«PASS DOCH AUF, DU DEPP!» – Ilse war wieder mal schrill drauf.
GESTÄNKER. GESTÄNKER.
Urs wusste, was kommt. Spätestens in 20 Sekunden würde sie mit dem Fahrausweis anfangen.
Und BINGO: «…es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass du den Schein abgibst. Um ein Haar hättest du diese Katze zu Brei gefahren. Es hätte unsere Amanda sein können. Mit 81 ist deine Reaktion gleich zero…»
Blablabla.
Gestänker. Gestänker.
Seit über 50 Jahren ging sie ihm mit ihrer Meckerei auf die Eier. Aber beim Autofahren wars am schlimmsten.
Ilse redete mit. Sie redete drein. Und ganz arg: Sie griff ihm kreischend ins Steuer. So hatten sie schon gemeinsam den Gartenzaun der Hubers wegradiert.
«Lass die Hände bei dir. UND HALT ENDLICH DEN MUND!» – brüllte jetzt Urs.
«Ich steige aus!» – brüllte sie zurück.
«UND WIE WILLST DU DENN OHNE ROLLATOR HEIMKOMMEN?!», gab er es ihr vollfett zurück.
Die Stimmung war gereizt. Als dann auch noch das rote Warnlämplein aufleuchtete, tobte Urs: «JA, VERDAMMICH – DAS HAST DU JETZT DAVON!»
«Was ist das?»
Urs wusste es auch nicht. Er kannte sich in der Mechanik seines Wagens nicht aus. Und Gebrauchsanweisungen blieben in Folie verschweisst ungeöffnet im Beifahrerfach.
«DAS IST DIE WARNLAMPE FÜR DUMME GOSCHEN!», tobte Urs.
«Halt an, du Arsch!», zischte Ilse zurück, «ABER SUBITO!»
Er bremste am Strassenrand.
Mühsam schälte sich Ilse aus dem Sicherheitsgurt. Dann orgelte sie langsam aus dem Wagen.
«Bitte!», höhnte Urs süffisant, «vielleicht nimmt dich ja die Müllabfuhr mit…»
Es war der gehässige Ton einer ausgeleierten Ehe.
«H I E R KÖNNEN SIE NICHT PARKEN!» – erklärte eine Frauenstimme sehr bestimmt.
«HALT DEN RAND!» – war Urs gleich wieder auf hundert.
Dann war Stille. Gefährliche Stille.
Erst jetzt sah Urs, dass die Stimme von einem weiblichen Strassenaufsichtsorgan kam.
Breitbeinig stand die Polizistin da. Stemmte die Hände in die Hüften. Und befahl gefährlich leise: «Ihren Fahrausweis, bitte!»
Die Busse war saftig. Und: «Sie können froh sein, dass ich Ihre Bemerkung überhört habe, guter Mann… in Ihrem Alter gehören sie eh nicht mehr ans Steuer…»
«Hähä» – meckerte Ilse schadenfroh und hielt sich an der Parkverbotsstange fest. «M E I N E WORTE!»
Urs fuhr wütend heim. Und rasierte bei der etwas arg engen Einfahrt den gipsernen Zierfrosch ab.
«Das war ein Geschenk von Tante Ortrud», hörte er die schrille Stimme seiner Ehefrau.
Dann ging er in die Beiz. Und liess sich volllaufen.
Später kehrten beide wieder zum normalen Alltag zurück: Wortgefechte. Sticheleigemetzel. Und der Gipsfrosch, der mit abgeschlagenem Kopf als schreiender Vorwurf auf dem Garderobentischlein stand.
Mittwoch war dann Theater.
«Mach das Fenster runter. Ich dirigiere dich aus der Garage!», gab der Feldmarschall den Befehl durch.
«Das kann ich auch alleine!», knurrte Urs.
Er sah im Seitenspiegel wie Hilde mit der Hand nach rechts wedelte. Dann nach links.
Dann verdrehte sie die Augen. Und dirigierte ihn wieder zurück.
Schliesslich schrie sie: «HAAALT. DIE KAATZE…»
Urs ging abrupt aufs Pedal. ALLERDINGS AUFS FALSCHE.
Es gab ein fürchterliches Gepolter.
Und dann war Stille.
Ruhe für immer.
(Immerhin: Die Katze überlebte.)