Von weichen Birnen und dem harten Los der Kocherei?

Mittwoch - Muss mal klar Klartext reden. GANZ UNTER UNS. Irgendwie ist die kleine Welt um mich herum nämlich falsch gewickelt. Sie meint, ich würde vor Glück weinen, wenn ich mir am Herd die Beine in den Bauch stehen kann. Ja, der Gipfel vom Glück sei das Verkleppern von drei Eiern und dann Zucker dran.

SONST NOCH WAS?!

«Ich bin auch ein Hobbykoch», strahlen mich Männer mit voll gepackten Supermarktsäcken im Sechsertram an.

Wunderbar für die. Aber hallo Freunde: ICH BIN ES NICHT!

Diese verdammte Kocherei hat mir Ende der 60er Jahre mein sehr geschätzter Onkel Fritz eingebrockt. Also - Onkel Fritz war dürr wie ein welkes Blatt und kapierte vom Essen nur gerade so viel, dass Maggi keine Schuhwichse ist. MEHR NICHT.

Dieser Onkel Fritz hatte als Lokalredaktor der herrlichen 70er Jahre (HALLO ABBA!) wieder mal Stoffmanko und löcherte mich: «Mach doch eine kleine Rezeptserie. Die Leute lieben Kochrezepte!»

Genervter Aufschrei unserseits: «Ich kann nicht kochen.»

Onkel Fritz verdrehte die Augen: «Du kannst auch nicht schreiben. Und tust es trotzdem. Also ran an die Tasten!»

Dann schloss er mich in sein Büro ein und klopfte draussen mit einem Schokoriegel an die Türe: «Der ist für dich, wenn du fertig bist?»

So wurde mein erstes Rezept ein Bouillonwürfel, den man in kochendem Wasser auflöste, Klöpferscheiben dazurädelte und alles mit einer halben Gewürzdose voller Rosmarin abschmeckte. Die 70er Jahre waren nämlich nicht nur das Ende des Globi-Buchs und die Entdeckung eines süffigen Süss-weins, den sie Rosé d?Anjou nannten, es war auch der Anfang von Rosmarin. Dessen getrocknete Nadeln prasselten damals wie ein Gewitter auf den Gourmet herunter - man badete darin und briet die Sau damit.

Meine «Soupe provençale» kochte mir viel empörte Leserbriefe ein: Erstens hatten sich die Wursträdchen in der Bouillon gebogen und sahen aus, wie frisch gelandete Ufos. Und zweitens hat der etwas allzu reichlich verwendete Rosmarin am Gaumen einige Erstickungsanfälle provoziert. Aber Onkel Fritz liess das kalt - «Mach weiter. Escoffier wurde auch nicht an einem Tag gebacken!»

So kam als Nächstes das gefüllte Mayo-Ei auf Hörnlisalat.

Das war der Anfang allen Elends: Ich wurde zur kochschreibenden Drulla abgewertet. (Und dies passiert jemandem, der Kant gelesen und kapiert hatte!)

SOWEIT DAS LAMENTO ZUM TAGE!

Freitag - Das Schlimme: wenn Du in einem Krimi mal den Mörder gespielt hast, legen dich Regisseure und Theateragenturen in die Schublade «MÖRDER» ab. Du mordest dann ein Leben lang. Und das ist kein schönes Los. Wenn du einmal ein Spiegeleirezept publizierst, passiert dasselbe: Auf allen Redaktionen dieser Welt legen Sie dich unter dem Stichwort «KOCHEN» ins Archiv ab. NUN KOCHST DU IMMER. Und das bringt so manchen zum Kochen.

MIR JEDENFALLS PASSIERT.

Natürlich würde auch ich mich gerne mal politisch in meinem Leibblatt zum Thema «braucht Basel neue Beizenstühle» äussern. Ich wüsste da gar einen Tageskommentar - aber nein. Immer ist das Thema: «Brauchts zur Omelette Petersilie oder nicht.»

Das Schlimmste aber ist, dass ich mir mit dieser verdammten Kocherei so viele Einladungen einknete. Und am allerschlimmsten brockt mir Onkel Nudelstadt ein Kochsüppchen ein. Immer zur Adventszeit ruft er allerlei abgediente Politiker und Wirtschaftsleute an den Tisch. AN MEINEN TISCH. Und «Koch, was du willst, aber weich muss es sein - es sind alles Zähne der vierten Generation!», ist sein Mahnwort.

Da kannst du das Fleisch am Knochen also gleich vergessen. Du babbst kaugerechte Hackdätschchen, dazu den problemlosen Kartoffelstock und Rotkraut püriert. Nur beim Schnaps haben die alten Herrschaften kein Problem. Den beissen sie mühelos.

«Das Dessert ist das Wichtigste» - mahnt mich Nudelstadt, «Wappelpudding oder Crèmen - das mögen die!»

Ich habe ihnen ein einziges Mal «Nüsse im Zuckerkrokant» aufgetischt. Danach erlebten die Zahnärzte eine Hausse wie zur Zeit des Wirtschaftswunders.

Dieses Mal also: Birnen im Rotwein.

Meine portugiesische Perle mit dem traumschönen Namen Conception kocht mir dieselben. Sie kocht mir seit bald 20 Jahren Birnen im Rotwein. Und immer sind sie pflaumenweich wie Baby-Backen.

Für die erlesene Gesellschaft von Ex-Ministern und Alt-Königen wird die Birne natürlich mit Goldfolie ausgarniert. UND WAS PASSIERT?

Stille im Saal. Gespenstische Stille. Ich äuge zu den Tischen. Und da stieren 46 Augen auf die Weinbirnen, welche Conception dieses Mal etwas zu al dente geraten sind.

23 Weinbirnen kommen entsprechend wieder retour - bei dreien liegt je ein Vorderzahn.

WAS ICH DAMIT SAGEN WOLLTE: AUCH WENN MAN VON DER WELT IN DIE SCHUBLADE «HOBBYKOCH» ABGELEGT WIRD, HEISST DAS NOCH LANGE NICHT, DASS DIE BIRNE WEICH SEIN MUSS.

Dienstag, 6. Dezember 2005