Von Teeblättern in Munnar und falschen Elefanten

Eigentlich hätte mir Kochi noch lange gefallen. SO NETTE MENSCHEN. SO NETTE LÄDEN. SO NETTE ELEFANTEN.

Zuerst wollten sie mir die Bronzetiere als «absolut echt antik» aufschwatzen. Mit Gütegarantie. Die war natürlich genauso falsch wie die 3000 Jahre des Rüssels.

Da habe ich ihnen einiges gehustet. Und gelogen, ich sei Archäologe und würde bei jedem Tier sofort am Bauch erkennen, ob es Christus überlebt hat oder nicht.

So gestanden die Händler mir weinerlich, dass die goldglänzenden Dickhäuter von kleinen Kinderhänden in der Jugendkrippe geschaffen würden. Nur so könne die Krippe überleben. Und die Kinder mit ihnen.

ABER HALLO – DA HABEN DIESE SCHRÄG­SCHEISSER EINFACH AUF MITLEID UND ­MENSCHENRECHTSUNKENNTNIS GEMACHT!

Gottlob wusste ich noch von meiner Tante ­Hermine, dass alles, was einem indisch ­vorkommt, aus China stammt. Also habe ich den geschäftshubrigen Verkäufer an der Nase genommen, bis er grinsend so ein Töpfchen mit heissem Tee brachte. Und reumütig nickte: «Nicht China, der Herr. IST MADE IN HONG KONG!»

Inder machen da sensible Unterschiede.

Na gut. Ich habe die Elefanten dennoch gekauft, und es waren vielleicht ein paar Dutzend zu viel (aber ich stellte mir vor, wie ich auf der italienischen Insel den Weg zu unserer Grabstelle mit einer Elefantenkolonne bespicken würde, und da reichten 450 Stück eben nicht!) – jedenfalls bekam Innocent die Krise. Und musste mit Sedativa still gelegt werden: «JETZT KAUFST DU ABER NICHTS MEHR! DAS IST DOCH ALLES NUR SCHUND! Was sollen wir mit einer Million Messingelefanten?»

Wären es Bierflaschen gewesen, hätte Innocent auch ohne Sedativum geschwiegen.

Jedenfalls versprach mir der Tür­steher des kleinen Boutique-Hotels im alten Kochi, den Transport zu organisieren. Bei Sonnenaufgang sah man ein Schiff mit voller Ladung in Richtung alter Kontinent auslaufen – eine neue Arche Noah. Nur waren hier lediglich Elefanten an Bord. Und diese waren unfruchtbar.

Zurück zu Kochi. Und weg von Kochi.

Als Innocent sich nämlich wieder beruhigt hatte, suchte er sich auf dem Fischmarkt einen Chauffeur aus. Der sollte uns nach Munnar in die Berge fahren.

Man muss wissen, dass Munnar der bekannteste Ferienort von Kerala ist. Er besteht aus Hotels. Hotels. Hotels. Und natürlich aus Souvenirläden mit Elefanten.

Das Kaff (und mehr ist es wirklich nicht) liegt 1524 Meter über Meer im Bezirk Idukki. Was einem mit all dem Touri-Rummel versöhnt: eine traumschöne Umgebung mit sattgrünen Tee­feldern, soweit das Auge reicht.

Sachi, unser Fahrer, weiss alles über die Teepflanzen, die da von den Engländern angelegt wurden. Heute gehören auch diese (die 200 Kilometer Teefelder) der schon tausendmal erwähnten Billionärs-Familie Tata . DIE TATAS HABEN EINFACH TUTTO. ICH MEINE: DAS IST NOCH EIN FAMILIENUNTERNEHMEN, BEI DEM DIE EINNAHMEN SPRUDELN WIE DAS TEEWASSER (das aber nie kochen sollte, wie wir von Sachi erfahren).

Also – um es auf eine Tasse zu bringen: Tee ist Tee. Immer derselbe Stock. Aber nicht stets dasselbe Blatt. Grüntee beispielshalber wird handgepflückt. Deshalb ist er teurer als der normale «Schwarztee», der von den ordinär grossen Blättern, die man trocknet, häckselt und abpackt, ins Beutelchen kommt. Am allerspeziellsten ist der «white tea», der aus den allerkleinsten, handgezupften Blättern her­gestellt wird.

Natürlich wollte ich sofort diesen weissen Tee schlürfen. JEDER TOURIST IN MUNNAR WOLLTE SOFORT WHITE TEA SCHLÜRFEN.

Was sie servierten, war dann heisses Wasser mit einem Schnitz Zitrone. Und da gingen meine Gefühle wie beim Händler mit den neuantiken Elefanten baden. Ich fühlte mich irgendwie verarscht. Doch die Verarschung des Reisenden ist das Gewürz, mit dem Touristen auf Trab ­gehalten werden.­

«Keine 1000 Elefanten bringen mich dazu, in einem dieser grässlichen Touri-Hotels zu übernachten», gab ich Innocent den Tarif durch.

Der hatte mich nämlich in einen Kasten locken wollen, vor dem Sachi geflüstert hatte: «Da gibts abends Alkohol. Und dann geht die Post ab.»

Er sagte dies in seiner haspelnden Hindu-Heimatsprache. Aber Inncoent, dem ich beim Mineralwasserholen 20-mal ins Ohr brüllen muss: «Wir brauchen wieder einen Harrass Eptinger!», kapierte hier alles sofort. Ohne Hörapparat. Und mit nur lapidaren Kenntnissen der indischen Dialekte.

Nun gut – Sachi merkte, dass die kleine Tucke mit dem grossen Bauch mit Alkohol-Orgien nichts am Hut hatte. Er verneigte sich dreimal und flüsterte verschwörerisch, er habe hoch in den Bergen etwas Spezielles für mich.

So kurvten wir die traumschönen Hügel rauf und runter. Und wenn wir schneller als 22 km/h gebrettert wären, hätte es fast eine Achterbahnfahrt werden können.

Wir wurden dann in einem alten englischen Sommerhaus abgeladen. Zwei nette Männlein in der langrockigen Tracht der indischen Alpen begrüssten uns. Sie kicherten, als wir auf zwei Zimmern bestanden.

Und dann wurden es immer mehr solcher Männlein. UND ICH HABE IMMER GEDACHT, IN INDIEN WÜRDEN DIE SOLCHE STEINIGEN. Doch hier war das Gegenteil und «Cage aux ­Folles» in den Bergen. Jedes Spiegelei hatte einen Goldflöckchen-Tau und wurde mit Ketchup hin­getropften Blümlein serviert.

Sachi, Familienvater mit zwölf Töchtern, strahlte. «Ich übernachte immer bei den netten Männern! Sie sind so unkompliziert.»

Als sie dann gar noch eine Flasche vom indischen Roten auftischten, war Innocent so was von begeistert, dass er sich auch gleich drei Elefanten in der Grösse ausgewachsener Sennenhunde andrehen liess. Die Elefanten waren diesmal aus verarbeitetem Stein. Und sollen bereits von den Etruskern nach Munnar geschleppt worden sein …

ICH HABE ÜBER DEN EINGEHAUENEN STEMPEL «MADE IN TAIWAN» HINWEGGESEHEN. UND INNOCENT DIE JAHRTAUSENDALTE GESCHICHTE NICHT KORRIGIERT.

Dienstag, 8. April 2014