Vom jungen Papst im Römer Hinterhof

Illustration: Rebekka Heeb

In Rom ist der Teufel los. Okay, das ist er hier immer und gerne. Meistens verirrt er sich unter die wallenden Sutanen der herumwuselnden Priester. Oder er heizt den ofenflammenrot dahin­schwebenden Bischöfen ein. Na. Habt ihr das Wortspiel gecheckt? Bisch-ÖFEN. Geil, gell?!

NATÜRLICH DURFTE MAN SO ETWAS NIE ÖFFENTLICH SAGEN. GESCHWEIGE DENN SCHREIBEN.

Doch seit Papst Francesco die Sonntagspredigt nicht mehr mit «gehet hin in Frieden», sondern «e Guete zämme!» beendet – seither hat sich viel verändert. Auch beim Klerus.

Zurück zum Satan und seiner Lust. Das Ganze ist allerdings überhaupt nicht lustig: Denn der Teufel herrscht in unserm Römer Hinterhof.

Tonnen von Kabeln liegen wie ausgetrocknete Vipern herum. Tätowierte Männer tun geschäftig. Sie stellen kastengrosse Scheinwerfer auf. Und schleppen einen ganzen Wald an Olivenbäumen und Pinien an.

Meine Eingangstüre ist versperrt: Ein Marmor-­altar, barock und so säulengeschwungen, dass es einem den Kopf verdreht, blockiert die Türe. Eine wilde Herde von Engeln, die fröhlich das Horn und die Posaune blasen, pfeifen im Altarhimmel.

Plötzlich entdecke ich einen violetten Kardinal. Ich will ihm den Ring küssen.

Aber er kreischt auf wie eine Puffmutter, bei der einer an den Schlüpfer will: «Hau ab du Sau – vatene!»

SPRICHT SO EIN KARDINAL?

Nein. Eben nicht.

Tomaso, unser Vize-Portier kommt wie ein Huhn auf mich zugegackert: «VIA! VIA! – Du bist mitten in der Szene …» Die mache nun aber ich: «WAS IST MIT ­DIESEM SCHEISSALTAR VOR MEINER WOHNUNG!» Irgendeiner schreit: «What the hell is this fucking fat drake queen doing here …?» Und Tomaso antwortet kleinlaut mit dem Allerweltswort, das die Italiener seit Jahrzehnten im Köcher haben, wenn sich die Situation zuspitzt: «Pazienza! Pazienza!»

Schliesslich flüstert der Ersatzportiere mir verschwörerisch zu: «Sorrentino dreht einen Fernsehfilm in unserm Palazzo. Der Altar ist in zwei Tagen wieder verschwunden. Wir haben dir im Veloraum ein Notbett hingestellt!»

Fernsehfilm? Paolo Sorrentino? – Diese fröh­liche Regie-Kugel aus Neapel, die heuer in Hollywood den Oscar abgesahnt hat? IN UNSERM HOF? Vor meiner Tür?

Hurtig hänge ich mir meinen Regenschirm an die Lippen und rolle die Augen.

Dann deklamiere ich das ellenlange Gedicht vom «Sandmädchen», verwerfe die Arme schreiend himmelwärts und schmettere mich auf den Boden, um mir vor den 14 Mistkübeln des Konsortiums Gift zu geben.

ABER KEINER ZEIGT SICH AUCH NUR EIN BISSCHEN BEEINDRUCKT.

Zwei, drei lassen den Stinkefinger steigen. Und für den Rest bin ich feuchter Dreck.

Doch: So schnell lasse ich mir die Gelegenheit nicht vereiern! Da hat man endlich mal eine Filmcrew im Haus – UND UNSEREINS SOLL AUF DIE NOTCOACH!

Nicht mir MIR! Mit mir NICHT.

So.

Da der Altar mit den Blaseengeln den Zugang zu meinem Kleiderkasten versperrt, sause ich zu «ADAMO». Sie kennen sicher alle den Laden am Corso Emanuele – ein kleines Geschäft für grosse Grössen.

Dort schnappe ich mir einen weissen Leinenkittel und bekomme noch einen schwarzen gratis dazu (SCHLUSSVERKAUF!). Jetzt schlüpfe ich in das einzige Paar rote Jeans, das in meinem Mass zu haben ist. Aber selbst Grösse 64 ist arg satt. Also schneidert Signore Adamo zwei Stretch-Passagen in den Bund rein. Und alles mit Klebeband fixiert. DENN ES EILT!

Mein Fernseh-Know-how hat mich gelehrt: Wer beim ersten Take nicht drin ist, kommt nie mehr rein! Ich will eben wieder in den Hof jagen: Da sehe ich IHN. Er sieht aus wie ein Gott, den sie zum Papst ernannt haben.

Es ist «il giovane Papa», dem ich mich vor die Füsse werfe: «OH DIO, DIO! «, weine ich, «CHE GRANDE PIACERE …»

Ich versuche seinen Rock zu heben und die Füsse zu küssen. Aber er trägt Nike-Schlurben darunter. Und duftet wie das ganze Haus Dior (später erfahre ich, dass der Filmstar für dieses Haus wie auch für Dunhill Reklame macht und auch schon für beide gemodelt hat).

Der junge Mann schüttelt mich ab wie Tante Bertie den Dackel, wenn er an ihren Nylons ­hoppelt: «It’s okay. It’s okay!» Der Schöne pfeift durch die Finger. Schon wedelt so eine blonde Tussi (auch sie: DIORWOLKE!) an. Und schleimt sich mit Himmelblick an den jungen Papst: «Okay, Jude. That’s the last one …»

UND SO BEKOMME ICH VON JUDE LAW DIE LETZTE AUTOGRAMMKARTE AN DIESEM TAG GESCHENKT.

Ich lecke seine Finger. Sofort wird er umgeschminkt – denn der zweifach Oscar-Nominierte (jawohl! Da staunt ihr aber!) muss rauf auf unsere Dachterrasse, wo mittlerweile die Olivenbäume ihr Letztes geben, um daraus die Vatikanischen Gärten zu machen.

Später erklärt mir Tomaso, dass Jude Law «il giovane Papa» spiele. Acht Folgen lang. «… und was sagst du jetzt?» sagt der Vize-Portiere.

«Ich will den Regisseur sprechen!» – das sage ich.

«Der hat andere Sorgen», seufzt der Vize-Portiere, «der Strom ist im ganzen Palazzo ausgefallen!»

«IN MEINEM TIEFKÜHLER SIND HÜHNERBRÜSTCHEN FÜR DIE KATZEN!», tobe ich.

Dann greift Tomaso wieder zum italienischen Standardwerk: «Pazienza … Pazienza …!»

Okay. Ich werde die Rolle der Papst-Mutter nicht spielen. Aber irgendwann kommt der Tag. Pazienza. Pazienza.

Dienstag, 27. Oktober 2015