Der Laster fuhr rückwärts. Er kam näher. Und näher. UND GAAAANZ NAAAHH.
Julchen hupte wie verrückt. Dann wurde es schwarz. Und: RUUUUUMMMS!
Noch ein bisschen Gas und wir wären so flach wie Bumanns Fasnachtsküchlein gewesen.
Von denen kamen wir eben. Frühmorgens drehten wir für die Telebasel-Monatssendung den Streifen: WIE GEHT EIN KÜCHLEIN BADEN!
Also da kann ich Euch sagen: Es braucht wenig Mehl, aber hunderttausend Schritte, bis so eine dünne Mondlandschaft aus dem Öl gefischt werden kann. Dann wird alles zuckergepudert.
Und zerbricht. Sechs von zehn Fasnachtsküchlein gehen in Scherben auf. DAS IST WELTLICHE STATISTIK. Fasnachtsküchlein sind somit nichts anderes als dieser Traum, einmal den «Schwarzen Schwan» zu tanzen. Oder die «Königin der Nacht» zu schmettern. BRUCH. BRUCH. BRUCH.
Herr Bumann hat uns früh und fröhlich das knusprige Zartsüsse von Basel geküchelt. Wir versprühten pflaumenweiche Sprüche dazu. Und zum Abschied steckte der Bäcker Julchen, der Kamerafrau, und Niggi, dem Regisseur, von den hauchdünnen Flädlein zu. Das heisst? er füllte sie ihnen in eine Kartonschachtel ab. Die Crew legte sie mir auf den Beifahrerschoss.
Und der Rest ist Geschichte: Als der Lastwagen aus Zürich? als dieser Depp von der Limmat also in uns reinrummste, war ich eben mit der ersten Ladung verpuderzuckerter Scherben durch. Das Auto sah aus, als hätte es drinnen frisch geschneit.
DANN: RUCK UND BUMMS!
Da hat uns Bumann doch wirklich die schönsten seiner Kiechliexemplare ausgesucht. Jedes ein Musterstück. Jedes rundum ganz ganz.
UND? WUMMMS!
Alles verscherbelt. Alles Bruch wie ein Samstagabend-Fernsehprogramm.
DAS MACHT SPASS? DAS IST EIN GAUDI. DA KOMMT STIMMUNG AUF!
Natürlich sah der Limmat-Lümmel keine Schuld bei sich, sodass wir 117 alarmieren mussten. UND DAS KANN ICH EUCH SAGEN? über die Polizei mault mir keiner mehr rum! DIE WAR SOFORT DA. Sie guckte zuerst auf Julchen. Dann auf den Zürcher Laster. Und schliesslich in den zuckerverschneiten Telebasel-Wagen.
«OHHHJEEHHH», sagte Polizeimann 1.
«ALLES KLAR!»? Polizeimann 2.
Und als der Zürcher Hallodri dann gar noch den Fahrausweis als «irgendwo verlegt» deklarierte, war die Sache geritzt. UNFALLPROTOKOLL. UND ZWISCHENZEITLICHES EINSAMMELN DER FASNACHTSKIECHLISCHERBEN ZWECKS ENTSORGUNG DURCH EIN MENSCHLICHES LIPPENBEKENNTNIS: «Ich finde dich süss und pfeife auf meinen Ranzen!»
Das waren dann die schönen Scherben am Unfall.
Die Wüsten lagen wie explodiertes Gletschereis am Boden. Sie trauerten ihrer Vergangenheit als Autoscheibe nach. Und als wir so windungeschützt zum Theater fuhren, wussten wir auch, wie es sibirischen Mopedfahrern im Januar zumute sein muss.
Natürlich waren wir jetzt nicht mehr im Zeitraster.
So ein Drehplan ist nämlich nichts anderes als ein ganztägiges Abspulen der minutiös aufgezeichneten Stundenlogistik? überall warten Protagonisten auf ihren Einsatz. Und wenn man dann nicht pünktlich erscheint? AUWEIA! Da sind die Leutchen aber so etwas von genervt, sage ich euch.
Keine mediterrane Gelassenheit. Nein. Bissig wird mit Dreck geschleudert: «Bist nicht du der von diesem Blocher-Blatt!?» Und da kannst du lange mit Tettamanti kommen? die glauben dir doch so viel wie der Frau Hildebrand nach der Entschuldigung bei ihrem armen Ehemann.
Anne-Käti wartete also auch. Aber sie nahm die Verspätung gelassen und begrüsste mich strahlend: «Da kommt ja unser Monster!»
Es ist nämlich so, dass wir in unserm Februar-Tele-Monat den Unterschied von Maske und Larve an Leib und Seele demonstrieren wollen. Eine Larve ist in Basel keine Maske. Sondern nur deren Kopf.
Die Maske ist das Ganze? also mit der Larve.
Und dem Kopf. Wenn aber ein Kopf zur Maske wird, hat es mit Fasnacht nichts zu tun, sondern ist reines Theater? KÖNNT IHR MIR FOLGEN?
Anne-Käti ist Maskenbildnerin.
Und zeigte nun beim Dreh, wie sie einen stattlichen Mann in ein dreiäugiges Glatzenmonster verwandeln kann.
Als sie mir dann dieses Theaterblut, das ähnlich klebt wie ein «Wort zum Sonntag» und allzu stark gelatinierter Brombeerenkonfitüre ähnelt, als Anne-Käti mir eben solches an die abgerissenen Ohren pinselte, wurde ich ohnmächtig. Und erwachte erst wieder, als Nico die letzte gerettete Küchleinscherbe vor meine Nase hielt.
Später hat Julchen, welche die Ohnmacht filmte, im ganzen Studio herumerzählt, wie faszinierend für sie dieses dritte Glasauge gewesen sei. «Die beiden andern waren geschlossen? das glasige Monsterauge aber hat immer gierig auf den Karton mit den letzten Fasnachtsküchleinscherben geschielt...»
UND FÜR SO ETWAS SCHREIBE ICH EINEN PINGELIG GENAUEN ZEITPLAN, DASS DANN DIESER QUARK RAUSKOMMT!
Als sich nach der Schminkerei und dem Stress ein Hungerästlein rührte, wollte ich als kleinen Gag mit der dreiäugigen Monstermaske inkognito die nachmittägliche Kunsthallenrunde aufmischen.
Aber schon auf dem Theaterplatz nahm mich eine Frau bei der Hand: «Ja, sind Sie nicht der von diesem Blocher-Blatt!?» UND WIE HÄTTE ICH IHR ALS MONSTER DA DIE SACHE VON TETTAMANTI ERKLÄREN SOLLEN. Also schminkte ich das dritte Auge ab. Und alles war wieder gewöhnlicher Alltag.
Von süssen Scherben und dem dreiäugigen Monster
Samstag, 28. Januar 2012