Von umstrittenen Bettlaken

Illustration: Rebekka Heeb

«Das ist zu primitiv!» Inno­cent klopft verächtlich auf das Leintuch mit den zwei watschelnden Enten.

O.k. Es ist ein Kinderbett­anzug. Und es ist eine auf Tuch gedruckte Szene aus ­Disneys «Aristocats».

KINDER LIEBEN DAS! Nicht nur Kinder. Auch ich kann mich mit bald 70 an den zwei kichernden Gänsedamen auf dem Videofilm nicht sattsehen.

Eine der Gänse heisst Abigail. Sooo geil!

Wenn ich morgen mit einem Mädchen niederkäme, ich würde die Kleine Abigail nennen und…

«IN SO ETWAS SCHLÄFT DIE LIEBE LIESEL NICHT.»

Aha – daher weht der Wind! Meine englischen Gänse sind der Salzburger Dame wohl nicht gut genug?

«Ich habe noch den Bettbezug mit dem speienden Drachen…», sage ich unschuldig.

Natürlich ist Innocent gleich wieder auf 100:

«WESHALB KANNST DU DIE ARME SEELE NICHT EINFACH MAL FREUNDLICH BEHANDELN? SIE HAT EIN BISSCHEN ZUWENDUNG WIRKLICH VERDIENT…»

Mir wird schlecht ob so viel Gesülze.

Innocent glaubt noch immer, dass der Graf andersweitig-andersseitig die Sau raus und seine Frau links liegen lässt.

«Die arme Frau giert nach Liebe …», redet sich Innocent alles zum Roman.

Dabei hat sich dieser ausgekochte Satans­braten den Aristokraten lediglich unter die roten Krallen gerissen, um bei ihrem Salzburger Schlachter die Bestellung einer Rindshaxe schrill mit «… und sofort alles aufs Schloss zu Graf Rosendorn» aufpolieren zu können.

Natürlich knickt da jede österreichische Mamsell mit lispelnden «Jawoll, passt – Gräfin!» ein.

DER KAISER STECKT IN DIESEM LAND NOCH ÜBERALL. ABER BESTIMMT KNICKST KEINE EIDGENÖSSISCHE TRÄMLERSTOCHTER, DEREN VATER AUF DEN SCHIENEN ZUR DIREKTEN DEMOKRATIE GEFAHREN IST!

Deshalb: «Entweder sie schläft mit den Gänsen. Oder sie kann gleich ins Hotel abziehen!»

Innocent wird nun richtig stinkig: «Und weshalb hast du die andere Seite des Bettes mit meinem teuren Leintuch aus ägyptischem Linnen bezogen?»

Jetzt dreht er aber ganz dick auf!

Das ägyptische Linnen habe ich ihm einst in der Brockenstube Concordia für einen Fünfliber gekauft. Es hatte diese wunderschöne Stickerei am Kopfende. Da habe ich zugegriffen. Insbesondere da bei den fünf Franken noch ein blecherner Eierschneider inbegriffen war.

Jetzt poliert Innocent also diesen vergilbten Lappen zur Familien-Exklusivität auf. Und erzählt jedem, es sei ein Erbstück aus der Wäschekiste der lieben Tante «von Schmidt».

«ES WAR DAS EINZIGE STRETCHLEINTUCH MIT MONOGRAMM…!», rechtfertigte ich alles in diesem zischenden Ton, der keine Widerrede duldet. «Und die rechte Seite des Betts hat einen noblen Inhalt. Hier wird ein Graf sein Geschlecht, das bis zu den Habsburgern zurückgeht, schlafen legen – DIE GÄNSESEITE ABER KOMMT LEDIGLICH AUS HUTTENWALD! SIE SERVIERTE DORT ALS FRÄULEIN LUTZ SAUSPECK-SCHMANKERL UND IHRE ROLL-MÖPSE…»

Muss ich noch mehr aufdrehen?

Es war mir eh nicht ganz klar, weshalb die ­Liesel mit ihrem Grafen den Herbst bei uns auf der Insel verbringen wollte. Nun gut – abgesehen von der ewigen Halalilust der Gräfin auf den armen Innocent gibts hier doch einiges, was der österreichische Adel im Salzburgerland vergeblich sucht: einen starken Kaffee, der die Herzen Walzer tanzen lässt, und toskanischen Wein, bei dem jeder spielend das hohe F jodeln kann.

Unsere Inselprotagonisten sind besser als die Schmierenkomödianten an der Wiener Burg: ­Giacomo, der einarmige Gärtnersgeselle, und die dreiäugige Putzerin Lucia haben es nämlich total drauf.

Zurück zu meinem weiblichen Knödel-Ötzi und ihrem wunderbaren Adelsherrn, der alles aushält…

UND AUSHÄLT, IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES.

«Sie wollen bei der Traubenlese dabei sein!», erklärt Innocent nun doch leicht beunruhigt über meine aggressive Laune. «Und du tätest gut daran, nett zu sein. Lieselchen hat nämlich Karten für ‹Aida›. Die Netrebko wird nächstes Jahr die Titelpartie in Salzburg singen. Und ihr Mann den Radames…» Also diese beiden erinnern mich auch sehr stark an mein Grafen-Paar: Sie gibt den Ton an – und für ihn bleibt als einzige Erlösung der Tod…

Immerhin – als die beiden mit ihrem alten Mercedes und dem jungen Chauffeur (man weiss ja, was ein junger Chauffeur bedeutet!! Aber ich sage nichts!) auf unserem Schotter heranbretterten, da winkt Liesel schon von Weitem mit einem Kartonpacken von «Pfanni» aus dem Wagenfenster: «Hallo Buaberln – y werd euch Marillenknödel kochn!»

Die Marillen sind Aprikosen. Diese hat sie tiefgekühlt in Salzburg eingepackt. Sie waren jetzt ein zerschmettertes Mus, wie dreimal gekotzt.

«Da moch y holt Topfen-Kugeln!», liess sie sich den guten Willen wegen dem bisschen Aprikosen-­Matsch nicht stehlen.

Nur der Graf wurde aschfahl: «Nur kääner Knöödel net … y lod oller in a Baizerl ain!»

Er erzählte dann für einen Grafen sehr ausführlich, wie er die letzten Tage nach Liesels «Topfen-­Kugeln» auf dem Thron verbracht habe. Und nicht etwa, um zu regieren…

Als Liesel die Gänse auf ihrer Bettseite sah, strahlte sie: «Dös isch liab … y mog den Disney-Schmorrn auch so haiss… och Buaberln – losst euch ans Herzi drucken…»

«Oh, Lieselchen – ich wusste, dass es genau das Richtige für dich ist…», schleimte meine Haussülze. Und schon standen sie eng umschlungen vor der Liege.

ICH HÄTTE DOCH DAS BETTZEUG MIT DEM SPEIENDEN DRACHEN NEHMEN SOLLEN.

Dienstag, 8. November 2016