Am Donnerstag starten wir durch.
Unser Puls rast wie die Tagwacht der Trommelhunde. Und die Nächte sind heiss, wie dieser spanische Tanz, den sie Flamenco (zu Deutsch:der Flammenkuchen) nennen.
Der Prosecco gurgelt schon schussbereit in der Flasche.
Und endlich ist sie da, die herbeiersehnte Euphorie.
HALLO FREUNDE? ES GEHT HIER ABER NICHT UM DIE EURO 2008.
Es geht um den Wonnemonat?
Schon im schönen Lied der herbstlichen Fischerchöre heisst es:
Komm lieber Mai und mache
Die Bäume wieder grüüün?
Aber natürlich weiss auch Chorleiter Gotthilf, dass dies ein Unsinn ist. Denn dank der Klimaerwärmung fallen im Mai bereits die ersten Blätter. Gegrünt wird im Februar.
Überhaupt fällt viel zur Maienzeit? so etwa der Arbeiterfeiertag auf den Auffahrtsdonnerstag. DA HAT UNS DER MAI ABER SCHÖN VERARSCHT.
Nun fusionieren also bereits die gesetzlichen Freitage.
Dennoch? schon meine liebe Tante Gertrude hat immer geträllert:
In einer lieben Maiennacht
Hat Amor uns den Kuss gebracht?
Und Onkel Alphonse ergänzte lüstern:
«? und neun Monate später,
kam der kleine Peter!»
Dann liessen beide die Storen runter.
In einer Zeit, als die Menschen sich noch nicht über einen Chat-Raum im Internet heiss machten, mag der Mai die Säfte in uns schon mal aufgekocht haben. Wir spürten bei Maimond und Voll-Mund 100 000 Maikäfer im Bauch.
Heute gibt es? und das hat schon der Lieder machende andere Mey bedauert? keine Maikäfer mehr. Vom Bauch gar nicht zu reden. Der ist schon lange out.
UND NUN MAL HERHÖREN? DAS ALLERSCHLIMMSTE: Es gibt auch keinen Hochzeitsmonat mehr.
Das hat mir kürzlich ein Zivilstandsbeamter gestanden. Wenn früher die Bräute noch den Mai zierten, ist heute laut Statistik der September zum hochzeitigen Wonnemonat geworden. Das Wetter sei beständiger? meint der zuständige Chefbeamte Alexander Egli. Irgendwie ist da die Welt total von der Rübe? es müssten doch die Ehen beständiger sein. Und nicht das Wetter.
Es fehlt heute eben viel, das früher den Mai ausmachte: die Maiglöckchen beispielshalber. Früher sahen sie in allen Vorgärten aus, als hätten die Gartenzwergchen hier ihr Miniaturglockenspiel aufgestellt.
Heute?? Velos, Velos, Velos.
Kaum ist der Mai in den Lenden, schwingt sich jeder Sack aufs Rad. Sie surren mit Pulsmesser und Knopf im Ohr verkabelt über den Asphalt. Sie spulen ihre Fitnesskilometer runter, wie Tante Irmchen früher den Rosenkranz vor dem Bild der Heiligen Mutter mit Kind.
Und statt der netten, lustigen Kniehosen, die uns einst mit kindlicher Freude («Jetzt ist Mai? wir tragen die kurzen Socken!») den Monat machten, stecken alle in diesen hautengen Gummischläuchen, die dann Schweissflecken abzeichnen, so dass die Radler immer aussehen wie Wurstpapier, aus dem ein fettes Butterbrot gewickelt wurde. Kein Wunder, dass die Maiennächte heute zappendusterstimmungslos sind? bei solchem Anblick schaltet auch das heisseste Glühwürmchen sein Lichtlein aus.
Es gibt? Gott seis gejammert und gepfiffen? keine Saisonpfeiler mehr, keine Monatswerte, an denen wir uns festhalten können. Die Klimaveränderung hat alle und alles umgespult. Wo wir uns einst im Mai über die ersten Erdbeerschnittchen freuten, löffeln wir nun die Beere das ganze Jahr hindurch aus Müllers Joghurtbecherchen.
ALLES SAISON, ODER WAS!?
Mai-Bowlen, der Maibock, ja selbst das saisonale Schimpfwort «mai! mai!» sind am Abklingen. Die Bowle ist den Alkopops gewichen, der Bock hat sich in einer Welt emanzipierter Frauen eh alle Chancen verbockt, und kurze Söckchen tragen höchstens noch die «Hallo Opi? ich möchte deine kleine Nichte sein»-Freudendamen.
Und was ist mit dem 1.-Mai-Fähnchen?
Wie stolz hat es Vater jeweils an der frisch gebürsteten Trämleruniform flattern lassen. Und wie viele Male hat es meine Mutter, die sich Vaters Fahne wegen vor ihren Bridge-Damen schrecklich genierte, versteckt?
JA, WO SIND SIE? DIESE MOHNBLUMENROTFUNKELNDEN ZEICHEN DER SOLIDARITÄT?!
Nur noch wenige bekennen im Mai Farbe. Sie warten alle bis der Juni kommt. Dann können sie sich das eidgenössische Rot-Weiss auf die Backen schminken.
Hoffen wir, dass zumindest diese Euphorie dann saisongerecht über uns kommt.
Wonnemonat Mai
Montag, 28. April 2008