Nudeln an Salm

«Himmel – nicht mal Mayonnaise kannst du!» – Herbert schaute angeekelt auf Undefinierbares: gelbe Flocken in Öl.

Ulla seufzte betrübt – so wie sie auch streunenden Hunden nachseufzte.

Sie war eine sensible Seele. Kochen gehörte jedoch nicht zu ihrer sensiblen Seite.

Vor 15 Jahren schon. Da hatte sie Herbert mit «Nudeln an Salm» den Kopf verdreht.

Ulla hatte das Rezept auf einem Flyer im ­Supercenter aufgeschnappt. Es tönte ­verführerisch simpel. Und beim fünften Mal klappte es auch. So klopfte sie sich selber stolz auf die Schulter: «Wowww Ulla … das ist es: DEIN BESTES!»

Es blieb das einzig Beste. Aber es reichte. Herbert machte ihr einen Heiratsantrag. Und protestierte bald: «Könntest du auch mal etwas anderes…?»

Nein. Konnte sie nicht. Nur Nudeln nature.

«ICH WILL AN MEINEM 15. HOCHZEITSTAG DEN SALM EINFACH NUR MIT MAYO» – hatte Herbert am Morgen geknurrt. «HAUSGEMACHTE MAYO, verdammi!» –

Kein Blümchen. Kein Küsschen. Nur «verdammi!» Und «m e i n» Hochzeitstag. Als ob sie nicht auch dabei gewesen wäre.

Ulla rief Grethi an. Die gab ihr die Sache ­durch: «Ein Eigelb… Öl langsam einrühren!»

SIE RÜHRTE SICH DURCH 14 EIER UND ANDERTHALB LITER ERDNUSSÖL.

Katastrophe. Nur Flocken. Das Ei lag geschieden da.

Ulla noch nicht.

So kam es, dass er sich tobend aus dem Haus machte. Und bei seiner Freundin blieb – von ­dieser Freundin hatte Ulla so viel Ahnung wie vom Kochen.

Die Scheidung wurde teuer. Herbert musste ­zünftig blättern. Die Richterin war eine Frau. Als er lamentierte, Ulla habe immer nur «Nudeln an Salm» gekocht, hatte sie ihn lange angeschaut: «Und S i e waren sich wohl zu fein, um selber an den Topf zu gehen?»

Da wusste er, dass er verloren hatte.

Später hatte die Richterin Ulla zugelächelt: ­«Versuchen Sie es mal mit Fertiggerichten. Einfach ein bisschen abändern – mit Gewürzen und ­Dekorationen aufmotzen…»

WESHALB HATTE MAN IHR SO ETWAS NICHT SCHON VOR 15 JAHREN GEFLÜSTERT?

Ulla wurde jetzt ein Kochstar.

Ihre «Schlemmerfilets» waren ein Traum: Sie hobelte dem tiefgekühlten Klotz die Sauce weg. Und schüttete die Fertig-Bechamel von Knorr ­darauf.

Dann etwas Curry. Und zwei Essblümchen.

ABER HALLO!

Die Gäste gaben Standing Ovations. Und Grethi hielt einen Toast auf Ulla: «Gottlob bist du dieses Arschloch los!»

Alle wussten, wer gemeint war.

Nachdem sie eine eigene Fernsehsendung auf dem Lokalsender bekam – «ULLAS HIPP-HOPP-SCHLEMMEREIEN» – und den Zuschauern demonstrierte, wie man eine ­Fertigmayonnaise mit etwas Kreuzkümmel und Joghurt zu einem exotischen Touch verhelfen konnte, rief Herbert sie an: «Ullalein – ich schaue immer deine Sendungen. Lola hat mich verlassen. Ich koche jetzt selber. Da wollte ich einfach mal ausloten, ob wir zwei nicht noch einmal…»

ULLA LACHTE HERZLICH, ALS SIE ABENDS DER RICHTERIN VOM ANRUF ERZÄHLTE.

Sie lebten jetzt genau seit fünf Jahren zusammen.

«Zur Feier des Tages habe ich etwas ganz ­Spezielles für dich gekocht…», strahlte sie.

Es gab «Nudeln an Salm».

Die Richterin schüttelte den Kopf: «Ich mag deine Beutelröschti lieber, Liebes».

Das war das Ende von «Nudeln an Salm»

Und ist es hier auch.

Montag, 19. Oktober 2015