«Heute Nacht haben uns wieder die Nilpferde besucht…» Afrika-Heidi schaut über ihren Paradiesgarten im Camp an der Grenze zu Sambia und Namibia. Die Frangipani-Bäume stehen in voller Blüte. Der Rasen ist grün – ein wunderbarer Kontrast zu all der Dörre, den sandigen Steppengegenden und den scheintoten Bäumen (diese blühen dann alle wieder, sobald die ersten Überflutungen das Land bewässern) im Okavango-Delta. Heidi ist Baslerin. Aber sie lebt hier seit Jahrzehnten – zusammen mit Flusspferden. Und Krokodilen.
Zu Füssen ihrer Lodge zieht träge der Chobe vorbei. Viele Kinder werden von ihm ins Wasser gelockt. Da können die Mütter die Kleinen lange beschwören: «NIE IN DEN FLUSS – ES IST ZU GEFÄHRLICH!»
Das kühlende Nass ist stärker als alle hitzigen Warnungen. So kommt es, dass man immer wieder Kinder mit nur einem Bein oder einem Arm antrifft – «Krokodil-Kinder» nennt man sie.
O.k. Das hat uns Obi an der Bar von Heidis Lodge so erzählt. Wir haben keine solchen Kinder gesehen. Aber natürlich sind da viele Flusspferde, die sie hier in der Setswana-Sprache «Kubu» rufen. Und die noch gefährlicher sind als die Krokodile, die im Wasser knapp an der Oberfläche links und rechts nach Elefantenschwänzen äugen.
Wenn die Leute von Botswana nachts um ihre Feuer sitzen, erzählen sie einander Geschichten. So auch die vom Flusspferd, das vom lieben Gott mit einem prächtigen Pelz auf die Welt geschickt wurde. Und diesen stolz und hochmütig allen andern Tieren zeigte, bis es das Fell zu nahe ans Feuer hielt. Und rundum abzufackeln begann.
Das Flusspferd jagte zum Wasser. Rettete sich dort. Hatte aber keinen Pelz mehr. Weil der Fluss das Kubu vor den Flammen gerettet hatte, gelobte es hochheilig, nie einem Bewohner des Wassers ein Leid anzutun oder ihn aufzufressen. So wurde es Vegetarier. Und damit jeder sieht, dass es dem vegetarischen Hippo (lateinisch heissen sie Hippopotamidae) mit seinem Eid ernst war, sperrt es immer wieder sein riesiges Maul weit auf: «SCHAUT NUR – DA IST KEIN FISCH DRIN!»
Am Ende geht die Geschichte so aus: Wenn es sein Geschäft erledigt hat, wischt es wild mit dem Schwanz auf seinem Hintern hin und her, um zu demonstrieren: «BITTE SEHR, KEINE FISCHGRÄTE. NICHTS!»
Braves Kubu! Ich habe Botswana nicht nur wegen seiner Tiere lieben gelernt. Auch wegen der Menschen und ihren Geschichten.
Nachts kommen also die Flusspferde aufs Heidi-Land. Und grasen das Grün ab. Na ja – wie Pferde oder Kühe, obwohl es sich Flusspferde strikt verbitten, mit einer Kuh verglichen zu werden. Mit Pferden haben sie auch nichts am Hut. Der Name ist reiner Zufall. Ihre nächsten Verwandten sind die Wale. Und dies, obwohl die bis zu 4000 Kilos schweren Hippos den Paarhufern zugeordnet werden.
«Ich will ein Hippo umarmen», jubelt Innocent. Und hat schon wieder glänzende Augen. Er umarmt hier alles. Vom Barkeeper bis zur Hyänen-Mutti. Letztere sind potthässlich. «Aber haben sie nicht ein allerliebstes Lächeln auf den Lippen?», schwärmt Innocent verklärt.
«SIE WERDEN BALD DICH AUF DEN LIPPEN HABEN», knurrt Kitty. «UND DAS MIT DEM HIPPO KANNST DU MAL GANZ SCHNELL VERGESSEN, ES SIND DIE GEFÄHRLICHSTEN TIERE IN AFRIKA!»
