Männer mit Ausrufezeichen

Ernst schnappte sich das Einfahrtsticket.

Dann rollte er langsam in das dunkle Parkhaus.

WESHALB SAHEN PARKHÄUSER IMMER SO TROSTLOS AUS? Wie Leichenhallen voller Blech.

Warum konnte man so etwas nicht mit heissen Pin-up-Girls aufmotzen? Er wollte diesbezüglich mal einen Leserbrief schreiben.

Ernst schrieb gerne Leserbriefe.

Meistens mit Ausrufezeichen. «WER NICHT REKLAMIERT, BLEIBT STEHEN!» – erklärte er Elsie beim Mittagessen.

Elsie hatte ihm nämlich ebenfalls ein Ausrufezeichen vorgesetzt. Und die (etwas zu stark gebratenen) Eier vor seinen Ranzen geknallt: «Was musst du dich eigentlich überall einmischen! (Ausrufezeichen) … in der Metzgerei haben alle süffisant gelächelt!! (zwei Ausrufezeichen) … jeder hat dein Geschreibsel gegen die antiautoritäre Kinderkrippe gelesen. JA SPINNST DU EIGENTLICH!!! (drei Ausrufezeichen).»

«Ich unterstütze mit meinen Steuergeldern nicht zukünftige Kriminelle … UND ICH DULDE KEINE WIDERREDEN AM MITTAGESSEN … DIESE EIER SCHLAGEN MIR EH SCHON AUF DEN MAGEN. SIE SIND ZU STARK GEBRATEN – MIT VIEL ZU VIEL BUTTER!» Es tobte Ausrufezeichen.

Dann in kläglichem Vorwurfston: «Willst du meinen Tod?» Elsie knurrte etwas wie: «… ach Gottchen, du bist ja auch schon 79!»

Das war nicht nett. Aber von Herzen.

Entsprechend war Ernst leicht gereizt, als ein kleiner Fiat 500 die 10km/h im Parkhaus missachtete. Und an ihm vorbeibretterte.«Ja hallo!», brüllte er. Und konnte in letzter Sekunde abbremsen. Das Auto bog vor ihm abrupt in den einzigen leeren Parkplatz. JETZT WAR ERNST ABER AUF HUNDERT! «Gehts noch?», tobte er los. Hielt seinen Schlitten an. Und stürmte zum Fiat.

Eine junge Frau stieg aus. Setzte ein Fläschlein mit Wasser (ohne) an. Und schaute cool auf die erhitzte Birne ihres Visavis: «Was wollen Sie eigentlich – können Sie nicht lesen? DAS IST KEIN PARKPLATZ FÜR SIE, GUTER MANN.»

Die Wasserschluckerin zeigte höhnisch auf die Wand: PARKPLATZ NUR FÜR FRAUEN …

Ernst schwieg verdattert.

«Oder habe ich mich in ihrem Chromosomen-Kompott getäuscht?», setzte die Zicke noch hämisch einen drauf. Und machte sich davon.

ERNST KOCHTE.

Wo blieb da die Emanzipation? Weshalb wurden Frauen immer bevorzugt? Er war bald 80. Trug krankenkassenbewilligte Stützstrümpfe. Musste mit einer Apnoe-Maske pennen. Und warf täglich drei Pillen ein (Blutdruck, Cholesterin, Leber) – UND DIESES WEIB BEKAM EINEN PARKPLATZ, NUR WEIL SIE WEIB WAR.

Ernst weinte innerlich.

Wo war die Zeit geblieben, als Männer noch gleichberechtigt waren? Und einer jungen Dame auch mal einen heissen Blick zuschicken konnten, ohne danach gleich wegen sexueller Belästigung beim Betriebsrat antanzen zu müssen. DIE FRAUEN HATTEN DIE WELT VERÄNDERT. UND DIE MÄNNER WAREN STEHEN GEBLIEBEN. ES WAREN DIE FRAUEN, WELCHE PARKHÄUSER DÜSTER GESTALTETEN. UND DIE BESTEN PLÄTZE FÜR SICH GEPACHTET HATTEN. ES WAR DAS JAHRHUNDERT DER WEIBER – EIN JAHRHUNDERT MIT ZU STARK GEBRATENEN SPIEGELEIERN!

Ernst wurde nun ganz ernst. In Gedanken verfasste er einen Leserbrief über die Ungerechtigkeiten in Parkhäusern, wo das weibliche Geschlecht wie immer bevorzugt wurde und …

Da sah er an einer andern Wand: PARKPLÄTZE FÜR BETAGTE UND BEHINDERTE PERSONEN.

Er zögerte. Es gab dort drei freie Plätze. Dann knurrte er. «Das dann doch nicht!» Er war ja erst 79. Und ausser seinen künstlichen Hüften noch ganz intakt. Also gab er Gas. Und bretterte frustriert davon. Nicht lange. Denn da war leider eine Wand, die so düster war, dass Ernst sie übersah. «MÄNNER GEHÖREN NICHT ANS STEUER!!!!», fauchte Elsie daheim. Mit vier (4!)Ausrufezeichen.

Montag, 8. September 2014