Vom Besuch im «Burj al Arab» und dem grössten Goldring der Welt

Hakan holte uns ab.

Hakan ist Ägypter. Er lebt seit 15 Jahren mit Weib und Kind in Dubai. Und verdient sein Geld als Fremdenführer.

Allerdings: In Dubai ist nicht viel zu sehen. Und noch weniger zu führen.

Gut. Es gibt diese Skyline mit den Bauten, an denen sich Architekten die verrücktesten Verrenkungen ­ausgedacht haben. Jedes Jahr werden es etwa 20 Wolkenkratzer mehr. Dies neben Sandflöhen und Kamelen. Die verrückte Architektur ist das, was einen Dubai-Besuch erbaulich macht. Dann sind da die wilden Wüstenfahrten auf den Dünen. Und die Scheichs, die ihre Falken steigen lassen.

Es gibt in Dubai auch den grössten Goldring der Welt. Und diese verrückte Dattelinsel, die der reichste Mann des Landes im Arabischen Meer für zig Billionen aufschütten liess.

Das gute Männchen hat ein Märchenschloss draufbauen lassen. Als teuerstes Hotel auf diesem armen Erdenball. Mit eigenem Strand. Und mit einer kleinen Metrobahn, welche die Gäste aus dem Herzen von Dubai auf die Dattelpalme jagen soll. DAS IST NATÜRLICH EIN SCHERZ. Es gibt zwar die Metrobahn. Aber – NEIN! IGITTT! – ­niemand der Gäste benutzt so etwas Ordinäres – nicht einmal deren Chauffeure.

Im Prachthotel werden Kämmerchen vermietet, deren kleinstes ein Ausmass von anderthalb Fussballfeldern hat. Nichts dagegen zu sagen. Nur: Wenn du in einer Ecke frühstückst, ist es tiefste Nacht, bis du in der andern angekommen bist. Und du hast bereits wieder Kohldampf.

Hakan ist ein wunderbarer Erzähler. Er macht aus Dubai tausendundeine Nacht. Ja, er ist unsere langbärtige Scheherazade – allerdings in perfektestem Schriftdeutsch, einem Deutsch, das er im Goethe-Institut von Kairo gelernt hat.

Deutschland? – NIE GESEHEN!

DENNOCH SPRICHT HAKAN EIN BESSERES DEUTSCH ALS JEDER SCHWEIZER POLITIKER ODER FERNSEHSPRECHER – UND SEINE ­DIKTION IST BEDEUTEND DEUTLICHER ALS DIE UNVERSTÄNDLICHE AUSSPRACHE DER «TATORT»- SCHAUSPIELER, DIE IHR GENUSCHEL ALS «PERSÖNLICHE KÜNSTLERISCHE GESTALTUNG» SEHEN …

Es stimmt übrigens nicht, dass in Dubai NICHTS zu sehen ist. Besuche die Dubai-Mall – UND DU SIEHST ALL DEN RAMSCH DIESER MARKENGEILEN WELT. Es ist, als hätten sich hier die Label-Fuzzis in einer Riesenorgie auf einem Stockwerk gepaart – ein Stockwerk allerdings, das gut und gerne die Grösse des Kantons Basel hat (wenn wir uns mal das Halbe als Ganzes vorstellen wollen).

Hakan führt uns über den Creek, der den Golf in Alt- und Neu-Dubai teilt. Für die Überfahrt heuert er ein Abra, ein altes Fischerboot, an. Und man ahnt plötzlich, dass hier in diesem dekadenten Prunk aus Edelsteinen und Gold, Höhenrekorden und gelangweilten Billionären vor nicht einmal 50 Jahren Lehmhütten gestanden haben. Und alles nur wüste Wüste war.

Im alten Suk atmet man noch einen kleinen Moment dieses erdöllosen Dubais – allerdings funkeln hier südafrikanische Hochkaräter und indisches Gold. In einem Schaufenster ist der im Guinness-Buch verzeichnete grösste Goldring der Welt ausgestellt, so gross, dass er spielend einen Elefantenfuss zieren könnte – und wenn noch einer meint, die Zürcher Ladenmietpreise seien gepfeffert – bitte: Hier bekommst du keine neun Quadratmeter unter 300 000 Dollar im Jahr. UND ALLES AUF SAND GEBAUT. Gut. Das sind die Bahnhofstrassen-Banken auch …

Hakan lächelt nun geheimnisvoll: «Ich habs geschafft. Ihr könnt im ‹Burj al Arab› essen … sie geben euch mittags einen freien Tisch!» Ich will ihn tränenumflort umarmen, aber er weicht entsetzt zurück. Und zeigt auf Innocent, der stolz in die Wüste lächelt: «Nun ja – es sollte eine Über­raschung sein …» DER GUTE!

Ich streichle seine gichtige Hand und nun hat Hakan Tränen in den Augen: SOOO SCHÖÖN!» (Dazu muss gesagt werden, dass in arabischem Hausgebrauch ein zärtliches Wort unter Männern nur bei Hunden erlaubt ist …)

Man muss sich nun das Burj-al-Arab-Hotel als richtigen Kitschpalast ­vorstellen. Und natürlich teste ich zuallererst die Toiletten, um die goldenen Toilettengriffe, über die sich Hochglanzmagazine überschlagen haben, zu prüfen. GROSSE ENTTÄUSCHUNG. «Alles Trompetengold!», wie die Kembserweg-Omi ihre Nase gerümpft hätte. Ich weiss, wovon ich da spreche, denn ich habe an jedem Griff geleckt. Und meine Zunge erkennt wahre 18 Karat …

Das Restaurant ist dann eine wilde Farben­orgie in Rottönen und Leder. Man sieht sich frischen Hummern und Austern gegenüber, derweil russische Geldwäscher in Knautschanzügen ihre Mietdamen mit dem teuersten Champagner der Welt übergiessen. JA ISCHTENEM – DAS MACHT SPASS!

Innocent wird gleich grantig, wie er die lauten Russen hört. Mit dieser Art von Herren kann ers eh nicht, weil sie – wie er sagt – «immer so etwas von abgekifften Gorillas haben».

Jedenfalls schiesst er nun bös-bissige Blicke, die ihm seine liebe Mutter schon früh beigebracht hat. Aber die Russenrunde beachtet so etwas gar nicht, weil jeder eine Auster, die einer der Mietmiezen in den Ausschnitt geglupscht ist, hochschlürfen will …

Ich bewundere das zumeist indische Personal, welches die Menschen hier mit stoischer Freundlichkeit bedient und einer Gruppe Eskimos, die an den Polsterledern mit Sackmessern die Kissen aufschlitzen, mit nachsichtigem Lächeln die Walrossdolche aus den Händen zieht.

«ÜBER DAS ESSEN KANN MAN WEISS GOTT NICHT KLAGEN», meint Innocent, wie wir uns beim Oberkellner verabschieden und ich noch 23 verpackte Zahnstocher mit goldener «BURJ AL ARAB»-Inschrift mitlaufen lasse.

In diesem Moment beginnen die 500 Nussknacker, die in der Empfangshalle aufgebaut sind, mit einem immensen Piss-Concerto – es ist ein feurig spritzender Brunnen, der all das zeigt, was die Wüstenstadt Dubai versinnbildlicht: EIN GOLDENES FRAGEZEICHEN. ABER VON A BIS Z HOCHKARÄTIG EINGEFASST.

Dienstag, 18. Februar 2014