Von einer Bieridee und schäumenden Zeiten

Illustration Rebekka Heeb

O.k. Klare Schnapsidee: BIER UND ICH!

Aber die Brauerei prügelte mich als Gastredner vor ihre bierschäumende Festgemeinde. Der Präsident, einer der lustigen Zürcher, klopfte mir jovial auf den Bauch: «Also das Fass ist ja schon mal da…»

So hatte ich einige nette Biererinnerungen anzuzapfen. Aber erst können vor Zapfen!

ES GIBT NÄMLICH KEINE NETTEN BIER-ERINNERUNGEN IN MEINEM SCHÄUMENDEN LEBEN! Allerhöchstens, dass ich den Schaum von der Stange immer das Geilste fand.

Wer mit rosa Söckchen geboren wurde, gehört ins Fach des «Eiercognacs». Cremig. Süffig. Und immer eine Spur zu süss.

Mein Vater allerdings war der klare «Rugeli-Schaum-unten!»-Typ.

Ich weiss nicht, ob heute überhaupt noch Rugeli serviert werden. Zur Zeit meines Erzeugers sahen diese Biergläser auf den Tabletts aus wie vollgepisste Igel mit Einschüssen.

Über den Witz «Schaum unten» lächelten die Serviertöchter genauso gequält wie ein Weihbischof, der sich die 1349. Beichte über gebrochene Unkeuschheit anhören muss. Ich meine: Irgendwann hat mans gehört. Und vergibt nicht mehr.

Die Seite meines Vaters war klar auf der bier­saufenden Linie.

DIE SEITE MEINER MUTTER NICHT!

Dort gabs Asti Spumante zum Abwinken. Grossmutter Meyer – die mit dem Ypsilon im Eier-Tick – hielt sich wegen der besonderen Schreibweise für etwas Besonderes. Bier hielt sie nicht dafür. Vielleicht wenn es sich mit Y-psilon, also Byir geschrieben hätte.

Das Besondere an unserer Horror-Oma war also der Asti Spumante. Den weniger süssen Prosecco tat sie als «sauer» ab. Sie blieb am zuckrigen Asti kleben. Und als sie selig in eine bessere Welt ohne Schwiegersöhne abging, war ihr Keller voll bestückt mit Asti-Flaschen, deren Inhalt genauso wenig Pfiff hatte wie ein Fernsehprogramm mit Hobbyköchen.

Das Schäumende hatte sich mit den Jahren, wie bei allen Flaschen, die ins Alter kommen, verflüchtigt. Die zwei Fläschlein Lager spezial, die Grossmutter im Keller für ihre «Bierteiglein» aufbewahrte , die beiden Bock-Bier also – das muss hier nun doch zugunsten des Hopfens erwähnt werden – sprudelten auch 22-jährig noch wie mein Vater in seinen besten Jahren.

Damit wären wir wieder bei ihm.

Dem Sechsertram.

Und der Biergeschichte.

Immer wenn «sexy Hansi» (wie die Passagierinnen den Piloten der 6er-Strecke Allschwil–Riehen launig riefen), immer wenn also Hammels Hans bei Loppachers im «Hopfenkranz» die Beizenszene betrat: «E Ruugeli häll – Schuum unde» (zu Deutsch: Raugel hell, das Weisse nach unten) und wenn Rösli die schaumbläselnde Köstlichkeit mit einem eleganten Schwung vor ihn hin schmetterte – also da griff das Mannsbild gleich zweimal zu: Mit der rechten Hand stemmte Vater das Rugeli. Mit der linken kniff er die arme Rosa in deren Weichteile.

JA ABER AUCH!

Nun war es jedoch bei Weitem nicht so, dass die Frauen damals hysterisch aufgeschrien, dem Vater eine runtergeknallt und «du sexuell belästigendes Hirni» getobt hätten – sie kicherten lediglich fröhlich, schnurrten: «Also Hans … wirklich!» Nur meine liebe Mutter schüttelte schuldbewusst den Kopf. Sie schaute Rösli mit demselben Trauerblick an wie ein Hund, der sich über das Männchen ärgert, weil es ihn vom Baumstamm wegzieht: «Tut mir leid, Rosa – aber du kennst ihn ja. Es ist stärker als er…»

ICH MEINE – DAS WAR NOCH FRAUEN­SOLIDARITÄT!

Das Schäumende am Bier war perlende Männlichkeit. Verbindende Brüderlichkeit. Überschäumendes nationales Zusammengehörigkeitsgefühl – Heiterefahne!

UND WENN DA EIN KLEINER BUB, DEM EINE HOSENTRÄGERNDE MÄNNERRUNDE SEIN ERSTES BIERLEIN OFFERIERTE, ETWAS KOKETT MIT DEN WIMPERN KLIMPERT: «KÖNNTE ICH DIE STANGE AUCH MIT GRENADINE HABEN?!» – ALSO DA RESULTIERT KEINE SCHÄUMENDE FREUDE FÜR EINEN DANEBEN STEHENDEN VATER (das ist ein Satz, den man wie das erste Bierlein an einem Hitzetag in einem einzigen Zug runterschütten muss – danke fürs Gespräch!)

ICH HASSTE DEN GERSTENSAFT.

Sie haben mir den Kopf damit gewaschen und versprochen: «Bier macht die Haare stark!» Im Konfirmationsunterricht stiess mich mein Sitznachbar Eugen an: «Du stinkst wie eine Bierhalle!»

Eugen stärkte sein Haar mit Eidotter. Ich aber spülte mit «Lager dunkel». So hatte jeder zu einer Zeit, als es noch keine Fernsehwerbung gab, sein eigenes, haariges Potenzmittel.

Eugens Ei war allerdings kein Hit. Heute würde der Gute einen wunderbaren «Meister Propper» abgeben. IHR WISST SCHON: SCHIEBEDACH UND AUCH DORT NICHTS DRUNTER.

Ich bin heute meinen Alten echt dankbar für den damaligen Spültipp und das wunderbare Lockenhaar, das mich auch im hohen Alter dank «Lager dunkel» umwallt. Aber damals habe ich unter seiner Klebrigkeit sowie dem penetranten Duft gelitten. Ich hätte ­lieber so frisch eidotterig geduftet wie Eugen.

Tatsächlich hat meine erste sexuelle Beziehung mir viele Jahrzehnte später in Erinnerung an jene unvergessliche Nacht am Rande der Gempenfluh gestanden: «Es war, als würde man ein ausgelaufenes Fass Bier umarmen.»

UND DAMIT WÄREN WIR WIEDER AM ANFANG DIESES BERICHTS!

Ich musste über Bier reden. In einer Bierrunde.

Es kam an wie lauwarmer Kamillentee. Als ich erklärte: «Sorry – aber Bier kanns mir nicht!», jaulten die Männer (und die Frauenquote war an jenem Tag nicht erbracht), als hätte ich ihnen die Eier zerquetscht.

Man darf einem Mann alles durchmachen – ABER NICHT SEINE STANGE. DAS BIER GEHÖRT ZUM MANNE WIE «PAPILEIN» ZU SISSI.

Das ist ein etwas gewagter Vergleich – aber ihr wisst schon, was ich meine …

Dienstag, 17. Juni 2014