Mittwoch - Aus dem Badezimmer ertönt dieses bohrende Surren der neuen Zahnbürste, die er sich in einer schlaflosen Nacht auf einer dieser immerwerbenden Telestationen bestellt hat.
Sie verkauften dort jene Surrzahnbürsten mit dem Trick: «Jeder bekommt eine Gratispackung PUTZIWEISS obendrein.» Bei der Erwähnung «GRATISPACKUNG obendrein» gehen die Herzen der Schlaflosen auf wie die Soufflés im Ofen. Sie hängen sich an den Apparat. Und bestellen um drei Uhr morgens zentnerweise Surrzahnbürsten.
SO GESCHEHEN IN JENER NACHT, ALS ICH ARGLOS DEN SCHLAF DES STARK MALOCHENDEN SCHLIEF UND DAS NERVENGUTZI TROTZ EINES HALBEN LITERS SANALEPSIS SEIN NIRRRWANA NOCH IMMER NICHT GEFUNDEN HATTE.
Nun ist unser ganzer Haushalt also mit surrenden Zahnbürsten bestückt. Selbst im Bad von Linda surrt es. Obwohl niemand weiss, was es da zu zurren gibt, weil sie die Zähne einfach rausnehmen und über dem offenen Wasserhahn bürsten kann.
Neben dem Surren der Bürste, die da mit Ultrageschwindigkeit über die Vorderschaufeln zittert wie Meyers Lumpi, wenn der Dackel heiss ist und irgendwo etwas Läufiges wittert - neben dem penetranten «tsssssssss» also ertönt auch noch das Wort zum Tag: «... dleine Dlesseltbluffets dlingen uns nuch dlu almen Dlaagen.»
Er will mir damit durchfunken, dass ich beim letzten Fest das Dessert etwas zu exorbitant angerichtet habe. Wenns nach ihm und seiner lieben Familie ginge, würde ein Dessert aus einer Fixfertig-Dawa-Crème bestehen, die vornehm in Kristallschälchen aufgekleistert wird. Dazu Aktions-Pruciens aus der Migros. Und ein nostalgisch verklärtes Gespräch über das Familienwappen, das im 14. Jahrhundert leicht abgeändert worden sei. Irmgard, die treue Perle des Hauses, serviert mit offenen Beinen und für einen Arbeitslohn, der mal in der Steinzeit eingefroren worden und vom Stundenhonorar der chinesischen Kinderarbeit längst überholt worden ist, Blümchenkaffee, den die Familie neuerdings Espresso nennt.
DASS DIESE GATTUNG MENSCH AUS DEN LATSCHEN KIPPT, WENN AUF EINEM DESSERTBUFFET MEHR ALS EINE SORTE FRUCHTEIS DAMPFT, IST JA KLAR.
Bei mir dampften 12 Sorten. Dessertbuffets sind nämlich meine Surrzahnbürsten. Wenn ich nachts nicht pennen kann, surre ich mir ganze Tortenstrassen zusammen und bestelle sie dann am andern Tag beim Konditorenmeister.
O.K. - ES GIBT DA KEIN GRATIS-PUTZIWEISS OBENDREIN.
Aber es macht Spass.
Nun ist das Surren verstummt. Unter der Badezimmertüre geht die Sonne auf - es sind Innocents Weissgekachelten, die putziweiss strahlen: «Die Menschen essen gar nicht mehr so viel. Eine Crème hätte gereicht - dazu ein paar Pruciens!»
WAS HABE ICH IHNEN GESAGT!
Freitag - Für meine Freundin Greta gebe ich einen Apéro im Leymener Gärtchen. Die Gute hat Geburtstag und 30 Gäste. Und «übertreibe nicht!», donnert das Putziweiss, «es ist nur ein Apéro. Nachher gehen eh alle zu einem feudalen Essen. Da müssen sie noch Hunger haben!».
Ich backe also 100 Flammenkuchen, 200 Schinkengipfeli und serviere dazu Apfelkapern. Dann schneide ich die Sau aus Parma auf, fülle sie mit weisser Trüffelmousse und mariniere ein Königsfilet vom norwegischen Wildlachs mit Dill und rotem Pfefferkorn. Schliesslich noch eine Hand voll Canapés mit all diesen herrlichen Schrecklichkeiten, die gar nicht fett machen, und natürlich die heissen Wachtelbrüstchen an Pistazien - dazu kühlende Melonenschnitze und thailändische Litschis, die wie Seeigel aussehen.
Innocent ahnt nichts von dem Apéro-Angebot. Und geht einkaufen. «Ich bringe alles mit», ruft er aus seiner kabrioletten Karre und fährt davon. «Ist doch alles schon organisiert», brülle ich ihm nach. Aber er winkt nur, und dann sehe ich, dass er wieder einmal den Hörapparat neben dem Telefon vergessen hat.
Ich schnipple also noch hurtig ein Beet voll Radieschen zu Rosen, würze griechische Oliven mit gehackten Mandeln. Dann schiebe ich den Speckkugelhopf in den Ofen und koche die Wachteleierchen.
Wie Greta mit ihren ersten Gästen anrauscht, kommt auch Innocent vom Einkauf zurück. Er schwingt einen Cooptragsack, schaut auf meine Platten, die alle schön dekoriert bereit stehen - und wird bleich:
«Findest du nicht, dass du ein ganz klein bisschen übertreibst!», zischt er mir zu. Dann posaunt er jovial zu Gretas Gästen: «Herzlich willkommen - ich bin Innocent von Tannenweh...» «Sein Geschlecht wurde im 14. Jahrhundert abgeändert...», versuche ich ihn ins rechte Licht zu setzen.
Hurtig packe ich seine Coop-Tüte aus. Drin sind vier Dosen Erdnüsschen.
Den Apéro sparen wir auf, bis seine Tanten kommen...