Tatsächlich schauen sie lieb und gemütlich aus. Aber die dicken Dummerchen sind zart besaitet. Und wenn jemand sie beim ruhigen Grasen im Fluss oder beim Mittagsnickerchen aufschreckt – NA DANN GUTE NACHT! DIE HABEN HAUER IM MUND, DA KANNST DU JEDE FLEISCHERMASCHINE DANEBEN VERGESSEN!
O.k. Sie wollen nicht angreifen. Sie wollen auch nicht spielen. Sie wollen sich nur verteidigen – aber diese Verteidigung ist heftig!
Auf dem breiten Sambesi fahren wir nahe zu den Nilpferd-Gruppen. Meistens schauen nur leicht gerötete Ohren und Augen aus dem Wasser heraus. Und es scheint, dass es den Nilpferden furzegal ist, wenn da ein Boot vorbeihoppelt. SO GANZ WOHL IST MIR BEI DER SACHE DANN DOCH NICHT. MAN SOLL DÖSENDE DÄMONEN NICHT WECKEN. Deshalb: «Lasst uns umkehren. Ich muss mal…»
Zu Hause lege ich mich in den Garten. Und will mir ein paar Smarties reinziehen. DAS WAR EIN FEHLER. Im Nu bin ich von einer Gruppe Paviane, die sie hier «Baboon» nennen, umringt. Auch Paviane lieben viele bunte Smarties.
Da sie Zähne zeigen (und nicht etwa, um zu lächeln), kann ich gerade noch meinen Bungalow-Schlüssel schnappen. Und davonjagen. Mit ohrenbetäubendem Gekreische teilen die Affen die eroberten Schokoladen-Pillen untereinander auf.
Innocent kommt mit seinem Fotoapparätchen herbeigerannt: «Hast du gesehen – dort trägt ein Pavian eine Sonnenbrille. ALLERLIEBST!» – ALLERLIEBST? – Es war meine Sonenbrille. GUCCI. Und da bin ich mir erstmals bewusst, was das Wort «Label-Affe» wirklich bedeutet! Pipi tröstet mich über den Verlust hinweg: «Ich habe noch eine billige Skibrille für den Notfall hier. Die kannst du morgen zum Trip an die Victoria Falls tragen.» Vielleicht hätte ich dies besser unterlassen sollen. Beim Zollübergang nach Zimbabwe mustert mich der Zöllner streng: «Haben Sie etwa auch noch einen Schlitten dabei?!» Dann klopft er sich über seinen eigenen Witz brüllend vor Lachen auf seinen fetten Arsch. Und lässt uns alle passieren.
Bei den Victoria Falls ist Innocent wieder nahe am Wasser gebaut. Gut. Hier ist es der gigantische Wasserfall, der ihn perlen lässt. Aber er trompetet in sein Taschentuch. Und schaut mich mit feuchten Augen an: «Ist Afrika nicht wunderbar – dass ich so etwas noch erleben durfte!» Ein Vervet Monkey grinst ihm zu. Schon springt das Äffchen ihm an die Hose. «Hallo, hallo… du bist ein ganz Lieber!», sagt Innocent zur wuscheligen grünen Meerkatze. «Der Affe hat Flöhe», ruft Kitti von Weitem, «lass die Finger von ihm!»
Auf dem Rückweg zum Heimflug nach Johannesburg hatte Innocent auch Flöhe. Aber keinen Sonnenhut mehr. Den trägt nun das grüne Meerkätzchen. «Es ist wohl einfacher, eine Horde wilder Elefanten zu zähmen als diese beiden Drullas aus Basel», höre ich Pipi zu Kitti raunen. «AFRIKA IST EINFACH SCHÖN …», seufzt Innocent in seinem Flugsitz. Er hat die Haare in Ermangelung seines Huts mit einem an den Enden geknüpften Taschentuch bedeckt. Und ist unbeschreiblich glücklich.