Von Rompipalle und «das sagt man einfach nicht»

Illustration: Rebekka Heeb

Die Italiener haben für «Nervensäge» ein Wort, das sie stets verschämt durch die Nase flüstern: «ROMPIPALLE!»

Ausgedeutscht heisst es so viel wie: einer, der jemandem zünftig auf die Eier geht.

Da die Italiener punkto Sex zwar gerne Bunga Bunga machen, aber oral doch mehr dem Rosenkranz verbunden sind, werden Ausdrücke unter der Gürtellinie (und dann gar in der Unterhose) kaum laut angewendet.

«ROMPIPALLE» hört man somit nur aus Schweizermund, der sich mit saftigen Italo-Ausdrücken wichtig machen will. So etwa, wie wenn ein Amerikaner in St. Moritz «HUERECHAIB!», sagt. Und sich total einheimisch fühlt.

Wenn die Italiener den Eierpresser doch einmal auf die Zunge nehmen, schwächen sie das Wort in «Rompiscatole» ab.

Nun. Ich finde, dass zwischen einem «Schachtelstampfer» und einem Eierpresser noch ein gewisser Unterschied besteht. Aber die Leute vom Stiefel sind sensibel und von ihren Priestern geprägt. Sie scheuen das wahre Wort.

Meine italienische Nervensäge heisst Franco. EINE RICHTIGE ROMPIPALLE, darf ich euch gerne sagen. Zwar eine Seele von Mensch. Aber wie die meisten Rompiscatole hat er die Weisheit mit Löffeln gefressen. Und weiss alles besser. DIE BESSERWISSEREI MACHT DIE ESSENZ DER PATENTIERTEN ROMPIPALLE AUS!

Franco betreut unsern Römer Palazzo. Pünktlich um sieben schlurbt er über den Kies des Innenhofs. Dann zieht er am Tor an verschiedenen Scharnieren. Langsam öffnet sich die riesige Holztüre.

Und Franco geht wieder schlafen.

Weil er aber jeden Morgen so pflichtbewusst das Tor aufschliesst und schon hin und wieder in einer meiner Kochsendungen alles besser wissen durfte («den Knoblauch für Spaghetti aglio e olio muss man in Lamellen schneiden. Komm mir nicht mit dieser Hacksauerei, welche ihr Schweizer-Pfeifen da stets heruntersäbelt …!») – aus diesem Grunde habe ich ihm ein Ticket in die Hand gedrückt: «Komm nach Basel, Franco – erlebe hier die Herbstmesse und den Sieg von Roger Federer!»

DIE HERBSTMESSE GING IHM AM ARSCH VORBEI. Aber für Roger hat er ein Faible. Roger ist das Einzige aus der Schweiz, das es bei ihm mit einem italienischen Produkt aufnehmen kann. Roger ist der Schweizer Parmesan unter dem Tennis-Käse – aus italienischer Sicht (ich weiss, dass es schwierig zu verstehen ist. Aber ich will einfach sagen: Die Italiener lieben ihr Land. Und es gibt nichts daneben. Höchstens Roger Federer – haben wir uns verstanden?

Franco also: «Kann ich dann mit Roger spielen?»

Seht ihr – da fängt die Rompipalle in persona schon an. Die sogenannte Selbstüberschätzung. Denn erstens hat die Bald-Nummer-eins dieser Welt sicher Gescheiteres zu tun, als mit Herrn Franco herumzubällelen … UND ZWEITENS – DAS SAGE ICH LAUT – WELCHE NUMMER IST SCHON FRANCO? Er plustert sich auf: «Ich habe 1978 die römischen Vereinsmeisterschaften gewonnen!»

Hat er natürlich nicht. Und selbst wenn. Roger Federer hat bestimmt andere Sorgen, als einem römischen Türöffner in Basel einen Match zu liefern. Das ist doch, als würde ich den verheirateten George Clooney um die Scheidung bitten …

Irgendwo muss man das Gefühl für Relation haben. ABER NICHT, WENN MAN EINE ROMPIPALLE IST!

Ich bereitete Franco einen schönen Empfang. Innocent umarmte ihn herzlich und blieb mit dem Hörapparat in der Kunststoff-Nike-Jacke (chinesische Imi!) stecken. Der Hörapparat knallt auf den Steinboden. Und explodiert dort wie eine kleine Terroristenbombe. Der Schaden geht in die Höhe eines Kleinwagens.

Was aber sagt Franco zur frohen Umarmung? «MACH MIR KEINEN FADEN – DIE JACKE IST NEU. EXTRA FÜRS FEDERER-SPIEL GEKAUFT!»

Ist «Nervensäge» da nicht etwas gar schwach gewählt? Innocent jedenfalls hat noch ganz andere Worte benutzt!

Als wir über den heimeligen Petersplatz mit seinen stimmungsvollen Ständlein spazierten, war alles nur «Merda».

EIN ROMPIPALLE-MANN HAT KEIN GEFÜHL FÜR ROMANTIK UND SCHÖNHEIT.

Natürlich sei unsere Messe nie mit einer römischen Fiera zu vergleichen: Die Holzfigürchen seien Scheisse (weil kein italienischer Pinocchio unter ihnen war … das Raclette sei falsch (weil nicht mit Parmesan) … und die Luftballons seien ketzerisch, weil nur Jesus – UND DIES NICHT IM HERBST, SONDERN AN OSTERN ! – zum Himmel fliegen würde.

Den dritten Franco-Tag haben wir nur noch mit Gemütsaufhellern und drei Päckchen Valium überstanden. Aber immerhin – abends hat er dann gesagt, er habe von diesem Schweizer Frass die Nase voll. Und wolle uns jetzt mal zeigen, was eine echte Spaghettata sei. Er hats uns auch gezeigt. Wir renovieren die Küche immer noch.

Wir brachten Franco an jenem wundervollen Sonntag, als Roger sein kürzestes Finale in der Weltgeschichte übers Netz donnerte, zur Sporthalle. «Du steigst nach dem Spiel dann einfach in die 14. Und wechselst beim Barfüsserplatz in die 3 bis zum Spalentor», paukten wir ihm den Tramfahrplan in seinen Betonkopf.

Als er um zwei Uhr morgens noch immer nicht daheim war, alarmierten wir die Polizei. Die fand ihn auf dem dritten Feld der St. Jakobshalle.

Der gute Roger war total durchgeschwitzt. Und Franco brüllte den Polizisten zu: «Ihr Armleuchter … müsst ihr ausgerechnet jetzt kommen, wo ich Aufschlag habe?!»

Am andern Tag setzten wir Franco dann wieder ins Flugzeug nach Rom. Er erklärte dem Piloten sofort, wo es langgeht.

Über Basel kehrte diese wunderbare Ruhe ein, welche die Stadt so einzigartig macht. Und die nur hin und wieder von einer Rompipalle unterbrochen wird.

Aber wie schon gesagt: Rompipalle sagt man nicht!

Hier ist ein Quotes für ein Interview oder bei einem Leitartikel, der vier Zeilen lang ist.

Dienstag, 11. November 2014