Es war eine Schnapsidee. Weich. Und schräg. Aber Evchen hat gebohrt. Und gebohrt. Dann hat sie ihre grossen Katzenaugen gemacht. Sooooo. Wenn sie auch ein Weib ist und seit zehn Jahre Rente zieht, so werde ich bei Evchen immer noch schwach.
EVCHEN IST DAS LESBOS IM SCHWULEN MANNE. Najasoungefähr.
«Es wird der Brüller: Claudette kippt aus ihren Gucci-Stiletten. Und die Gäste werden jaulen. Du weisst, wie Claudettes Klausen-Einladungen jedes Mal zum Abwinken sind: Teigmänner mit wenig Zucker auf dem Bauch wegen ihrer ewigen Diäten. Heisser Kakao. Und das ewige Herumzeigen der Enkel im iPhone-Album. WOLLEN WIR DAS? Nein. DAS WOLLLEN WIR NICHT!»
Evchen beantwortet ihre Fragen stets selber. Diese grosse Begabung hat sie schon vor Jahren zur erfolgreichen Linksaussen-Politikerin gemacht.
Claudette also. Die Schulfreundin hat uns wie jedes Jahr zum «Niggi-Näggi» eingeladen. Alles auf Bütten. Und mit Druckbuchstaben. Istjagut.
Claudette ist so etwas von stinkefein und bürgerlich, dass sie mit den Handschuhen aufs Klo geht. Daneben ist sie dann aber auch knausrig, dass es zum Himmel stinkt. So.
Einmal pro Jahr trommelt sie alle Freunde zusammen. Immer zum 6. Dezember. UND MAN WEISS JA WESHALB: Grättimänner und Kakao kommen billiger als ein Viergänger mit Wein.
Jetzt also Evchen. «Wir werden den Abend aufmischen: Nikolaus und sein Ruprecht schellen am Tor. Und ich bastle ein paar Verse…»
BLOSS NICHT. Evchen ist wie alle anständigen Politiker an der Fasnacht aktiv. Sie geht als wilder Bank (s Stichelbeeri) und schreibt für diverse Guggemuusig-Cliquen den Zeedel – so auch für d Gülleschlüüch. Ihre Ergüsse sind heiss, doch holperig im Versmass. Vor allem aber sind sie inhaltlich unter jeder Sau. Sie könnten mühelos als Frau-Wirtinnen-Verse durchgehen. Natürlich wagt niemand, so etwas Evchen zu sagen. Keiner mit Verstand legt sich mit einer Linksaussen-Politikerin an. Noch eh einer drei Silben gestänkert hätte, würde er Gefahr laufen, als Macho abgestempelt zu werden. UND EIER AB!
So wähnt sich Evchen also als Goethe unter den Sprücheklopfern. Aber ihre Sprüche an Claudettes Schickimicki-Klausen-Party wären so unpassend wie Hella von Sinnen als Festrednerin an einer Bischofskonferenz. «Ich mache mit – doch ohne Verse!», versuche ich das Schlimmste zu verhüten. Und so wühlen wir uns also mit einem Adrenalinschub von 100 000 durch das üppige Angebot beim «Kostüm Kaiser». Bald schon ist das Klausenglück gefunden: ein prächtiger roter Mantel mit Kunststoff-Hermelinbordüre für mich. Ein simpler schwarzer Sack für Evchen. Dazu Requisiten wie fitzige Ruten und viel Rauschebart aus gebleichtem Nylon. Bevor wir jedoch Claudettes stinkigen Mief aufrüschten, wollten wir auch noch unsern Spass haben.
SO ZOGEN WIR KICHERND MIT FROHEM GEBIMMEL IN DIE STADT – EVCHEN WAR ÜBERZEUGT: DIE CITY WIRD UNS LIEBEN!
(Dieser Tick geht bei ihr auch wieder unter «Selbstüberschätzung bei Politikern».)
