Geburtstagswünsche

Sie wurde jetzt 50.

UND DAS WAR NICHT NICHTS.

Seit 20 Jahren waren sie verheiratet.

Die Zeit hatte die Ehe zur Routine gemacht:

Jassen mit Kollers am Freitag.

Sonntag war dann Besuch bei der ­Schwiegermutter im Altersheim.

Rest der Woche: Haushalt. Und: «Hier ist dein Cerealien-Müesli, Schatz!»-Alltag.

Trudy wollte sich nicht beklagen. Gustav war ein guter Mann. Zuverlässig. Treu. Doch nicht ­sonderlich fantasievoll.

Zum Geburtstag: stets ein Seidentuch. ­Nobelmarke, handrouliert.

In ihrem Wäscheschrank stapelten sich 20 solcher Foulards. Alle mit Rosenmuster. Gustav liebte Rosen. Sie aber war allergisch gegen Seide. Gegen Rosen. UND VOR ALLEM GEGEN 20 HALSTÜCHER (sechsmal dieselben!).

Auf den 50. wollte sie ihn sanft zu dem ­Perlen­collier hinführen, das sie bei «Meister» im ­Schaufenster gesehen hatte. «Ach Gusti», sie schenkte ihm Tee nach (seit 20 Jahren Earl Grey).

«Ja Trudy?»

«Hast du nicht manchmal auch ausgefallene ­Wünsche...» Sie streichelte ihm über die ­angehende Glatze. Und er schaute leicht irritiert von den Börsenkursen auf.

«Wie meinst du das, Trudy?»

Sie lächelte ihn an: «Manchmal denke ich, wir sind ein bisschen festgefahren... es ist, als würden wir immer dasselbe Geleise abspulen... möchtest du nicht auch einmal ausbrechen... ein runder Geburtstag wäre doch eine grossartige Gelegenheit dazu...»

Jetzt schaute er sie lange an: «... Natürlich ­verstehe ich das. Ich habe mir auch schon dies­bezüglich Gedanken gemacht. Du hast recht: 50 Jahre sind der Zeitpunkt, wo wir neue Wege gehen sollten...» Er kitzelte sie am Doppelkinn: «Keinen Schal mehr, mein Schatz. Etwas völlig anderes – die grosse Wende, haha!»

Sie atmete erleichtert auf. Er hatte sie begriffen.

Nun galt es einfühlend den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen.

«Wie findest du meinen Hals, Gustav?!»

Er streichelte sie jetzt liebevoll an der Kehle: «Wunderbar Liebes. Gehen deine heissen ­Wünsche etwa dahin...?»

«Ach Gustav – aber eng anliegend!»

An jenem Abend liebten sie sich wieder wie einst. Das letzte Mal war an einem 1. Mai vor acht ­Jahren gewesen.

Als Gustav ermattet auf dem Ikea-Boxspringbett lag (ein Geschenk seiner Eltern zur Hochzeit) wusste sie, dass das Geburtstagsgeschenk dieses Mal kein Halstuch werden würde...

Doppelte Gewissheit hatte sie, als ihre Freundin Lore anrief: «Deinem Alten hats wohl ins Gehirn geschneit – der wollte doch tatsächlich deine Halsgrösse wissen!»

«Jupiiii Lore!» – jubelte Trudy. «Wenn er wieder anruft, sag ihm: «Ein Dreireihiges!»

Er lud sie zum grossen Tag ins Nobelrestaurant der Stadt.

Cüpli zum Einstieg.

Dann: Menu surprise. Und ein kleines, ­quadratisches Päckchen, wunderschön verpackt.

Er schob es ihr zu: «Du hast es verdient, Trudy...»

«Ach Gusti ...» – Sie wollte das Goldband am ­Päckchen aufknüpfen. Doch er unterbrach sie ­hastig: «...Warte bis wir daheim sind, Trudy. Ich habe noch ein anderes Päckchen dazu!»

«Mein Gott», dachte sie. «Er hat das Armband auch noch gekauft...»

Zu Hause zog er sie ins Schlafzimmer: «Auf neue Wege, mein Liebes!»

Auf dem Boxspringbett öffnete sie schliesslich ungeduldig das Geschenk.

«EIN HUNDEHALSBAND!» – schrie sie auf.

Er legte ihr das zweite Paket hin: «Hier noch die Lederleine... und ein Peitschlein mit Zwick!»

«GUSTAV!»

«Ja Liebes», gurrte er, «gut, dass wir einmal über unsere geheimen Wünsche gesprochen haben...»

Montag, 8. Juni 2015