Schäumende Gedanken

Elsie schäumte.

Walter hatte ihr auf Weihnachten den ­gewünschten Schaumapparat unter die Tanne gelegt. Das heisst: Sie hatte ihn selber gekauft, als Geschenk verpacken lassen und ein Kärtchen: «Von Walti für Elsie» draufgetätschelt.

Nun liess Elsie also die Milch aufschäumen ...

Das weisse Pelzchen wurde mit Kakao verziert. Sie hatte ein Smiley-Köpfchen versucht. Und dazu eine Schablone benutzt.

Leider war das Lächeln verrutscht. Das Ganze sah nun eher aus wie eine Gewitterwolke in der Milchstrasse. «Ich will keinen Kakado drauf!», knurrte Walter. «Denk an meine Zuckerwerte!»

Elsie seufzte.

Manchmal spann sie verrückte Gedanken, wie etwa sie sei mit George Clooney verheiratet. Er würde ihr beim Abwasch helfen. Und einen ­hausgeschäumten Cappuccino ganz anders zu schätzen wissen als ihr Angetrauter mit dem Gemüt einer Waschtrommel.

Walter biss eben in den zweiten Gipfel, den er sich fett mit Butter bestrichen hatte.

Auf der Butter funkelte purpurrote Konfitüre. HIMBEER – FINGERDICK! «Ich denke, du hast Zucker!» – konnte sie es sich nicht verkneifen!

Er überhörte den Vorwurf. Und hatte weissen Schaum auf dem Schnauzer. Der sah aus, als sei der erste Schnee darüber gekommen.

GEORGE CLOONEY HÄTTE SICH VORNEHM MIT EINER WEISSEN SERVIETTE DEN MUND ABGETUPFT. UND IHR DANN EIN KÜSSCHEN AUF DIE WANGE GEDRÜCKT.

Walter aber liess ein Bäuerchen los. NEIN – EINE GANZE BAUERNVERSAMMLUNG! Er rülpste ­hinter der Zeitung, sodass die Schlagzeile «DANKT QUEEN ELIZABETH AB?» arg ins ­Flattern kam.

George Clooney hatte in allen seinen Filmen (und Elsie hatte j e d e n gesehen) nie gerülpst. Nur gelächelt. Oder geküsst. Und sich für die ­ Werbung abgekapselt.

Sie seufzte. Die Queen hatte es einfach: Sie schlug den Clooney zum Ritter. Schon küsste er sie. O.k. Das war dann nur die Hand. Aber immerhin. (Elsie schaute gedankenverloren auf ihre etwas wurstigen Finger. Sie beschloss, die ­ Nagellackfarbe zu wechseln.)

«Ich wäre gerne die Queen», seufzte sie zur Zeitung.

Geraschel. Geschmatze. Und wieder Bauernaufstand!

Dann: «Was is ...?»

DAS WAR AUCH SO ETWAS: GEORGE CLOONEY HATTE KEIN KIND IM OHR! Das hatte nur dieser abgehalfterte, deutsche Schauspieler, der in ­Venedig einen Polizeichef spielte. DA KONNTE ELSIE AUCH GLEICH BEI WALTER BLEIBEN!

«Ich sagte: Ich wäre gerne die Queen!» – brüllte Elsie nun über den dritten Gipfel.

«Schrei nicht – ich bin ja nicht taub!», kam es zurück.

Elsies Gedanken kreisten nun um das ­Schlafzimmer der englischen Königin. Die lag zu dieser Zeit immer noch im Bett – das wusste sie aus einem englischen Spielfilm. Dort hatte ­allerdings der Prinzgemahl daneben gelegen. Er sah ziemlich durch den Wind gezogen aus. So knitterig. Dieser hagere Rippenturm soll der armen ­Elizabeth das Leben auch nicht einfach gemacht haben. Das hatte sie im Film mitgekriegt. Ein Neidhammel, war der! Und nur weil er stets drei Schritte hinter der Königin hertrotteln musste. DAS WAR JEDOCH KEIN GRUND, SICH IM BETT GEHEN ZU LASSEN ...

Walter legte endlich die Zeitung auf den Tisch – die war jetzt so verbraucht und zerknittert wie der Prinzgemahl. In diesem Faltenpuff sollte Elsie die Todesanzeigen finden!

«Ist etwas?», fragte Walter.

«Nein» – seufzte Elsie.

Sie beschloss, bei der nächsten ­ Schaumdekoration ein Kakaoherzchen zu versuchen.

Herzchen waren einfacher.

Montag, 5. Januar 2015