Kurt sah sie. Und war elektrisiert.
Sie hatte rotfunkelndes Haar – wie das Höllenfeuer.
Und sie hatte grüne Augen – KATZENAUGEN.
«Aber hallo», sagte Kurt zu sich selber.
«Aber hallo!, sagte sein Freund Erwin. Seine Blicke klebten ebenfalls an der Gestalt mit dem Höllenhaar.
«Aber hallo», lachten nun die Katzenaugen. «Ich bin Stephanie …»
Es war zehn Stunden vor Fasnachtsbeginn. Die kleine Clique hatte sich in der Stadt verabredet. Später wusste keiner, wer Stephanie mitgebracht hatte. Sie war einfach da – wie ein lodernder Chienbäse. Nur etwas zarter. Aber mindestens so heiss.
Am Morgestraich lief sie der Clique hinterher. Beim dritten Halt in der engen Altstadtbeiz drückte Stephanie sich fest an Kurt. Und nach dem fünften Bier, als die Clique bereits gegangen war, um sich auf den Cortège vorzubereiten, sassen die beiden immer noch zusammen. Sie pressten die Schenkel aneinander. Und jeder spielte mit den Fingern des andern.
«Ich bin verheiratet», sagte Kurt heiser. «Anne-Catherine ist eine gute Mutter. Nur damit du Bescheid weisst …»
Sie lachte gurrend auf: «Ich habe zwei Kinder – sie sind mit meinem Mann in den Skiferien. Er ist ein guter Vater.» Wieder das Gurren: «… und ich bin eine flammende Strohwitwe, die dich hier anbaggert …» SOMIT WAR ALLES GEKLÄRT. UND DIE BAHN FREI.
Liebschaften waren in Cliquen nicht gerne gesehen. Als Stephanie am Dienstag dann gar zum «Familienumgang» auftauchte und Kurt etwas verlegen seine Anne-Catherine entschuldigte («Der Kleine hat Angina»), da wurde getuschelt. Erwin nahm seinen Freund vor dem «Braunen Mutz» zur Seite: «Mach dich nicht unglücklich, Kurt – du hast doch eine wunderbare Familie!» Doch der winkte etwas gereizt ab: «Ist nur eine Fasnachtsliebe. Nichts Ernstes. Nach dem Ändstraich vergessen …»
Am Mittwoch erschienen dann beide nicht mehr bei der Clique. Kurt genoss das Feuer in Stephanies Ehebett. Und Anne-Catherine kochte Lindenblütentee für den Kleinen.
Um fünf Uhr in der Früh drückte Kurt seine Fasnachtsliebe fest an sich: «Ich muss … Anne-Catherine würde unruhig …»
Sie lächelte: «Es war wunderbar, Kurt. Aber es w a r. Vielleicht wars so besonders schön, weil es so falsch war.»
Er wusste nichts zu sagen.
Unbeholfen streichelte er ihr durchs feurige Haar.
Und sie weinte.
«Wie wars?», fragte Anne-Catherine zu Hause. Sie stand in der Küche. Und schüttete das Teewasser in den Krug mit den Kamillenblüten.
Für einen kurzen Moment wollte er seiner Frau alles erzählen. Als er damals jene Affäre mit einer Tennis-Partnerin hatte, reagierte sie liberal. Keine Szenen. Keine Tränen – auch nicht, als er die Liebelei beendet hatte und die dumme Gans seine Frau mit Anrufen terrorisierte.
«Ich bin müde», sagte er. Ging ins Schlafzimmer.
Der Kleine ging zwei Wochen nach der Fasnacht wieder zur Schule. Die Angina war ausgestanden.
Die Fasnachtsliebe seines Vaters auch.
«Ich bin froh, dass alles wieder beim Alten ist», grinste Erwin am Bummelsonntag jovial.
Manchmal surrte Kurts Liebesschmerz noch wie ein entzündeter Zahn – dann aber flachte alles ab. Und die Wurzel war abgefault.
Im «Braunen Mutz» sah dann Kurt das rotlodernde Haar. Stephanie sass mit zwei Kindern und ihrem Mann an einem der Holztische. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke. Dann wandte Stephanie sich abrupt ab – und ihrer Familie zu.
Später hörte er das gurrende Lachen.
Er fühlte sich hundeelend. Er spürte, wie Tränen in ihm hochstiegen.
«Alles paletti?», fragte Erwin besorgt.
«Alles klar», flüsterte Kurt.