Sport ist Mord

«Herr Heierli, bitte!»

Die Praxishilfe lächelte Fritz aufmunternd zu. Sie streckte ihm ein Plastikbecherchen entgegen: «Sie kennen das – der erste Sprutz ins Klobecken. Dann der Rest ins Becherchen. Bringen Sie mir den Urin ins Labor – und waschen Sie sich danach die Hände. Der Herr Doktor erwartet Sie…»

«DUMME KUH!», dachte Fritz.

Wie stets vor dem jährlichen Kopf-bis-Fuss-Check war er etwas aufgewühlt. Und dieses Mal hatte die Arzthelferin erst beim dritten Mal Stechen die Vene gefunden. HALLO – WAR ER DENN EIN NADELKISSEN?!

«Ja der Herr Heierli – wie gehts uns denn?», rief Doktor Fröhlicher und strahlte Fritz aus seinem Sessel entgegen. Doktor Fröhlicher war eine Frohnatur. Wahrscheinlich verkündete er seinen Patienten auch das Todesurteil mit einem schelmischen Augenzwinkern.

«Danke», sagte Fritz steif, «wie es m i r geht, werden Sie mir bestimmt gleich sagen…»

«Haha, der alte Scherzkeks! Jawohl, das liebe ich an Menschen wie Ihnen – immer einen Spruch auf den Lippen. Das regt die Verdauung an…»

Die Praxishilfe (die mit dem dreifachen Stich) legte dem Arzt ein weisses Blatt hin. Fritz wusste, was nun kam. Jedes Jahr dieselbe Leier: «Die Blutfettwerte sind schlecht – der Cholesterinspiegel ist zu hoch…»

«SIE SOLLTEN SPORT TREIBEN!» – Doktor Fröhlicher schaute Fritz fast vorwurfsvoll an. «So hoch war das Cholesterin noch nie. Eier weglassen. Speck weglassen. Dafür Sport. Viel Sport, Herr Heierli!»

Sein Vater war Sportler. Und hatte dennoch einen Cholesterinspiegel in der Höhe des Matterhorns. WESHALB MUSSTE ER SICH EIGENTLICH IMMER DIESEN MIST ANHÖREN! JAHR FÜR JAHR. Einmal war Herr Fröhlicher gar so weit gegangen und hatte gewarnt: «Ich kann keine Garantie übernehmen, wenn Sie nicht ein bisschen Sport treiben…»

SEIT JENER WARNUNG GING FRITZ GARANTIELOS DURCHS LEBEN!

«Joggen Sie ein bisschen…», fuhr Fröhlicher nun fort. «Glauben Sie mir – nach dem vierten Mal macht es Spass. Und nach dem zehnten Mal sind Sie süchtig. Dann können wir uns auch wieder ein Ei leisten!»

FRÖHLICHER SAH NICHT NACH EIERN AUS. EHER NACH HANDGESCHROTETEM. UND MAGERMÜESLI.

«Und?», fragte Hildi daheim.

«Kerngesund», sagte Fritz.

Jetzt baute sich seine Frau zu einem Felsen vor ihm auf: «MITNICHTEN KERNGESUND! ES GIBT KEINE EIER MEHR. DOKTOR FRÖHLICHER HAT MICH INFORMIERT. DORT IST DEIN JOGGINGANZUG!»

Er hätte heulen können.

Und als er von Kopf bis Fuss fit ausgerüstet auf der Strasse stand, fühlte er sich so elend wie damals als pummeliger Bub vor dem Sporttag.

Frau Huber vom Parterre stierte ihn an: «Aha – sind Sie jetzt auch einer von denen…»

«Das Cholesterin», verteidigte er sich.

«Sport ist Mord!», knurrte Frau Huber. Und knallte die Türe zu.

Er zog los.

«Am Anfang nicht übertreiben!», hatte Fröhlicher ihm als guten Ratschlag mitgegeben.

«In der ersten Phase joggst du nur einmal kurz um den Block…», hatte Hildi befohlen. Sie hatte das Coaching zur Aktion «Kampf dem Cholesterin» übernommen.

Also legte er gemächlich los.

Leider war da nach 100 Metern eine Baustelle auf dem Trottoir. Sie verlegten Glasfaserkabel.

Fritz joggte schweratmend auf die Strasse – und der Laster konnte leider nicht mehr bremsen.

«Mein guter Fritz» heulte Hildi am Sarg.

«Sport ist Mord», sagte Frau Huber vor dem Grabesloch.

Es gab Eierbrötchen am Leichenmahl. Die hätten Fritz gefallen.

Montag, 25. August 2014