Der Kofferschlepper sah aus, als käme er aus der Operette: «Dorf y auspacken?»
Nun. Ich bin ja nicht so. Aber diese Direktanmache treibt unsereinem auch mit 68 Jahren noch die Röte eines Löschhydranten in die Birne. «Ich weiss nicht recht …», stammle ich.
Jetzt hat der Mann auch schon den Koffer geöffnet. Hängt die zwei Kittel in den Kasten. Zwingt meine Hose an Bügelklammern. Reiht Hemden in Schubladen ein. Und lächelt etwas verwegen: «Den Rest loss y drinni.»
Ich kam aus Rom. In Wien wartete eine Dame (und das war sie, bei Gott!). Ich sollte sie in zwei Stunden zum Interview im Hotel Sacher treffen.
«Den Rest loss y drinni», sagte der alte Hoteldiener mit den Messingknöpfen noch einmal. Und blieb erwartungsfroh bei der Türe stehen. Ich salbte seine abgeschlaffte Hand mit dem kleinsten Euroschein. Ging hurtig unter die Dusche. Und als ich eben wunderbar eingeseift daherschäumte, griff eine eisige Hand an mein Herz: WESHALB HATTE ICH PLÖTZLICH EINEN KANARIENGELBEN KITTEL? KANARIENGELB IST EINDEUTIG NICHT MEINE FARBE.
Ich jagte aus der Duschkabine. Und mich traf schier der Schlag: DAS WAR GANZ KLAR NICHT MEIN KITTEL. ES WAREN AUCH NICHT MEINE HEMDEN. NICHT MEIN KOFFER!
Ich sank aufs Bett: «Oh nein!»
Und «oh doch … doch … doch» grinsten alle 100 000 Seifenbläschen höhnisch, die jetzt auf meinem Bauch platzten.
O. k. Meinem Onkel Nudelstadt ist das auch schon passiert. Als er in Ankara seinen Koffer öffnen wollte, bekam er ihn nicht auf. Er liess die Hotelmannschaft kommen. Die sprengte das Schloss mit zwei Pistolenschüssen. Im Innern lagen zwei bodenlange Abendkleider. Und drei Spitzenhöschen. Alles ordentlich in Seidenpapier gewickelt.
Da hättet ihr einmal die Augen des Personals sehen sollen. Jetzt sagt denen mal auf gut Türkisch: «Das ist nicht mein Koffer. Und schon gar nicht mein Höschen.»
Weil solche Verwechslungen immer wieder vorkommen, habe ich Innocent auf den Knien angefleht: «Ich will einen Schalenkoffer mit Rosen drauf. Oder zumindest mit weidenden Kühen! Das ist dann unverwechselbar.»
Mein lieber Freund brachte dann einen daumengrossen Plüsch-Elch aus dem «Weihnachten danach»-Angebot heim. Das Preisetikett («2.90 Fr.») war rot durchgestrichen. «1.00 Fr.» stand jetzt darauf.
Triumphierend knüpfte Innocent den Gräuel mit einem rosigen Kunstseidenband an den Koffergriff: «Das kommt billiger als ein neuer Samsonite!»
VERSTEHT IHR, WESHALB ICH MANCHMAL WEINE?
Natürlich ist der Elch schon bei der nächsten Reise auf der Strecke geblieben. Nur das Kunstseidenband hat überlebt. Und signalisierte: «Hallo, du Depp – das ist deine Bagage!»
So. Natürlich kann ich mir einen etwas ausgefalleneren Koffer auch selber besorgen. Ich meine SOOOO IST DAS NICHT MIT DER KNETE. Ich habe schliesslich auch Börse studiert.
Also: Meinen Traum fand ich im Souk von Marrakesch. Der Samsonite blinkte im satten Rot von Granatapfelsaft. Darauf versprühte Daisy Duck vier goldene Herzen. Ihr Outfit: eine getupfte Haarschleife und eine Tüte Popcorn. Und obwohl mir der marokkanische Händler lang und breit zu erklären versuchte, dass dieser Koffer mit der goldherzigen Daisy ein Einzelstück sei, liess ich nicht mit mir handeln. ICH BIN DOCH NICHT BLÖD: «500 Dollar oder wir lassen das Geschäft platzen!», zeigte ich ihm die harte Karte des Business-Manns.
Er gab heulend nach. Und verfluchte den Tag, als ihm Allah diesen rosigen Pfeffersack aus dem Land der schwarzen Konten vorbeischickte.
Erst in der Schweiz habe ich dann gesehen, dass Daisy Duck mit einem «made in China»-Stempel auf Reisen ging.
UND NUN ALSO DAS – JEMAND ANDERS MUSSTE AUCH NOCH IN MARRAKESCH EINGEKAUFT HABEN!
Ich schlug Alarm. Und der Concierge versuchte mich zu beruhigen: «Schöner Mann von Zimmer 69 …?» Also auf so etwas musst du dir in Österreich gar nichts einbilden. Die zuckern ja auch ihre Frikadellen.
«So etwas passiert jeden Tag», versprüht er Frohlaune. Und verbindet mich zum Flughafen. Dort: «Kommen S einfach vorbei… wir hobens a Haufen von verwechselter Bagaaschi hier …»
Gut gesagt. Und was ziehe ich jetzt zur Lady ins Sacher an? Ich durchsuche die Hemden. Da gibts ein einziges in Weiss. Aber mit Langarm. Und es sitzt knapp. Sehr, sehr knapp. Also lasse ich eine Schere kommen. Und säble die Ärmel ab. Dann bastle ich mir – schnipp-schnipp! – beherzt einen Lüftungs- sowie Stretch-Riss.
O. k. Mir fehlt jetzt nur noch meine «ich bin es mir wert»-Packung für jeden Tag. Gottlob hat der andere Daisy-Duck-Koffermann auch eine Straffcreme eingepackt. Daisy-Duck-Gepäck hat einen gemeinsamen Nenner: die Faltencreme.
Ich schmiere sie mir auf die Wangen und merke zu spät, dass es Gleitsalbe ist…
Am späten Abend bin ich dann beim Schalter mit der Aufschrift «verwechselte Gepäckstücke» aufgekreuzt.
Ein älterer Herr stand auch dort. Im pepitagrünen Seidenanzug. MEINEM SEIDENANZUG. Er trug den Daisy-Duck-Koffer mit den Goldherzchen.
Die Flughafenleute zeigten auf ein Hinterzimmer wo wir beide uns austauschen konnten.
«Ich habe aus Versehen ihre… ‹hmmm, hmmm›-Creme benutzt» entschuldigte ich mich.
Er winkte ab: «Keine Ursache – ich habe mich bei Ihren Feuchttüchlein bedient.»
Wir haben noch gemeinsam einen Johannisbeersaft gebechert. Und dabei hat er mir erzählt, dass er seinen Daisy-Duck-Koffer nicht für 500 Dollar in Marrakesch, sondern für 20 Euro preiswert auf eBay erstanden hat. Und so etwas Billiges hat meine Feuchttüchlein benutzt!