Die Stirn von Hans glänzte. SCHWEISSAUSBRUCH.
Nun ja – eigentlich «SCHEISSAUSBRUCH!»
Schuld war wieder mal diese verdammte Crème. Seine Schwiegermutter hatte sie in einer Kristallschüssel angerichtet. Süsser Rahmberg auf dem hellen Braun. Über dem Rahmberg tränten ein paar Tropfen karamellisierter Zucker.
«Brennti Crème» – so nannte man die Spezialität in dieser Stadt, durch die Hans das Tram führte.
«Crème brulée» – nannte es die Schwiegeramsel.
Sie fand «l’expression française» eleganter. Und trug die Nase stets höher als ihre Hutschleier.
Immerhin – ihre Sonntagscrème machte viel Gift wett. Sie führte jedoch stets zu einem explosionsartigen Ende.
Damals, als Hans seinem Lottchen den dünnen Verlobungsring an den Finger steckte und Tanten, Onkel und Vettern zur Brautgastierung antrabten («die reinste Viehschau» – kommentierte Hans später am Trämler-Hock im «Hopfenkranz») – damals explodierte er zum ersten Mal.
Nach Milkenpastetchen und Rahmschnitzeln mit Nudeln hatte die künftige Schwiegermutter eine funkelnde Kristallschüssel auf den Tisch gestellt: «Böhmisches Glas!», sagte sie steif.
«Ohhh – brennti Crème», strahlte Hans.
«Crème brulée» – korrigierte die Dame des Hauses eisig den Schwiegersohn in spe. Und beide ahnten, dass sie noch viel Freude aneinander haben würden.
An der Crème gab es nichts zu meckern. Nur dass Hans eine halbe Stunde später zu schwitzen begann. In seinem Magen rumorte es. Die Därme gurgelten und gaben wilde Laute von sich.
Hans schickte einen klagenden Blick zu Lottchen. Dann verdrückte er sich – gerade noch rechtzeitig. Denn nun fand das statt, was Lottchen später «das Bauchgewitter meines Hans» nennen sollte.
Den Rest der Brautgastierung verbrachte Hans auf dem Gästeklo. «Ich vertrage keine brennti Crème entschuldigte sich Hans hinterher beim Hausdrachen.
«Crème brulée» – verbesserte dieser kalt. Es war der Beginn eines über 30-jährigen Krieges …
Jeden zweiten Sonntag kam die Schwiegermutter zu Besuch. Immer brachte sie «Crème brulée» mit.
«In meinem Haus heisst das brennti Crème» knurrte Hans. «Überdies vertrage ich keinen gebrannten Zucker …»
Die Schwiegermutter lächelte nur. Denn sie wusste: Bei Crème brulée wurde dieser Tram- Hallodri schwach wie bei knappen Röcken und Busenkörbchen XXL.
Hans kapitulierte. Und weil er an diesem Tag gerade Sonntagsdienst hatte (was ihm beim Besuch der Intimfeindin wahrlich sehr gelegen kam), verabschiedete er sich gleich nach der dritten Portion.
Es reichte gerade noch für sieben Haltestellen. Bei der achten zog ein schweres Gewitter auf – bei der zwölften gurgelten die Därme.
WOHER HILFE NEHMEN? WOHIN ENTEILEN?
«Ernst!» (das war sein Billeteur – solche guten Seelen gabs damals noch, bevor sie von unfunktionellen Computerkästen ausrangiert wurden –), «EEEERNST!» – das war ein jammernder Hilferuf durchs Mikrofon.
Da stand das Tram auch schon auf der verkehrsreichsten Schiene still.
Billeteur Ernst sah, wie sein Führer die dunkle Trämlerhose aufknöpfte. Und in den nahen «Braunen Mutz» jagte.
Als er zurückkam, standen 14 Tramzüge Schlange. Und alles wegen der «brennte Crème», die eigentlich eine «Crème brulée» war.
Am folgenden Tag brachte das Stadtblatt eine Kurznotiz: «Für 15 Minuten wurde gestern der Tramverkehr wegen Stromausfalls lahmgelegt.»
Schon damals war auf die präzise Berichterstattung der Medien kein grosser Verlass.
Es war nämlich kein Stromausfall – es war das Bauchgewitter.
DESHALB – NACH 55 JAHREN – HIER DIE JOURNALISTISCHE BERICHTIGUNG!