Von Pilgern in Rom und dem Rabenaas

«Amore!»

Wenn dich in Italien jemand mit «Amore» flauschig kriegen will, heisst es «AUFGEPASST!»

«Amore» – das rufen die ­kalabresischen Mütter, wenn sie die Kleinen von der dröhnenden Fernsehkiste weg ins Bett beten wollen.

«Amore» – so flötet die alte Strassenhure bei der Via Appia Antica und lässt die Brüste brausen.

«Amore», grinst auch der lässig uniformierte ­Verkehrs-Poliziotto, der dir eben ein Knöllchen unter den Scheibenwischer schiebt.

ALSO AUFGEPASST – ES STECKEN IMMER EINE ABSICHT ODER MINDESTENS 50 EURO HINTER «AMORE»…

«Amore mio», haucht die Stimme durch mein Handyo(h)rgan «Sono io – la tua cara Lucia!»

DIESE KOTZRÜBE!

Lucia ist die Verlobte meines sizilianischen Freundes Umberto – EINE EIFERSÜCHTIGE ­ZOMBIZICKE DER GIFTKLASSE 11. Wer einmal ihren kratzenden Damenbart fühlen musste, weiss, ­weshalb der künftige Bräutigam mit dem Jawort zögert.

Keine Sekunde lässt dieses Miststück Umberto aus den Augen. Immer drängt sie sich bei unsern «Männerausflügen» dazwischen. Und stets macht diese Abklatsch-Twiggy hämisch das Mollige an mir mies: «Schaut, schaut – das Kolosseum ist nach Catania gekommen!» UND WAS TUT UMBERTO? – Er lächelt ­kläglich und widerspricht nicht. EIN SIZILIANISCHER JAMMERLAPPEN!

Nun schleimt sich diese Dreckschleuder also durch mein neues iPhone, dessen Knöpfe ich rein technisch noch immer nicht richtig draufhabe. Statt die AUS-Taste drücke ich LAUTSPRECHER. Und schon jault es über die ganze Piazza Venezia: «Wir sind am Kofferpacken, Amore … und freuen uns riesig auf die Ewige Stadt!»

«Das ist eine einseitige Freude», gebe ich giftig zurück. Und dann: «Wo wohnt ihr überhaupt? Wir haben hier ein paar Millionen Pilger samt ­vatikanischer Entourage im Anmarsch. Dafür gibts knapp 1000 Toiletten. Das macht gerade mal ein chemisch betriebenes Aborthäuschen auf 5000 Ärsche. Wenn ihr mich fragt, ist das eine Riesenscheisse!»

«Amore», lacht nun Lucia perlend wie die ­Callas zwei Oktaven rauf und runter. «Amore … wir denken nicht daran, eines dieser Kabinenklos zu benutzen. Wir setzen auf dich?»

AUF M I C H! Ich denke gar nicht daran, diesen Halleluja-Zauber mitzufeiern. Mir reichen schon die Normal-Touristen vor der Türe. Aber wenn jetzt auch noch halb Polen in diesen ­vergammelten Trainingsanzügen anreist – NEIN DANKE! Nicht mit mir. Ich hatte sie eine ganze Papst-Bestattungsfeierzeit in unserer Gasse: in der linken Hand den Rosenkranz, rechts eine Flasche Wasser, und zwar hochprozentiges und kein geweihtes.

DAS MUSS ICH NICHT MEHR HABEN! Nach der Beerdigung des nunmehr Heiligen habe ich in unserer Strasse Colabüchsen und Plastikflaschen zusammengetragen, bin auf durchgekautem Tabak ausgerutscht und habe die Resten ­polnischer Leberwurstschnitten (die übrigens ­hervorragend schmecken) entsorgt. NUN SOLL ICH DIESEM SIZILIANISCHEN SAUERFURZ MEINE TOILETTENSCHÜSSEL AUF ­HOCHGLANZ POLIEREN?! Der Himmel schickt viele Strafen – DAS DANN ABER DOCH NICHT!

Das neue Handy gibt nun Zischtöne und ­gellende Nirwana-Schreie von sich, bis ich endlich begreife, dass sich Umberto und die Unaussprechliche lautstark in den Haaren liegen.

UND SO HAT MIR DER LIEBE GOTT VOR DER HEILIGSPRECHUNG SEINES BODENPERSONALS DOCH NOCH EINEN PARADIESISCHEN MOMENT DER FREUDE GESCHENKT.

Endlich bricht sich Umbertos kräftige, sehr virile Stimme durch. Und brüllt per mikrofongeschaltetes Handy (wie stellt man diesen Scheiss wieder um?) auf die Piazza Venezia.

Da ist heute übrigens eh der Teufel los. Die ­Italiener feiern nämlich den Tag der Liberazione. Und wenn einer da nur ein ganz, ganz klein wenig kritisch nachdenkt, muss er sich doch fragen, wovon sich denn die Stiefelaner befreit haben?

Etwa von Silvio?

Der darf jetzt in einem Alten-Kloster dementen ­Patienten zwei Stunden am Tag spätrömische Lyrik deklamieren. Das arme Luder dreht selber fast durch, weil ihn die Kranken nicht mehr erkennen. Sie verwechseln Berlusconi gerne mit Valérie TacTac, dem legendären Transvestiten aus den 50er-Jahren, und manchmal auch mit Mutter ­Teresa. Dieses Gefangensein in einer schrecklichen Anonymität ist für den Bunga-Bunga-Führer mit dem Pflanzhaar schlimmer als zwei elektronische Fussfesseln.

«AMORE!» – das war nun also Umberto. «Jetzt mach nicht gleich auf Hanswurst. Wir ­fliegen morgen aus Catania ein. Pilgerreise. Die Hotels rund um Rom haben keine einzige Badewanne mehr frei. Geschweige denn ein Hotelbett. Also zieh schon mal die Matratzen an!»

«Ich wollte eigentlich zu Innocent auf die Insel zurück und…» – das war ein kläglicher Versuch, etwas abzuwenden, das so sicher wie eine ­losgelöste Frühjahrslawine auf mich zurollte. «Du brauchst nichts einzukaufen!», meldete sich nun wieder das Rabenaas von Catania, «wir haben zwei Schüsseln von Nonna Adeles Pasta Norma im Handgepäck…»

DAS WAR DER ERSTE ­VERNÜNFTIGE SATZ DIESER FRAU.

Denn obwohl Nonna Adele so taub ist wie eine ausgetretene Schuhsole und ihre Stütz­strümpfe das alte Luder kaum mehr auf den Beinen halten: PASTA KANN SIE.

«Benvenuti!», grunze ich ins Handy. Die Lust auf ­Adeles Pasta war stärker als jede Vernunft.

Als ich die beiden dann beim Flughafen abholte, zuckten die jedoch genervt die Schultern: «Sie haben uns die Teigwaren beim Sicherheitscheck in Catania abgenommen! Der Sugo sei ­feuriger als drei Handgranaten…»

Dann kratzte mir Lucia mit ihrem Damenbart an meinen rosigen Backen herum: «Für deine Fettgürtel ist es eh besser, wenn fromme Fastentage angesagt sind…»

Wie gesagt: ein Wonnetörtchen!

Dienstag, 20. Mai 2014