Hilde räkelte sich auf ihrer Sandstrandliege.
Das Kunststoff-Bett hatte eine auf- und abklappbare Sonnenblende. Sowie blau-weisse Streifen.
Es gab 564 Sonnenbetten am Strand. Alle blau-weiss gestreift.
Hildes Liege hatte die Nummer 189.
Die von Walter: 190.
Darum herum 191, 192, 193, 188, 187 186 – so weit das Auge reichte.
«IST ES NICHT WUNDERBAR, WALTILEIN?»
Hilde gurrte zufrieden.
Walter gab nur ein undefinierbares Grunzen von sich. «IST ETWAS, WALTER?»
Wieder Grunzen. Dann im selben Klageton, mit dem er auch jedes Jahr die Steuerrechnung kommentierte: «Wir hätten doch auf die Grimmialp fahren sollen…»
Hilde jagte vom Strandbett hoch: «DU BIST EIN EWIGER JAMMERHAKEN, WALTER HUGENTOBLER! Auf der Grimmialp hats jetzt nur Matsch. Letzter Schnee weg. Und alles Pflotsch…»
Sie breitete effektvoll die Arme aus, sodass der etwas zu enge Badeanzug ins Rutschen kam: «HIER SONNE … SOMMERANFANG … MEER…»
«Das Meer fängt nach der 12. Reihe Liegestühle an!» – meckerte Walter. «Und Sonne gab es gestern gerade mal eine halbe Stunde. Aber da hockten wir ja im Speisesaal und mussten uns animieren lassen…» Walter schauderte noch immer bei der Erinnerung, wie er eine der Hotelgast-Damen mit Klopapier zu einer Mumie hatte einrollen müssen. UND DAS NANNTEN DIE DANN SPASSPROGRAMM. Hildi hatte ihnen diesen Urlaub auf Benidorm eingebrockt:
«Lass uns an die Sonne fahren, Waltilein…Benidorm ist jetzt traumhaft. Blumen, schöne Menschen, badewarmes Wasser – und…»
«Auf der Grimmialp hätten wir wunderbar Ruhe. Und wären unter uns…», hatte er eingeworfen. Ein kläglicher Versuch, der an Hildegards eisigem Vorwurf scheiterte: «…ICH W I L L ABER ETWAS UNRUHE, WALTER . UNSERER EHE WÜRDE EIN SCHUB ANIMATION GANZ GUT TUN. ICH KOMME MIR MANCHMAL VOR WIE IN DER VORHALLE ZUR STERBEKAMMER MIT DIR…»
Er hatte gekränkt geschwiegen.
Was verstand Hildi unter Animation? Zu seiner aktiveren Zeit waren in diesem Unwort sexwillige Damen verstrickt gewesen. Sie animierten testosterongeladene Männer. Und wollten Champagner am Tresen.
«Es gibt einen Mittwochjass auf der Grimmialp…», versuchte er es noch einmal schwach. Aber er wusste, das die Animation bereits anderweitig gebucht war.
UND HIER LAG ER NUN: Strandbett 190. Eiskaltes Meer. Und Cellulitis ringsum. Die einzig Schönen waren schwul. Und Personal.
«Ich glaube, wir sollten uns für die Wasser-Aerobic bereit machen. Setz die Bademütze auf, Waltilein. Und wenn der Animator wieder diese lustige Übung macht, wo Du Frau Meyer-Hagen buckeln musst, schau nicht wieder, als hätte dir ein Hund vor die Füsse geschissen!»
Walter war eher die stille Natur. Er hasste es, den ganzen Tag von Musik umspült zu werden. Er mochte den Pianisten mit seinem ewig bummernden Konserven-Schlagzeug beim Mittagessen nicht. UND ER HATTE BEIM ANIMATIONSSPIEL SO VIELE BÜSTENHALTER WIE MÖGLICH ZU KLAUEN KLAR «NEIN!» GESAGT.
Natürlich galt er jetzt als «typischer Schweizer». Als Nörgeler. Als Spielverderber. Nur Hildi liess sich den Büstenhalter klauen – ER NICHT. ES WAR NICHT SEINE ART. Jetzt erklärte er barsch, die Schwimm-Aerobic samt BH-Klau könnten ihn mal kreuzweise. Dann suchte er sich durch alle Strandstühle den Weg zum Meer. Walter tauchte im eisigen Wasser unter.
Und holte sich eine Lungenentzündung. Zurück in der Schweiz verschrieb ihm der Arzt Ruhe. Und das Kurhotel auf der Grimmialp. Es war noch Pflotsch.
ABER WUNDERBAR RUHIG.
Den Mittwochsjass liess er aus. Und klaute Hildi den BH.