Vom Bambi und den Tücken der Technik

Es begann damit, dass Nicoletta so begann: «Ohhh Signori … ich habe eine «machinetta …una meraviglia …»

Sie sprach von ihrer Wundermaschine.

Innocent schaute anzüglich auf ihren (neidlos zugegeben) beachtlichen Busen. Selbst mit einem Fuss bereits in der Grube sowie ­demnächst im neunten Dezenium kennt er keine Pausen: «Oh jaaa, Signorina Nicoletta … das sehen wir doch alle … und alles mit Vergnügen …con molto piacere …»

DER GRÄSSLICHE ALTE SCHLEIMER, DER!

Nicoletta kicherte wie ein junger Teenager. Dabei wird sie demnächst Grossmutter von einem Kind, das seinen Vater auch nur einmal gesehen hat …

Nicoletta also: «Oh Signori … das Wunder heisst BAMBI … es ist: la revoluzione in cucina!»

JA BRAVO! Italien revolutioniert die Küche. DIE SOLLTEN MAL BEI DEN SENATOREN UND DER GANZEN REGIERUNGSPAMPE ANFANGEN!

Die einzige weltliche Küchenrevolution haben die Frauen erreicht, indem ihre Männer heute als Hobbyköche am Herd stehen. Deshalb stimmen Letztere jetzt auch schneller der Anschaffung einer Abwaschmaschine zu. Ansonsten: «Ich will nicht wieder eine dieser verdammten Apparate, die Fritten ohne Öl backen!»

Innocent, der so ein Monster kürzlich angeschleppt hat, schaut gekränkt: «MIR SCHMECKEN MEINE FETTLOSEN Pommes frites!»

Gut. Er schüttet auch Maggi aufs Brot und isst Eier vom vorletzten Osterfest. Mit andern Worten: Seine Geschmacksnerven sind schon in der Grube.

Nicoletta lässt nicht locker. Sie ist stur wie Giannis Esel, wenn er Holz transportieren sollte.

«BAMBI kann backen, kneten, kochen, mixen …», Nicoletta zeigt auf ihren vergammelten Fiat, ­welcher in den Serpentinen jault, wie die Kembserweg-Omi, wen man ihr die Gummi­strümpfe überzog: «Ich habe die Maschine im Auto, Signori … sie ist so etwas von niedlich und klein wie ein Handmixer.»

FÜNF MINUTEN SPÄTER SCHLEPPT SIE EIN PAKET HERAN, DAS AUCH EINE HUNDEHÜTTE HÄTTE SEIN KÖNNEN.

Unsere Küche ist kaum grösser als ein Schuh­karton. Diese Maschine aber ist ein kochendes Einfamilienhaus. UND DAS KOMMT MIR NICHT NEBEN DIE SPÜLE!

Natürlich ist Innocent schon wieder ganz weg. Gebt ihm eine Maschine in die Hand und er sagt der Welt Adieu. Stundenlang kann er die Elektronik eines chinesischen 2-Euro-Handventilators und dessen Propellerwerk studieren. In unserm Estrich stauen sich «interessante Fälle» wie ein strombetriebener Zahn­stocher-Apparat … ein Eierkocher, der nach abgetickter Kochzeit das fertige Drei­minutenei mit einem markerschütternden Hahnschrei ankündigt … oder eine ­Hot-Dog-Maschine, die sowohl das Würstchen siedet wie auch ein Sandwichbrot normgerecht locht, inwendig erhitzt und dem Würstchen sein Mayo- oder Ketchup-Loch zur Füllung bereit legt. ABER HANDICAP: Man bekommt nirgends das für die Maschine richtig genormte Sandwich-Brot. Also hat Innocent auch noch «den lustigen Brotbäcker» dazugekauft – ein Elektrotumbler der, so man ihn mit Mehl, Milch und Hefe füttert, die Brote in Klotzform rausspuckt.

Alle diese Maschinen stauben bei uns im Estrich neben Militärklamotten und dieser Kiste mit den unverwüstlichen Anzügen aus Innocents Lehr- und Wanderjahren in seiner Advokatenwelt. Damals war Schwarz angesagt und ein Stöffchen aus unmercerisierter Baumwolle und kratzend wie ein Wildschweinarsch. ABER: «Wirf die nicht weg, die sind noch wie neu!»

Back to BAMBI. Nicoletta vertreibt nachts die Maschine an fröhlichen «BAMBI-PARTYS» im privaten Umfeld – ein Nebenverdienst, der nun erklärt, weshalb sie über dem Besen stets einpennt.

Bei uns ging keine Party ab. Als das Ungetüm ­seinen Schatten über Herd, Tiefkühler und Boiler warf, als sein Motor erst mal auf Touren ging, wie ein ganzes Luftwaffen-Heer vor dem Angriff – da war die Schlacht, noch bevor alles flog, gewonnen! «Ich schenke dir dieses wunderbare Modell!», sagte Innocents vor Freude erregte Stimme. «Dieses Ungetüm kannst du dir wasweissichwohin stecken!», tobte ich.

Doch da hatte er Nicoletta auch schon einen Check ausgestellt. UND ICH SAGE EUCH: MIT DEM CHECK HÄTTE MAN SPIELEND

FÜNF ROLEXUHREN KAUFEN KÖNNEN!

Schon vertiefte sich Innocent in eine Packung Gebrauchsanweisungen. Sie waren auf Italienisch für ihn somit Spanisch.

Aber bald hörte ich in der Küche, wie etwas zu zischen und stöhnen anfing. Dann radatatterte es. Und ein leise verklemmtes «Upppss!» liess Schreckliches vermuten. Jedenfalls machte sich unser Freund nun am Badezimmerkästchen zu schaffen. Und rief nach einer Schere. Ich musste ihm den Finger, der nur noch die Hälfte war, ­verbinden. SCHON GINGS WEITER.

«BAMBI KANN AUCH STEAMEN!» erklärte Innocent in diesem stolzen Ton von Grossvätern, wenn ihre Enkelkinder ein Bäuerchen nach dem Bananenbrei rausgelassen haben.

Er schnippelte fünf Karotten. Legte die in eine Schale. Und drückte einige Knöpfe am Schaltwerk der Maschine, welches der Kommandozentrale einer Weltraumrakete in nichts nachsteht.

Es passierte aber nichts. Also holte sich Innocent das Gemüse wieder raus, doch dann ging die Schaltuhr los. Und schon standen wir erneut vor dem Badezimmerkästchen.

«Noch drei Versuche und wir haben kein Pflaster mehr!», kam mein Wort zum Tag.

Und als nach zwei Stunden die Karotten immer noch roh im Wasser badeten, hatte ich genug. Ich klatschte sie in die Pfanne. Und kochte sie auf dem Gasherd in 14 Minuten al dente.

Wir haben dann neben der Feigenkiste auf dem Estrich ein Ruheplätzchen für die elektronische Gassenküche gefunden. FRIEDE IHREM LÄMPCHEN!

Und morgen werde ich Nicoletta eine BAMBI-PARTY ausrichten, die sie nicht so schnell vergessen wird …

Dienstag, 4. Februar 2014