Computerpannen

Die Frau blieb vor dem Auto stehen.

Sie trug etwas in den Händen, das wie ein klobiges iPhone aussah.

Anne hasste Computertechnik. Sie war noch das einfach gestrickte Dummi von gestern.

Früher hatten die Serviertöchter in den Beizen einen kleinen Notizblock gezückt. Und die Bestellungen aufgeschrieben: «Ein Mineral, zweimal Menü 3».

Heute wurden die Wünsche mühsam mit Stift­nadel in einen Kleincomputer eingetickert.

Ein sanftes Zittern des Apparats meldete an, dass «Getränk –12/a– und zweimal Menü –C–» in Umlauf gesetzt werden.

Statt eine grosse Flasche Mineral kommt dann ein kleines Gläslein Grappa. Statt zweimal Wiener Schnitzel werden viermal Flundern im Ei geliefert.

Der Kellner (irgendein Gelegenheitsjobber von der Uni) seufzt: Der Computer spinnt wieder mal.

Und der Computer denkt: «Gib richtig ein, du Feige!»

Und so gipfelt die Welt in der Frage: Wer isst nun die Flundern im Ei?

Zurück zu Anne und ihrem Wagen. Der ist neu. Und «mit einer Computertechnik auf futuristischem Stand ausgestattet» (so hatte der Autoverkäufer stolz erklärt).

Trotz futuristischem Stand war ihre Auto-Uhr dann in der Winterzeit stecken geblieben. Draussen lassen Magnolien bereits die Blätter fallen – im Innern des Wagens: Adventszeit.

«Das bekommst du hin, Anne», machte sie sich selber Mut. «Du bist schliesslich kein Doofy.»

Sie drückte den Knopf: MENÜ.

EIN ROTLICHT FUNKELTE WIE DAS HÖLLENFEUER: «EINSTELLUNGEN NUR IM RUHEZUSTAND VORNEHMEN!»

Na danke. Wie sollte da noch einer ruhig bleiben.

Sie würgte den Motor ab. Drückte wieder MENÜ. Aber das Signal erlosch wie die Induktionsplatte, wenn die Milch überlief.

Anne liess den Karren nun im Leerlauf suttern. Und siehe da – MENÜ!

Sie wusste allerdings nicht weiter. Und drückte einfach die verschiedenen Knöpfchen ab.

Schon sang Roberto Blanco Anne die Büchse voll. Und der Heckscheibenwischer kratzte sich durchs Trockene.

Klopfklopf ... KLOPFKLOPF!

Es war eine Frau in Uniform, welche energisch an die Scheibe pochte.

Annes Puls jagte jetzt wie beim dritten «Tatort»-Mord. Sie versuchte, den Fensteröffner-Knopf zu bedienen. Und schnappte sich so die Finger der Polizistin.

«Auuuu», überbrüllte die jetzt Roberto Blanco.

Hastig öffnete sie die Türe: «Ja, was ist?»

Die Sicherheitsassistentin zählte – wie sie es im Vier-Monats-Kurs gelernt hatte – auf 100. Dann: «Sie können hier nicht einfach Finger einklemmen und mit laufendem Motor herumstehen. Ich muss sie leider büssen ...»

«Ich wollte nur die Uhr auf Sommer stellen ...», brummte Anne. Und: «... haben Sie nichts anderes zu tun?!»

WIEDER ZÄHLEN AUF 100.

Und sich an die Regel Nummer eins erinnern: «Immer freundlicher Freund und helfender Helfer sein.»

Deshalb: «Stellen Sie den Motor ab. Dann drücken Sie MENÜ – dann Einstellung UHRZEIT ...dann ...»

Anne zeigte triumphierend auf das schwarze Tableau, wo das Höllenzeichen MENÜ mit dem Abstellen des Motors wieder parallel erlosch.

Die Polizeihostess (mittlerweile beim Zählen auf 400) lächelte: «Am besten, Sie fahren zum Garagisten. Oder Sie rufen den TCS. Aber büssen muss ich Sie trotzdem – 40 Franken. Fair – oder?»

Anne war den Tränen nahe. Die Verkehrsdienst-beamtin auch. Sie tastete an ihrem Kistchen herum. Und nichts. EINFACH NICHTS.

«JETZT GEHT DIESER SCHEISSAPPARAT SCHON WIEDER NICHT!» – toste sie los.

«Einfach auf 100 zählen», lächelte Anne.

Und so wurde es doch noch ein schöner Tag.

Montag, 27. April 2015