Mein Vater wedelte? auf Skis. Ich wedelte auch? allerdings in Mutters Pumps.
Vor 50 Jahren hatte mein Vater beschlossen, dieses «städtische Weichei» in einen «knackigen Naturburschen» umzuwandeln. Also ging er in die Berge. Kaufte in einem Skidorf ein Stück Land. Und baute ein Haus darauf. «Hier lernst du skifahren wie ein Mann!» Gemeint war sein Wedelgang. So kam es also, dass ich ins Elend geschickt wurde.
Der erste Mann, der mir das Stemmen beibringen sollte, hiess «Hämel». Ich war sechs. Und durfte ihn duzen. «Hämel» steht in Adelboden nicht etwa für Hammel, Hämel ist die verniedlichte Form von Abraham...
Wunderbarerweise fuhr zu jener Zeit ein Bügelskilift den Sportsfreund in die Höhe. Mich nicht. Meine Skis wollten einfach nicht gerade fahren? immer wieder zog es mich in Hämels Latte. Wir purzelten von der Skiliftspur und der Skilehrer warf mir einen Blick zu, der verriet, dass er sich lieber den Sack abgerissen hätte, als die Aufgabe anzunehmen, diesem seltsamen Kind den Stemmbogen beizubringen. «JA SACKCHRAMENT? BISCH DU EN LÖÖU!» tobte es unter mir.
Da wusste ich, dass wir nie Freunde werden würden. Hämel wurde gegen einen neuen Lehrer ausgewechselt. Und heute darf ich ruhig sagen: Eine ganze Adelbodner Skilehrer-Generation hat sich an meinen geraden Beinen krumm verdient.
Immerhin? mit zwölf Lenzen schaffte ich es, nicht mehr vom Liftbügel zu donnern. Und mit 14, als ich zum ersten Mal mit meiner Klasse ins Skilager musste, hatten die den Schock in der Hose: Die Tucke verblüffte im Schnee durch elegantes Wedeln... dank Frieda Dänzer. Meine Mutter hatte nämlich mit meinem Vater ein Zwiegespräch: «Er muss eine Frau haben... nur bei einer Frau verirrt er sich nicht in der Latte...» Also kam ich zu Frieda.
Dänzers Frieda war Weltmeisterin. Sie zeigte mir ihre Goldmedaille: «Na Kleiner? willst du auch so was? Dann zwick dich aber mal zünftig in deinen verpickelten Arsch...»
Damals lebten wir in dieser schrecklichen Zeit, als Männer keine Halsketten trugen. Es war die Zeit des männlichen Purismus. Deshalb lernte ich wedeln bei Frieda.
Die Jahre machten aus unserer Kuhweide einen Weltcup-Hang, das «Kuonis» zum bedeutendsten Bergli im ganzen Skizirkus.
An all das habe ich am Samstag denken müssen, als ich mitten auf der Skipiste vor Papas kleinem Haus sass. Und im Ziel 28'000 Schweizer Fahnen wedelten, als gelte es, Milliarden von Schmeissfliegen zu vertreiben. Das Fahnenwedeln wurde zum Sturm, als unser Mann diesen sensationellen zweiten Lauf hinlegte. Und doch nur Vierter wurde.
Ich eilte zur Siegesfeier. Hier war es meine Pflicht, Herrn Viletta zu trösten, weil er jetzt diese Medaille, die einst Frieda Dänzer zierte, so knapp verpasst hat.
Als ich Sandro erklären wollte, dass er nicht verzweifeln müsse, da sah ich, dass an seinem Hals eine Goldkette hing. Er trug sie mit viel Würde und dennoch mit dieser Gleichgültigkeit einer Männergeneration, die sich heute wie Christbäume schmückt. Ja? hier spricht der Neid! Aber es stellt sich eben doch die Frage: Wozu hat Viletta denn wedeln gelernt?