«Ich will die Wurst sehen!» Meine römischen Freunde schauten, als ob ich mit Erdbeeren nach ihnen werfen würde. «Che Wurst?»
Ist ja klar. Die Italiener kennen nur die Emma. Aber die hats mit ihrem Cäsar-Lorbeerwickel nun wirklich nicht gebracht.
«La Wurst ist eine Kunstfigur. Und Frau Wurst heisst Herr Neuwirth…»
Wieder dieser Lämmerblick, als müssten sie morgen alle zur Schlachtbank: «Du willst doch nicht, dass wir diese Riesenscheisse (la grande merda) anschauen müssen … unsern freien Abend opfern… Und alles nur, weil du die Wurst sehen willst…»
Sie haben es nicht begriffen. Es ging um mehr als die Wurst. Es ging um Toleranz. Und ich war einfach mal gespannt, wie die Welt auf Conchita reagieren würde: eine Bartfrau mit Gummibusen und einem Kleid, wie es auch Marlene Dietrich getragen hätte… (Bei den Schuhen war ich mir nicht so sicher.)
Meine Vettern zu Hause bauten schon vorher die Krise: «EINE Diva im Haus genügt. Wir wollen das nicht auch noch auf dem Bildschirm serviert bekommen!» Sie zogen sich am Song-Contest-Abend einen Pornostreifen rein. Und argumentierten: «Da weiss man wenigstens, was Mann hat…»
Kleingeister! Ich schrie durch den Hörer ins entfernte Basel: «DAS WEISS MANN BEI WURST AUCH – IHR PFEIFEN!»
Dann liess ich sie bei «die Post geht ab» – Dolly Buster gab bestimmt ihr Bestes. Und wir wissen alle, dass ihr Bestes Lippen wie geplatzte Airbags und acht Liter Silikon unter dem Hals sind…
Zurück nach Rom, wo ich meine Italiener auf Conchita heiss machen wollte. Umsonst. Die Italiener tun sich mit dem Song Contest eh schwer. Sie finden, dass jeder, der nicht mit italienischen Genen geboren wird, als stimmlicher Eunuch auf die Welt kommt. Und jedes «canzone», das nicht in der «O sole mio»-Romantik intoniert und in Bella-bionda-mia-Sprache hingeträllert wird, wird mit grosser Verachtung und spöttischem «ebe!» unter den Tisch gefegt.
SO AUCH DIE WURST. Oder «la Signora Salami» – wie sie vor der Stimmabgabe spöttelten. Sie sahen noch immer ihre Emma auf dem Thron.
«Bei uns ist Emmi ein Joghurt», gebe ich ihnen Saures. Und sicher schneidet Emmi besser ab, als die italienische Emma-Primadonna. Emma löffelte sich gesangseuropäisch jedenfalls eher unter «light». Massimo, unser römischer Freund, der auf den Autobuslinien nach Schwarzfahrern («es sind immer die Nonnen!») Jagd macht, zuckte die Schultern: «NICHTS ZU MACHEN. WENN ER DIESEN ZUCKERWATTENKLEISTER SEHEN WILL, SIND SEINE GANGLIEN FÜR JEDE FROHE ALTERNATIVE ZUBETONIERT. ALSO LASST UNS EINEN KREATIVEN ABEND DARAUS MACHEN.»
Massimo trommelte alle seine Busfahrerkollegen samt Frauen und Kindern zusammen: «Die dicke Schweizertucke wird uns mit einer Schoggimousse überraschen, bei der euch hören und sehen vergeht. Ich besorge Pizza für alle – UND IHR BRINGT DAS BIER!»
Man muss sich das vorstellen: BIER UND SCHOGGIMOUSSE! Wen wunderts, dass die gute Conchita Wurst alias Signora Salume den Italienern exotisch wie unser Chinese an der Ecke vorkommen muss…
Ich schmolz also 40 Schokotafeln (zartbitter) in etwas Espresso (die schwarze Kapsel von IHM – what else?), schlug den festen Eischaum frei herumhühnernder Hennen sowie viel, viel Schlagrahm von ungeschlagenen glücklichen Kühen darunter. Und liess die Riesenschüssel im Eiskasten ruhen.
Die zartbittere Ruhepause benutzte ich, um in der nahe gelegenen Jesuiten-Kirche für unsern Schweizer Finalpfeifer sowie für die österreichische Wurst zu beten. Und bitten.
Dann sprach ich noch ein paar Takte mit dem Teufel, der auch in dieser Kirche daheim ist. Und er möge doch die Polinnen mit ihrem Trachten- Porno-Auftritt in die Hölle holen… Ich meine, da
wir ja alle bis zum Anschlag wissen, wie tolerant der polnische Staat auf das Sexualleben seiner Untertanen reinhaut, wunderts einen doch sehr, dass sie öffentlich diese Warsauer Wäscherinnen den Knebel reiben lassen …
Aber hallo – bei den eindeutig zweideutig vibrierenden Polinnen habe ich hurtig meine Vettern von Dolly Busters Vorbau weggelockt und da hättet ihr die Knilche aber hören sollen: «WOWWW… WENN DAS WOJTYLAS ERBINNEN SIND. WIR BUCHEN SOFORT POLEN STATT MALLORCA…»
Zurück zur Mousse, die ich per Taxi zum wartenden Buschauffeuren-Treff bei Massimo zu Hause bringen wollte. ABER EBEN. WOLLTE. Denn leider hatte unser wirklich heissgeliebter Papst Francesco ausgerechnet auf diesen musikalisch heiligen Tag hin ein Meeting mit 350 000 italienischen Kindern organisiert. Dazu kamen 700 000 Eltern (die wenigsten sind Allenerziehende gewesen). Dann 1,4 Millionen Grosseltern. Und die Tanten lassen wir jetzt mal. Jedenfalls war der Verkehr einmal mehr lahmgelegt. Und das Sprechband der Taxi-Firmen am Spulen: «Leider sind zurzeit keine Taxis verfügbar…»
ÜBER DEN ÖFFENTLICHEN VERKEHR BRAUCHE ICH EUCH JA NICHT ZU KLAGEN! Der sass bei Massimo daheim und wartete auf meine Schokoladenschüssel. Da hätte ich also auch die Seilbahn auf den Mond nehmen können.
Ich habe es mir also auf meiner Coach bequem gemacht. Und den Eurovisions-Abend ganz alleine reingezogen. Ach Gottchen – so alleine war ich ja auch wieder nicht. Eine Riesenschüssel mit Schokoladenmousse leistete mir nette Gesellschaft. Und die Wurst aus Österreich.
Am andern Tag habe ich mich in der Jesuitenkirche bei den Verantwortlichen für den positiven Fernsehabend und meinen neu erwachten Glauben an die Toleranz der Menschen bedankt.
Und ein Punkt ging auch an den Teufel, weil er die versauten polnischen Waschfrauen noch hinter dem Schweizer Pfeifer gelassen hat.