Krumm gelaufen

Walter kam nach Hause.

Pfeifend.

Als er den Koffer sah, war ausgepfiffen!

Es war SEIN Koffer.

Darauf ein Zettel von Martha:

«MACH DASS DU ZUM TEUFEL KOMMST. ICH WEISS ALLES!»

ALLES – das war Svetlana. Er hatte sie bei seiner Pedicure kennengelernt.

Svetlana war dort Assistentin. Was so viel bedeutete wie: Sie faltete Handtücher. Und füllte die Zehenbecken mit Warmwasser.

«Sie kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien», hatte Frau Messerli ihm zugeflüstert. Und den Kopf etwas missbilligend geschüttelt: «Zzzzzz – Ihr Nagel wächst ins Krumme …»

Dann hatte sie gekichert. «Wir wandeln doch nicht etwa auf krummen Touren, Herr Nägeli …?»

Svetlana kicherte pflichtbewusst mit. Das war sie ihrer Chefin schuldig. Auch wenn der Witz mies war.

Schliesslich hatte Svetlana einen Espresso herbeibalanciert. Und Walter die heisse Brühe über das weisse Hemd geschüttet.

«Passen Sie doch auf, Sie dumme Gans!» – hatte die Podologin getobt.

Das war der Anfang einer Krummnagel-Romanze.

Nägeli war nämlich der heisse Retter-Typ alter Schule. Kam eine Frau in Not, gingen bei ihm die Sirenen ab: UND VOLLFAHRT ZUM RETTUNGSEINSATZ!

Walter gab den harten Mann, der sich stets schützend vor das schwache Geschlecht stellt.

So.

Nägeli rubbelte also das weisse Hemd ab, das jetzt aussah wie das gefleckte Fell einer Simmentalerkuh: «Das macht doch gar nicht, liebes Fräulein Svetlana …»

Das Fräulein heulte sich die Augen rot. Und um sich und der Frauenwelt zu beweisen, dass er mit solchen Situationen spielend fertig wurde, lud er das Mädchen aus dem einstigen Jugoslawien zum Nachtessen ein.

«Geschäftliche Besprechung», blies er daheim bei Martha «Rösti mit Bratwurst» ab.

Walter kaufte sich bei C & A ein weisses Hemd.

Um neun Uhr heulte ihm Svetlana dieses mit Tränen voll. Sie war aus ihrer Heimat geflohen. Ein Halunke wollte ihren Tod, weil sie ihm nicht gefügig war.

JAMMERTAL!

Walter erstach den Miesling in Gedanken mit einem Schwert. Und streichelte Svetlanas schön manikürte Finger.

Diese streichelte zurück. Und schniefte, dass sie bei diesem Drachen von Pedicure die Sklaven­arbeit zu erledigen hätte. Dabei sei sie studierte Chemikerin und …

Das C & A-Hemd zog Walter dann erstmals in einer miesen Kellerwohnung aus. Und schwor sich: «Ich hole das Mädchen aus diesem Loch heraus!»

Dann machte er sich an ihm zu schaffen.

Ritterlich. Und mit Schutzüberzug, den er für solche Fälle stets bei sich in der Innentasche hatte.

Die Sache lief gut. Svetlana kündigte bei Frau Messerli. Und pedigurrte nun am Krummnagel von Walter herum.

Er mietete ihr im Gegenzug ein Dreizimmer­appartement. Und sie mischte ihre chemischen Kenntnisse bei Nagellackfarben auf.

Die Affaire lief gut acht Monate, als Martha Wind davon bekam. Und den stadtbekannten Detektiv Sperber einsetzte.

Deshalb nun: Koffer vor der Tür.

«Du giftige Schlange», brüllte Walter nicht besonders ritterlich im Hauseingang. Er machte sich auf den Rückzug zu Svetlana.

Im Dreizimmerappartement lag jedoch bereits Detektiv Sperber auf der Couch. Und liess sich von Svetlana nicht nur die Zehen massieren.

«Krumm gelaufen», lächelte Pedicure Messerli Tage später maliziös Walter zu. Und nahm den schiefen Nagel in Angriff.

Montag, 10. August 2015