Auf dem Marktplatz klauste es noch und noch. Es war die reinste Klaustrophopie. Die einen bretterten auf neonglühenden Harley-Davidsons vorbei. Die andern verkauften «krumme Anisbrote» für Drittweltländer (die Dritte Welt würde sich bedanken, müsste sie sich durch solche Prothesenkiller beissen). Und eine Gruppe seltsam anmutender Ruprechte schöpfte eine ziemlich wässrige Kürbissuppe zu fünf Franken pro Teller. Spendenziel unbekannt – vermutlich das verarmte Baselbiet. Wir beide gingen im Klausenkrieg völlig unter, als mich ein allerliebstes Mädchen an der künstlichen Hermelinbordüre zupfte: «Santiklaus – ich weiss ein Gedichtlein …»
JADASHATJETZTGERADENOCHGEFEHLT!
Ich spielte hier den Klaus, um bei ein paar Männern die Rute aus dem Sack zu lassen – ABER BESTIMMT NICHT, UM KLEINE MÄDCHEN ANZUHÖREN, DIE GEDICHTE RUNTERLEIERN…
Evchen Ruprecht aber nahm das Kind wie bei ihren Wahlveranstaltungen liebevoll an der Hand: «Der liebe Nikolaus freut sich, dass du ihm ein Gedicht aufsagen willst … wie heisst du denn?»
Die Kleine drehte sich wie ein Korkenzieher: «Ssssesssil…»
«OH – CÉCILE, DAS IST EIN WUNDERBARER NAME!», schmalzte der ölige Ruprecht. Und schon legte die Kleine wippend los: «Heute geht der Nikolaus in unsrem Sädtchen ein und aus, besucht den Christ und den Buddhist und gerne auch den Islamist, weil es ein Fest FÜR ALLE ist. Nur so liegt auf dem Tag ein Segen…»
(Die Kleine machte eine Kunstpause. Und holte dann tief Luft): «ES SOLL FRIEDEN FÜR ALLE GEBEN!»
Einige Leute applaudierten. Knecht Ruprecht neben mir heulte Rotz und Schrauben. Und ich war einfach nur perplex.
Als wir noch Nikolaus-Gedichte rezitierten, kamen die Herrschaften aus dem Schwarzwald. Und ihr Sack war schwer und dick – dann Reim: «He joo zem guete Glück!»
UND JETZT WAR DIE KLAUSENLITERATUR NUR NOCH POLITISCHES FRIEDE-FREUDE-EIERKUCHEN-FEST?
«Das sind die neuen Leitlinien des konfessionsfreien Lehrstoffs …», schneuzte sich Evchen. Sie hatte vor Rührung den Bart schief. Cécile aber hielt mir die Hand hin. «Was schenkst du mir jetzt, lieber Nikolaus?!» SCHEISSE. Ich hatte nichts bei mir. Keine Puppen. Keine Computerspiele. Null. Nada. Ich war ein mieser Klaus. Schon wollte ich eine Magen-Renny als süsse Überraschung aus meiner Notpillendose abgeben, da meinte die Kleine: «Ich nehme es auch in bar für ein neues iPad…»
Knecht Ruprecht neben mir hatte sich wieder eingekriegt. Zückte eine Zehnfrankennote. Und sülzte: «Immer weiter so. Cécile. Du bist ein liebes Mädchen… du wirst es in der Politik mal weit bringen!» Ich sah eben noch, wie Evchen zum Geld auch einen Partei-Werbeprospekt mitschob.
«…und jetzt ab zu Claudette!», gab mir der linke Ruprecht einen Stoss. Dort zeigte die lahme Bande auf iPads bereits Schnappschüsse von brüllenden Enkelkindern herum.
«Hohohoooo…», machte Evchen.
«Hohohooooo…», echote ich.
Dann legte Evchen mit ihren ersten Reimen los. Und sie hat es so gut gemacht wie Hella von Sinnen an der Bischofskonferenz.