Freitag - Post-natale Weihnachtsdepression.
All die tausend Weihnachtsgutzi, die liebende und knetende Hände fürs Fest und Kind gebacken haben, liegen nun schwer auf meinen Hüften. Den Gutzi ist ein Frustkauf im Vorweihnachtsrausch vorangegangen. Innocent hatte beim Morgenessen verkündet: «DIESE WEIHNACHT SCHENKEN WIR EINANDER NUR LIEBE.»
Und dies, wo die Börse laut HALLELUJA gesungen hat.
Na ja - die Liebe hat nicht die Form meines heiss erhofften Cartier-Rings. Ich kann sie mir auch nicht um den Hals legen. Deshalb musste ich tief deprimiert diesen lindengrünen Kaschmir-Schal mit der 30-Zentimeter-Zottel selber kaufen. Das ist Onanie im merkantilen Sinne. Aber wie alle Selbstbefriedigung befriedigt sie nicht ganz. Und deshalb war ich ganz froh, dass neben dem Schal diese wunderbaren Jeans von Dolce & Gabbana lagen.
DOCH DIE SIND NUN AM ARSCH.
Oder eben nicht dort. Denn dank der Gutzimomente im alten Jahr komme ich zwar mit Stöhnen, Keuchen, Schweissausbrüchen und einem rasenden Puls in den neuen Dolce samt seiner Gabbana rein - ABER ZWISCHEN DEM OBERSTEN KNOPF RECHTS UND DEM KNOPFLOCH LINKS KLAFFEN WELTEN! Und diese Welt ist mein Bauch.
ICH HABE EIN RECHT AUF MEINEN BAUCH.
Doch auf wunderbare Weise ist er über die Festtage aufgegangen wie die Anisbrote (die bei mir einmal mehr flundernflach auf dem Blech liegen geblieben sind).
«Ich krieg die neue Hose nicht zu», japse ich. Laufe jeansblau an. Und kippe wegen Atemnot in Ohnmacht.
Wie ich wieder zu mir finde, sitzt Innocent seufzend in einem Album blätternd neben mir. Sein Finger zeigt auf einen blutleeren Jüngling, der an einer Narzisse riecht: «? ist es nicht schrecklich, was die Zeit aus dir gemacht hat?!»
Der vergilbte, wurmdünne Teeny ist schnauzlos. Dafür trägt er das lange Haar so fettig, als wären sämtliche Ölfelder Arabiens darüber gekommen. Dabei wars nur der Drei-Wetter-Lack.
«Verglichen mit dir war Twiggy ein Fass», kommentiert mein Freund nun bissig. Er wirft einen mitleidigen Blick ins Album. Dann auf meine offene Hose. «Vielleicht solltest du doch Toms Fitness-Weihnachtsbon annehmen?» DAS SAGT MIR EINER, DEM ES DIE HEMDENKNÖPFE WIE POPCORN IN DER GEGEND RUMSPICKT!
Samstag - apropos: Weihnachts-Bon. Die Idee meines verfitteten Vetters war nett, aber nicht unbedingt zwingend: Er hat mir den Bon für diesen Club, der nach einer im Februar Blumen verschenkenden Tucke benannt wird, an eine Banane gebunden. Dazu noch eine Portion Prosa:
DEIN SPECK MUSS WEG - HEE NUNDEFAHNE!
MIT FITNESS UND EINER BANANE. (Na ja - eine Droste-Hülshoff wird er nie.)
«Es ist ganz einfach», sagt nun dieser Vetter, der die Rüben mit seinen Hasenschaufeln ungeschält annagt, weil - so kaut er das Credo zum Tage - die Vitamine immer direkt unter der Schale sitzen würden.
Dann wirft er sich elegant auf den Boden. Zieht die Beine an. Und lässt die linke Hand übers rechte Knie schweben. «Dies 60-mal - das strafft die Bauchmuskeln. Nach neun Wochen sitzen dir deine Dolce-Jeans wie angegossen?»
Mühsam halte ich mich an einem Tischbein fest und lasse mich langsam auf den Boden gleiten. Wenn ich die Beine anziehe, habe ich keine Luft mehr. Und wie soll ich mit meinen kurzen Armen über diesen Ballon kommen, den die Medizin «venter fortis» und mein Freund «die Wampe» nennt?
Überhaupt ist es mir nicht ums Geturne. Das war es mir nie. Schon als unschuldiges Knäblein habe ich alle Ärzte dieser Welt mit dramatischen Schreien und fingierten Asthmaanfällen irregeführt. Sie haben mir jeweils kopfdätschelnd eine Dispens geschrieben, und so bin ich ein Leben lang auf der sportlichen Reservebank gesessen.
SYNCHRON SCHWIMMEN LIESS DIE WELT MICH NICHT! «Das ist nichts für einen flotten Buben!», schüttelten alle ihre Zeigefinger. Und da sieht man mal, was die Medizin für Fortschritte gemacht hat. Heute schwimmen selbst Politiker und CEOs synchron.
DOCH GENUG GESCHERZT. Zurück auf den Boden dieser Welt. Hier habe ich mittlerweile den Arm ausgekugelt und ein steifes Genick.
«HIMMEL, BIST DU ABER EIN BEWEGUNGSTROTTEL», nervt sich Vetter Tom. «JEDER ALTERSTURNER HAT MEHR PEPP IN DEN KNOCHEN!»
Mühsam hangle ich mich am Tischbein wieder hoch: «Mein Vorsatz für 2006 ist nicht, olympisches Gold zu erringen», erkläre ich hoheitsvoll, «sondern würdig meinen Weg zu gehen!»
«Ach Gottchen», japst nun Innocent, «dann watschle doch weiter wie eine schwangere Ente und?» - Immerhin: eine Ente in Dolce&Gabbana!
Ich habe die Hose umgetauscht. Und zwei Nummern grösser genommen - allerdings mit dem Vorsatz: weniger dolce. Und mehr Banana.