Air Fresh

Sie mochte die neue Technik nicht.

ABER GAR NICHT!

O.k. Es war schön, nur aufs Knöpfchen drücken zu können. Und nicht an den Arsch frieren zu müssen.

In früheren Zeiten ist es mindestens drei Mal monatlich passiert, dass sie frühmorgens mit ­eisigen Zehen vor dem erloschenen Ofen stand. Das Öl war ausgegangen! Also runter in den ­Keller. Und eine Kanne in die Wohnung hochschleppen.

Da es ihr stank, einen Morgenmantel überzu­werfen, ging sie im Nachthemd. Und die kalte Luft neben den gelagerten Kartoffeln – brrrrrrr! – machte ihr Hühnerhaut.

Wenn Dora die zehn Liter in den Tank eingefüllt hatte, blieb da stets dieser etwas stark penetrante Gestank nach Heizöl in der Stube.

Also sprühte sie etwas, das aus einem grünen Fläschchen kam. Im Prospekt gaben die Werber ein Versprechen für frische Luft «wie beim ­Spazieren durch Wälder» ab.

Die Abfüllfirma nannte sich «Air Fresh».

Noch heute bringt Dora eine Sprühung Air Fresh oder diese stark strömenden Taxi-Dufttännchen mit «Frieren im Nachthemd» in Verbindung.

«KANN MAN DIESE EUKALYPTUS-TANNE ABSTELLEN!», hatte sie Ahmed, ihren ­Taxichauffeur kürzlich gefragt.

«IST GUT LUFT – FRAU!», hatte der sie leicht gekränkt aus dem Rückspiegel angeschaut.

Bei der nächsten Fahrt hatte Ahmed dann das Eukalyptus-Aroma gegen «türkische Nacht» getauscht.

Immerhin erinnerte der süssliche Duft Dora nicht mehr an eisige Zehen und windige Luft sondern an etwas, das sie mit dem Wort «PUFF» in ­Zusammenhang brachte.

NATÜRLICH WAR SIE NIE IN EINEM PUFF GEWESEN – DAS WÄRE ABER AUCH NOCH...

Doch Dora war überzeugt, dass es nur dort und in Ahmends Taxi so schwer-süss duftete...

Am Schlimmsten war für die kleine Dora die Sache mit den Metatabletten gewesen. Es waren kleine, weisse Rippchen – hochgiftig.

Sie benutzte die Tabletten auch für ihren ­Puppenküchenherd. Bläulich züngelte die Flamme. Und «WASCH DIR JA DIE HÄNDE! – an diesem weissen Zeug sind schon viele dumme Mädchen gestorben!» – machte man dem Kind die Hölle heiss.

Der Ofen also wurde zu jener Zeit mit den ­Metatabletten angezündet. Man hielt das ­Streichholz ans Metarippchen. Und verbrannte sich die Finger dabei.

Schliesslich wurde das Flammending ins Innere der Heizung geworfen.

Es konnte nun passieren, dass das Feuer durch zu viel Öl erlosch. Wenn man nicht immer ­kontrollierte, ob die Flamme züngelte, geschah die Katastrophe: Das Öl floss ­hemmungslos weiter.

«Der Ofen ist ersoffen!» – schrie die Mutter jeweils. Und saugte das Heizöl mit alten Lumpen ab.

RESULTAT: BESTIALISCHER GESTANK.

AIR FRESH DARÜBER!

UND GEZETER: «WANN BEKOMMEN WIR ­ENDLICH ZENTRALHEIZUNG?!»

Die Grossmutter schaute ihre Schwiegertochter verächtlich an: «Zu meiner Zeit hat man noch mit Briketts und Holz geheizt... GESTUNKEN HAT ES NIE!»

All diese Gedanken jagten Dora durch den Kopf, als sie im Keller stand. Und nach dem roten Knopf suchte.

«Drücken Sie ihn – und zählen Sie auf zehn. Dann nochmals drücken!», hatte ihr der SOS-­Fernheizungs-Mechaniker per Handy durchgegeben.

SIE KONNTE DIESEN VERDAMMTEN KNOPF NICHT FINDEN!

Ein eisiger Wind fegte unter ihrem Nachthemd.

Dora musste unwillkürlich an Air Fresh denken.

Montag, 16. März 2015