Von einem wüsten Krach in der Wüste…

Als Innocent ein junger, dynamischer Anwalt war, trampte er um die Welt. Er beschenkte sich damit selber, weil er durch die Prüfung gekommen war. Und seine mitgeprüften Eltern griffen in den Sparstrumpf, um das Wunder zu feiern.

Einige Woche reiste unser Freund damals auch durch Indien. Seine Bibel hiess: «Make love – and India with 5 Dollars a Day …»

Das mit der Liebe hat sich mit den Jahren gegeben.

Der 5-Dollars-a-day-Spleen ist geblieben.

«Ich will das einfach nochmals sehen …», hat er mir nach dem dritten Whisky seit Jahrzehnten immer wieder mit tränenden Augen verkündet. «Die schönen Frauen in ihren farbenprächtigen Saris … die heiligen Kühe auf den Strassen … der feuerballige Sonnenuntergang über dem ­arabischen Meer …»

Und weil mir dieses ständige Gesülze um die ­seidenverpackten Weiber und die untergehende Sonne langsam auf die Eier ging, habe ich den Hammermeier angerufen. Und dem Bayrischen Reisemacher den Tarif erklärt: «Auf gehts nach Indien … aber nur im Individual-Gang. Ich will da nicht eine Gruppe von Bermuda-behosten XXXL-­Ami-Frauen um mich herumschwabbeln sehen … vor allem: Wir fliegen auf gar keinen Fall in einem Zack. Nur mit ein paar Tagen Wüsten-Stopp in Dubai. Dort ist nämlich das «Burj Al Arab» …»

«DARF ICH ‹BURJ› BUCHEN?», … schleimte ­Hammermeier sonnig.

«DA SEI ALLAH VOR – 5 Dollars a day. MEHR NICHT!» – winkte Innocent entsetzt ab.

«Entweder oder …», drohte ich.

LEIDER WURDE ES ENTWEDER.

Unser Hotel hiess Mondschein, was sich auf Arabisch netter anhörte, als es war. Auch das Geschnörkel der Inschrift auf dem Schreibpapier war verspielt und vielversprechend. Doch als wir Nigel, dem netten Taxifahrer von Dubai, unsere «Mondschein»-Adresse angaben, schüttelte der seinen mageren Kopf: «Nix kapier.»

Dafür bettete Nigel eine üppige Anzahl Fotos ­seiner pakistanischen Grossfamilie auf unserm Schoss aus.WAS NÜTZT UNS DIE PAKISTA­NISCHE OMI, WENN WIR NACH SIEBEN FLUGSTUNDEN ENGSTSITZ NEBEN EINEM BRÜLLENDEN KLEINKIND, DAS SEINEN HÖHEPUNKT AUF UNSERN WEISSEN TROPENANZUG AUSSCHISS, ENDLICH UNTER DIE DUBAISCHE DOUCHE WOLLEN!

Mit der Hilfe eines Ananasverkäufers und dem pensionierten Offizier der Heilsarmee kamen wir zu einer Adresse, die Desert Street 222 hiess. Es wurde ein langer Weg, der uns immer mehr von der gigantischen Skyline der Stadt wegbrachte. Bald schon grüssten die ersten Kamele am ­Wegrand und eine Handvoll Scheichs warf Falken in die Luft, um diese wie Geier über uns kreisen zu lassen.

«HAST DU HAMMERMEIER ETWA DEN 5-DOLLARS-A-DAY-KURS DURCHGEGEBEN!»

Innocent schaut gekränkt von seinem Reiseführer auf. «Wir habens ja nicht auf den Haufen … als ich damals um die Welt pilgerte, kam ich gar mit zwei Dollars a day aus. DAS MACHTE SPASS! Da reisen wir heute mit 5 Dollars geradezu üppig …»

ES WAR EINER DER VIELEN MOMENTE AUF DIESER REISE, WO KEIN STEIN AUF DEM ANDERN BLIEB. Die Fetzen flogen, dass Herr Nigel auf seinem Handy verzweifelt seine ­Pakis­tan-Grossmutter um Hilfe anrief, doch dann sah ich es: eine dunkle Baracke, die durch eine Lichterkette erleuchtet wurde. Dieses magere Rinnsal an Helligkeit formte den arabischen Namen MONDSCHEIN!

Ich meine – da funkeln weit in der Ferne diese traumhaften Milliarden-Türme von Dubai mit dem höchsten Kletterbau der Welt und dem «Burj Al Arab», dem einzig irdischen 7-Sterne-Hotel, das wie ein riesig aufgeblähtes Segel aussieht – WIR ABER STRANDEN HIER AM ARSCH DER WÜSTE BEI EINEM DÜNN ­FLACKERNDEN LICHTER­STRANG, DER SICH MONDSCHEIN NENNT.

NICHT IN DIESEM LEBEN!

Es kam ein wüster Wüstendialog.

Doch immer wenn ich daran war, Oberhand zu gewinnen, schaltete Innocent gekränkt seine elektronisch gesteuerten Ohren aus: «DANN ORGANISIERE DOCH D U DIE REISE. ABER ICH BEUGE MICH NICHT DEINEM TRÄMLER­S­TOCHTER-GRÖSSENWAHN! Deine liebe Mutter würde sich im Grabe drehen, könnte sie mitkriegen, wie ihr Sohn hier den grossen Macker markiert und in arabischen Hochhäusern für 1000 Dollars die Nacht pennen will …»

«LASS DIE MUTTI AUS DEM SPIEL!», fauchte ich, «IMMERHIN HAT SIE DIE BEGUM PERSÖNLICH GEKANNT. UND DIE WAR AUCH EINE TRÄMLERSTOCHTER!»

Ich salbte die Hände des Pakistan-Papis mit ein paar Noten und flüsterte: «Drive back!» Der Heilsarmee-Offizier hatte mir nämlich «für alle Fälle!» eine Visitenkarte mit der Adresse des CVJM-Heims angegeben. UND DAS LAG VIELVERSPRECHEND NAHE BEIM HAFEN, WO ES LUSTIGE MATROSEN GIBT …

Im CVJM-Heim waren sie sehr nett, wollten uns aber keine Doppelzimmer-Suite geben, weil Männer in arabischen Staaten auch in christlichen Heimen nur hermetisch abgekapselt voneinander schlafen dürfen. ALSO: SINGLE-ROOMS.

Meine Aussicht ging zu einer fünfspurigen Autobahn, wo die Emirate-Scheichs sich von ihren Chauffeuren nach der Falkenjagd heimkutschieren liessen.

Ich stellte mir vor, wie die Weissgewandeten einer ihrer vier Frauen eine erlegte Wüstenmaus auf die Knie legen würden: «Fatima, ich habe dir etwas mitgebracht …»

Die Schöne würde entsetzt aufschreien, den Schleier runterlassen und nicht auf sein flehendes «Ach Fatilein … war doch nur ein alberner Scherz» reagieren. Dies zumindest so lange, bis ihr Alter endlich doch noch einen Hundertkaräter sowie das kleine Platinohrgehänge zur Totmaus legen würde …

ABER HALLO: DAS SIND DIE MÄRCHEN, AUS DENEN MEIN STOFF NICHT GEWOBEN WIRD.

Dienstag, 11. Februar 2014