narzissen. Und den dummen Spruch: «Ich will dich nicht in Versuchung bringen, haha!»
HAHA! SIE HASSTE NARZISSEN. Es gab wirklich nichts Frustrierenderes als eine Frau ohne süsse Ostereiergeschichte.
Auch mit Emil hatte sie punkto Eierfreuden eine Niete gezogen: «Du bist doch kein Kind mehr, Lore!»
Sie hasste die miese Ausrede ihres Alten. Das war wie sein Spruch: «Wer sich gut wäscht, braucht kein Parfum!»
WO WAREN DIE KLEINEN FREUDEN DIESER WELT GEBLIEBEN? «Uli hat mir aber immer ein Osterei geschenkt», log sie. «Uli war ein Wixer», jagte er gleich auf 100.
So wurde Lore 74. Und alles immer noch ohne süsse Eiergeschichte.
Kurz entschlossen betrat sie nun die Konditorei: «Das Grosse dort hinten im Fester. Bitte schicken sie es mir nach Hause…»
Sie kritzelte etwas auf ein Kärtchen: «…und stecken Sie dies dazu!»
Emil nahm dann am Ostersamstag leicht verunsichert das grosse Kartonpaket entgegen: «Es ist für dich, Lore.»
Sie sperrte die Augen weit auf: «WAS DAS WOHL SEIN KANN, EMIL?» Dann öffnete sie die Schachtel: «EIN OSTEREI!», schrie sie entzückt. Und liess das Kärtchen auf den Boden fallen. «VON WEM?», knurrte Emil. «ICH WEISS ES NICHT.»
Da hatte der Ehemann das Kärtchen auch schon entdeckt. Er hob es auf. «Aha», las er. «Aha – in ewiger Liebe, dein Uli.»
Drei Mal atmete Emil durch. Riss Lore das Ei aus den Fingern. Und knallte es an die Wand: «DIESER HURENBOCK, DIESER GRÄSSLICHE SCHLEIMER!» Die Schokolade war nur noch Gebröseltes. «ICH KAUFE DIR EIN VIEL GRÖSSERES!», schnaufte Emil.
So hatte Lore endlich ihre süsse Eiergeschichte. Oder anders: Man muss das Huhn manchmal kitzeln, damit es die Eier legt…