Ying und Yang

«Kampf der Wampe», posaunte Evchen. Und schüttete sich noch ein Glas mit Lambrusco nach. Der perlende Rotwein schäumte über - und das tat auch Evchen mit Energie geladen wie die Mastsau mit Mais: «Wir besuchen diesen chinesischen Fitnesskurs. Hast du das Plakat gesehen?»

Hatte ich. Es war ein weniger fitter als fetter Buddha, der mit hintergründigem Lächeln zur «Balance von Geist und Körper» aufrief. Darunter in grellem Orange: «Ying und Yang - in einem Klang».

Evchen schob sich ein dickes Stück vom Doppelrahm-Gorgonzola nach: «Ich habe mir gedacht, mit Ying und Yang wirds nicht ganz so arg wie in der Fitness-Halle... naja, chinesisch sanfter, irgendwie. Weisst du noch, wie ich das letzte Mal vom Laufband gespult bin...?»

Ich weiss. Sie reparieren den Boden immer noch. Und als sie den Fitnesstrainer, bei dem Evchen wie ein Meteorit einschlug, von der Matte gekratzt hatten, schaute der mit traurigen Augen von der Barre: «Ich habe doch gesagt - Geschwindigkeitsstufe 1. Nicht 10.»

Na ja - so etwas konnte uns mit dem milden Buddha bestimmt nicht passieren. Also schrieben wir uns an der Theke des Fitnesshotels mit dem fröhlichen Namen «Mamma mia» ein. Und standen bald schon pronto auf der Matte.

Unser Outfit entsprach wohl nicht ganz Ying und Yang. Evchen erschien in einem zart-grünen Kunstseidetrainer. Sie sah aus, wie ein Heissluftballon, der in der Weide gestrandet war. Ich: hauteng in Weiss. Dazu politisch korrekt: das knallrote Stirnband.
Die Ying-Tante schaute, als wollte sie uns beide auf der Stelle umspritzen: «Das hier ist kein Kostümball. Und auch keine X-Bein-Demonstration. Das ist chinesische Gymnastik - ich bin Rosa aus Glottertal.»

Viel später haben wir herausbekommen, dass Rosa in ihren unchinesischen Jahren, als sie noch weniger für Ying-Gymnastik, sondern mehr fürs Währschafte geschwärmt hatte, während ihres Billigurlaubs in Abano ein Auge auf Orfeo geworfen hatte. Orfeo war Fangoträger. Doch Rosa trug er anderes zu. Na ja - jedenfalls blieb sie im Schlamm stecken. Und liess Glottertal Glottertal sein. Als Orfeo sie wegen einer andern Fango-Schlammenden, die mit Ferrari und ZH-Nummernschild angebraust war, verliess, da wandte sich Rosa dem sanfteren Buddha zu. Sie suchte das Glück im Yang. Und lässt seither die Frustration auf ihre Mitturner los.

Die Töne in der alten, nach Schweiss und Turnersöckchen müffelnden Turnhalle sind zart. Sphärisch. Überirdische Glöckchen bimmeln sich durch Staub und Gebälk. Auf einem verlotterten Tischchen flackert eine orange Kerze. Dahinter sitzt Buddha in Joga-Stellung, dieser unbequemen Position, die wir «Schneidersitz» genannt haben. So sollten nun auch wir.

So etwas ist bei Menschen, die sich nicht von Magerjoghurt und Korn ernähren, schwierig. Jedenfalls müssen die übrigen Ying- und Yang-Jünger entsetzt zuschauen, wie es uns wild auf der Matte herumkegelt. Wir finden alles - nur nicht das äussere Gleichgewicht. Geschweige denn das innere.

Evchen kippt nach rechts, nach links - ich kopfvoran. Rosa spuckt hysterisch Gift und Galle: «Ja Teufel nochmal - könnt ihr den Arsch nicht endlich ruhig halten...?!»

Da ist der Glottertalerin das Ying aber schön durchgaloppiert.
Evchen rappelt sich an der Sprossenleiter hoch. Keucht. Und macht auf Abschiedsvers: «Ying und Yang - mir kreuzweis? kann!»

Morgen schreiben wir uns in einem venezianischen Kochkurs ein.

Montag, 30. Januar 2006