Emil sagt immer. «In März schön... März kalt!»
Emil ist mein türkischer Hausmeister. Und Emil ist einer der beliebtesten, türkischen Vornamen. So ungefähr Rang neun auf der Skala «Welchen-Namen-geben-wir-dem-Buben?»
HASTEWORTE! Unser Emil. Nur sagt hier keiner «Mille». Und mit dem Schweizer Komiker haben sies auch nicht. Überhaupt nicht mit Komik. Der türkische Witz ist für unseren Kulturbegriff oft ein unfreiwilliger.
WIR KICHERN ETWA HEITER AUF, WENN EMIL EINEN FAHREN LÄSST.
Das findet Emil gar nicht komisch. Und schaut als hätten wir ihn mit Rasierklingen gefüttert. Andererseits kann sich Emil nicht halten vor Lachen, wenn wir die Brille mit dem funkelnden Strass aufsetzen: «IST FÜR WEIB! DU NICHT WEIB!»
Nun ja.
Emil also. Er betreut die Wohnung meines Freundes Hakan. Und die Betreuung sieht so aus, dass er Adile schuften lässt.
Emil sitzt vor dem Haus auf Eingangsstufe drei. Er dreht sich ein Zigarettchen. Und hält einen Plausch mit Abdul, dem Brothändler vis-à-vis.
Adile wäscht derweil mit bunten Lappen die Marmortreppe sauber. Und sie schaut immer weg, sobald ich auftauche.
Vermutlich mag sie mich nicht. Sie hat neben Emil und ihren beiden Söhnen keine anderen Männer zu mögen. Und schon gar nicht die mit Strassbrillen. So etwas darf nur Emil.
«Ist die Wohnung warm?», frage ich.
Wer Istanbul im März kennt, weiss, dass der Frühling eisig sein kann. Sieben Tage? so rechnet es die Statistik zusammen? eist es am Bosporus. Was die Statistik nicht sagt: ES EIST IMMER DANN, WENN ICH ANREISE!
Nun ist es also ein Schneeregen, der den Verkehr lahmgelegt hat. Und «in März schön... März kalt!», wiederholt sich Emil. Und lässt das Thema «warme Wohnung» elegant sausen. Wie ich später die Eiszapfen am Wasserhahn in meiner Küche sehe, weiss ich, warum...
«Und wie soll ich mich da waschen!», jammere ich dem Hausmeister die Hucke voll.
Allah allein weiss wie und wann? vom Minarett ruft ein Tonband eben wieder zum Gebet. Und so schliesse ich mich der weinerlichen Stimme gerne an. «Und mach, dass es bald wärmer wird!»
«Mann gehen in Hamami!»? weiss Emil Rat.
JA BINGO: Damit kommen mir hier alle: «Wenn du im eisigen Istanbul wirklich warm haben willst, musst du eben in das türkische Bad gehen. DAS IST ECHT HEISS!»
Meine Erfahrungen singen da ein ganz anderes Liedlein. Die meisten Hamams sind temperaturmässig gerade mal knapp auf Eierbecher-Hitze. Ich meine: selbst die Kakerlaken verziehen sich schlotternd in die Ecken. Die einzigen, die wirklich Dampf ablassen sind die Masseure. ABER DIE SIND NICHT WIRKLICH ZU EMPFEHLEN. Sie gehen auf dich los wie Pluto, der eine Barbie-Puppe zwischen die Pfoten bekommt.
Ok. Der Vergleich hinkt. Sie wedeln nicht ganz so lustig mit dem Schwanz? dafür mit einer Textilfahne, die aus hundert Stoffnudeln zusammengebunden wurde. Die Nudeln rühren alte Seifenreste zu Schaum. Und diesen Seifenschaum giesst der Masseur nun über dich, wie der Koch das geschlagene Eiweiss in die Souffléform.
Während es das Soufflé im Ofen aber relativ friedlich hat, startet der Masseur bei seinen Schaumgegorenen nun zur Attacke. ER MASSIERT DIE MASSE BIS IN DIE DÄRME. Dabei zischt er seltsame Laute durch seine zwei gelben Zahnstummel. Und da du des Türkisch unkundig bist, aber eh immer von einem schlechten Gewissen geplagt wirst, denkst du, er sagt: «ENDLICH WIRD DAS SCHWEIN WIEDER MAL RICHTIG DURCHGESCHRUPPT!»
Ich meine: SO kann ja keine Freude aufkommen. ABER IMMERHIN IST DIR JETZT WARM. Und später merkst du auch, dass die Zischbemerkungen einer gewissen Frau Merkel gegolten haben, die der Rabauze fälschlicherweise mit deiner Nationalität in Zusammenhang bringt.
Aus geschlagener einschlägiger Erfahrung ist zur türkischen Massage nur so viel zu bemerken: Die Kneter kennen nur ein Motto: HEUTE LASSEN WIRS KRACHEN!
Immerhin bin ich der Ölung nicht abgeneigt, weil mein Vetter, dessen Haut stets glänzt wie frittierte Specklamellen, mir dazu rät. Mein fitter, unfetter aber fettiger Vetter macht mich also fertig: «DU SOLLTEST EINFACH DEINE HAUT MEHR EINÖLEN! DU BIST SO TROCKEN WIE EIN SCHLANGENLEDERTÄSCHCHEN»? deshalb sage ich zu. Und berappe für einen Tropfen Schmieröl das Hundertfache als für einen Ferrari.
Zur Belohnung werde ich dann in Tücher gewickelt, auf eine Coach gebettet und mit einem Apfeltee gelabt. Noch weine ich still vor mich hin, weil der Seifenschaum meinen erschrocken aufgerissenen Augen arg zugesetzt hat? weil sich beim Masseur aber doch ein gutes Herz hinter der Pumpe verbirgt, meint er, ich sei traurig, weil mein Weib nicht bei mir liegt. Und besprüht mich zum Trost mit einer Wolke von Moschus, welche selbst die hartgesottenste Puffmutter vom Sessel gehauen hätte.
Als ich heimkam, war es in der Wohnung noch immer kalt. Aber immerhin war das Eis geschmolzen. Und der Wasserhahn tropfte.
Der Tonband-Muezzin rief erneut vom Minarett.
Ich dankte parallel zum Gebet für die milde Wärme, als es schellte. Und Adile mit einem kleinen Elektroofen vor der Türe stand.
Ich will ja kein gottungefälliges Rating anstellen? aber Allah wirkt schnell.
Von türkischem Seifenschaum und Kälte
Dienstag, 12. März 2013