«Alles elektronisch!» – der Chefportier überschlug sich beinahe in Begeisterung.
Er hievte Louises Reisesack auf das Gepäckgestell. Dann schob er die Zimmerkarte in einen Schlitz.
«Wenn Sie die reingesteckt haben, funktioniert jedes Licht auf Sensor-System! – und jetzt passen Sie mal auf, gute Frau!»
Der Mann drückte wild auf einem Kistchen herum.
Wie von Zauberfäden gezogen, öffneten sich die Vorhänge. Und plötzlich leuchteten auch ein paar Lämpchen aus dem Marmorboden.
«Das sind die Fusslichter», erklärte der Gnom in der Goldknopf-Livree wichtig. «Wenn Sie nachts Ihr Geschäft verrichten müssen, zeigen Ihnen die Fusslampen, wo es zur Toilette geht, gute Frau...»
«Aha», knurrte Louise trocken, «ich bin aber der Pampers-Typ. Und bleibe immer liegen...»
Der Mann ging Louise grässlich auf den Wecker. Besonders sein «gute Frau» – da hyperventilierte Louise genau so, wie wenn Simon sie «Mami» nannte.
Simon war 55. Louise 80.
MAMI – war etwas fürs Globibuch. Und «gute Frau» kam in die Kotztüte.
«Es ist ein Traum», hatte Simon geschwärmt: «klare Linie, klare Form! Das Hotel besitzt drei Auszeichnungen für ‹stilsicheren Bau› – und du wirst nur einmal 80, Mami.»
Louise stöhnte: «Und was hat eine krumme Fregatte in klaren Formen zu suchen?»
«Mami...», maulte Simon.
Sie knurrte: «Ich hätte meinen 80. lieber im ‹Edelweiss› gefeiert. Ich hasse diese Sterilität, als würde gleich jemand auf den Operationstisch gelegt.»
«Mein Gott ist die wieder gut drauf heute...», seufzte Simon draussen zum Concierge. Der aber hatte andere Sorgen. Die elektronisch gesteuerte Technik flippte eben aus. Sie liess im ganzen Haus die Sonnenstoren rauf und runter jagen, während die Klimaanlage von «gedämpft frostig» auf Backhitze umschaltete. Die kostbaren japanischen Goldfische kochten schon.
Mittlerweile fummelte Louise brummelnd am Elektro-Kästchen herum. Wild drückte sie die Sensoren, sodass plötzlich ein koreanischer Nachrichtensprecher vor ihrem Bett aus dem Boden schoss. Im Badezimmer startete eine Dauerbrause mit Dauerbrausen. Dazu: Sinatra mit «My Way».
«Das glaube ich jetzt aber nicht!», tobte Louise.
Sie ging ans Telefon. Und wollte dem Livree-Männchen mal zünftig ihre Meinung husten. Doch das Telefon hatte über 30 Knöpfe.
WELCHER WAR WOZU UND WIE? Sie knallte den Apparat schnaubend auf den Marmorboden, sodass er mit zartem «DINGDONG» explodierte.
Louise griff zum Fläschchen mit den Klosterfrau-Tropfen. Sie gurgelte gleich alles rein. Dann schwankte sie ins Bad, um vor dem grossen Festessen noch die Dauerdusche zu nehmen. Doch die war mittlerweile versiegt. Es kam kein Tröpfchen.
Louise suchte nach Warm- und Kaltwassergriff.
UMSONST.
Da war nur wieder eines dieser verdammten Elektro-Kästchen. Also drückte sie drauf.
Es funktionierte. Doch bevor sie vom Duschkopf wegjagen konnte, kam die Brause. Dauerbrausend.
Und das war dann das endgültige «Aus» der schwarzen Lockenfrisur.
Mit tropfenden Haaren bestellte Louise ein Taxi.
«Das kannst du nicht machen, Mami», heulte Simon.
«Das ‹Mami› kannst du dir in den Arsch stecken!», tobte Louise. «Und den ganzen ‹gute Formen-Mist› hier auch...»
«MAMI!»
Der 81. Geburtstag wurde dann im Hotel «Edelweiss» gefeiert. Alleine.
Es hatte keinen Architektur-Preis.
Aber es gab noch diese wunderbaren Elektro-Schalter, die man einfach an- und ausknipsen konnte...