Kurt war mies drauf.
Erstens wars der letzte Tag seiner Sekretärin. Fräulein Vaterlaus (sie bestand auf dem Fräulein)hatte ihm 40 Jahre gedient. Er hatte sie als 18-Jähriger von seinem Vater übernommen, als dieser von einem Lastwagen platt gefahren wurde.
FRÄULEIN VATERLAUS WURDE SO ETWAS WIE EINE FIRMENMUTTER FÜR IHN.
Sie führte ihn behutsam in seine Pflichten als neuer Chef ein – wusste aber immer, wo ihr Platz war.
Kurt hatte durch Headhunters und Inserate eine Nachfolgerin gesucht. Was kam, war bedenklich: schnippische, junge Weibsbilder mit Honoraranforderungen wie Madonna.
JA HALLO – DIE SOLLTEN ZUERST MAL ETWAS LEISTEN.
Schliesslich hatte Irma Vaterlaus selber eine junge Nachfolgerin mitgebracht: adrett. Bescheiden. Und – wie es im Anstellungsgespräch schien – kompetent. Überdies sah sie gut aus. Verdammt gut. Also so etwas hätte sich Kurt als Tochter gewünscht: Seidenstrümpfe in eleganten Pumps. Gut sitzendes Tailleur (schwarz). Und eine schlichte Perlenreihe über dem Hermesschal. Eine Business-Lady wie aus dem Versandkatalog.
Kurt seufzte auf. Denn damit war er beim zweiten Seelentief: Seine Tochter Lilli – EINE ROBUSTE ENTTÄUSCHUNG!
In Lilli hatte er alle seine Hoffnungen gesetzt. Immerhin war sie klug. Ehrgeizig. Hatte die Matur mit Bestnoten bestanden. Und wurde auch Captain der Damenfussballmannschaft des Orts.
DAS WAR DAS DRITTE PROBLEM.
Schon als Mädchen war sie nicht in einen Rock zu kriegen. Als ihr das Christkind Schlittschuhe brachte, warf sie diese durchs geschlossene Fenster. Und brüllte nach einem Hockeyschläger.
ABER HALLO – TAT SO ETWAS EIN LIEBES MÄDCHEN?!
Es ärgerte ihn, dass er nicht sofort schnallte, wie der Hase lief. Aber Hilde hatte nur gelächelt. «Ja und? D u bist doch auch immer auf die Navratilova gestanden. Was ändert das am Ganzen?»
ES ÄNDERTE A L L E S!
Er hatte sich seine Tochter in Weiss am Altar vorgestellt – zu ihrer Seite ein junger Akademiker, zumindest aber ein Banker. Zusammen würden sie ihn ablösen. Und den Laden hier schmeissen.
ABER NEIN. FUSSBALLCAPTAIN! KRAWATTE STATT COLLIER! GEL IM HAAR!
In den nächsten Wochen wurde Kurts Laune durch seine neue Sekretärin aufgeheitert. Die Frau war ein Glücksgrif. Sie begann bereits, da und dort Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Und vor allem: Sie war kompetent. Dreimal hatte er sie zum Mittagessen eingeladen – er wollte etwas mehr wissen: «Sind sie verlobt, Fräulein Elke?»
«F r a u bitte. Und: Ja!», lächelte sie.
«Ach der Glückliche …»
«D i e …», lächelte sie ein zweites Mal.
Und: «Ich kann nicht ganz folgen, Frau Elke …», murmelte Kurt verwirrt.
Er bestellte ein zweites Dessert.
Ein halbes Jahr danach sah er nach Feierabend, wie sein Fräulein, Pardon, Frau Elke nach Feierabend abgeholt wurde.
Ein junger Kerl in Jeans umarmte sie zärtlich – erst an der Krawatte erkannte er Lilli. Und am Gel im Haar.
Zu Hause angekommen, rührte er sich zuerst einen starken Dry Martini. Dann noch einen. Und einen dritten.
Schliesslich rief er Hilde: «Jetzt hock dich schon mal zu mir … du glaubst ja nicht, was heute passiert ist …»
Hilde setzte sich auf die Coach. Und lachte: «Du bist in letzter Zeit viel besser drauf. DU HAST DICH IN DEINE SEKRETÄRIN VERLIEBT!»
«Schön wärs», seufzte Kurt.
Und dann: «… aber immerhin zeichnet sich für die Zukunft der Firma eine gute Lösung ab …»