«Jetzt hör doch schon auf, immer an diesen armen Amis herumzumäkeln. IMMERHIN HABEN SIE UNS DEN FRIEDEN GEBRACHT!»
Stimmt. Damit auch Popcorn, Marlboro und dann das Rauchverbot.
JA, GIBT ES NOCH MEHR ZU SAGEN?!
Cousine Hilde hat mir eine Mail und sich selber der amerikanischen Fahne verschrieben. Ihr Erbe räumt allerdings eine Kampflesbe aus Ohio ab.
Vielleicht kommt meine US-Phobie von Betty, diesem strammen Max mit dem kolorierten Damenbart.
Hildi buchte ich stets unter «meine Lieblingsvetterin » ein. Sie hielt den Rasen ihres Reihenhäuschen im Langen Loh mit Ehemann Max auf strammen 2,5 Zentimetern wie eine Schnurrbartrasur.
Eigentlich war das alles ja mir versprochen, als ihr armer Mann damals von der Brücke sprang.
In MEINEN Armen heulte sich die junge Witwe nämlich aus und tränte meinen teuersten Kaschmirpullover zur Sau.
Es war dann aber Bettys starke Hand, die sie mir ein Jahr später samt Testament ver- und wegführte.
Das Reihenhaus wurde versilbert. Die Pinke investiert.
Und nun betreiben die beiden eine Imbissbude für übergewichtige Lastwagenfahrer auf der Schnellstrasse nach Nevada. Hildi ist bis Las Vegas hinein berühmt für ihre XXXL-Burger-Steaks, Betty für die Gurken-Chili-Mayo-Füllung.
In ihrem Hackfleisch-Schuppen hängen Bilder von verpuderten Berühmtheiten wie Siegfried and Roy oder Perry Como. Mit Danksagungen auf dem verblichenen Fotopapier («The best STEAK ever... THANKS HILDI!») bretzeln die Promis den Sägemehl-Mief der Hacker-Bude etwas auf.
WIRKLICH? ICH HÄTTE MIR FÜR HILDI EINEN ETWAS SCHICKEREN MODUS FÜR GLAMOUR GEWÜNSCHT... Aber eben: AMERIKA! Alles möglich.
Die Naivität der Amerikaner gipfelt in ihrem Bestreben, alles zu einem guten Ende zu führen.
Nicht nur in Afghanistan. Vietnam. Oder bei Frau Merkel? auch Mary Poppins entschwebt erst wieder zum Himmel, wenn sie weiss, dass ihre Aufgabe der Krisenlösung hienieden zu einem Happy End gebracht wurde: Sprösslinge, welche immer die Zähne putzen... eine Mutter, die Kindergeburtstagskuchen backt... und ein Papa, der sich den Infarkt herbeischuftet.
JETZT, WO ES ENDLICH SO WEIT UND DER MOMENT SCHWEBEND IST, HOCKEN ALLE HEULEND IM PARKETT DES OLD AMSTERDAM THEATERS. Nur ein kleines Mädchen schaut, seine Nägel kauend, gebannt zu, wie die Poppins mit ihrem offenen Schirmchen in den Theaterhimmel fliegt und stellt die Frage, die alle immer wieder zum Schluss an Amerika stellen: «IST JETZT FERTIG?!»
Ja, und da stehst du da. Heulst dir die Augen rot wie Junikirschen. UND HAST AUCH KEINE ANTWORT DARAUF. Denn irgendwann kommt immer irgendwo eine amerikanische Poppins, um der Welt zu sagen, wie man es besser, anders und richtig machen muss...
DOCH MUSS MAN SAGEN: Musicals sind in New York immer okay.
DOCH, DOCH. Die zappeln da und schwingen ihre Körperteile so synchron wie ein Schwanensee voller Hampelmänner.
UND DAS SIEHST DU SONST NIRGENDWO!
UND DANN DIE KOSTÜME! Also, so etwas von schräg, verrucht und fröhlich? da muss sich dann auch keiner mehr wundern, dass Michelle Obama zur bestangezogenen Frau in den Staaten gekürt wurde.
Natürlich holt sich Innocent von der ewigen Herumrennerei einen eitrigen Zeh. Ich behaupte ja, das Übel kommt von diesen Billigschuhen. Sie stammen garantiert aus einem Kinderdorf in der Nähe von Tschang Schu. Aber er bestreitet es. Und verteidigt die Mao-Schlurpen bis zur Sohle. Dabei wackelt der Arme, als wärs sein letzter Eiergang, und er hätte einen im Goal. Mit letzter Kraft schaffen wirs noch in einen dieser Chemikalienläden, wo sie Pillen anbieten wie LIDL die Sonderangebote.
UND NUN ERKLÄREN SIE HIER EINMAL EINEM GLASÄUGIGEN MEXIKANISCHEN VERKÄUFER, OB ER EINE ZUGSALBE GEGEN EITRIGE, RECHTE ZEHEN OFFERIEREN KÖNNE.
Jetzt wedet ihr aber staunen:
ER KANN!
Und das ist dann auch wieder so ein Wunder von Amerika.
Nach zwei Stunden schwebt Innocent wie Mary Poppins? schmerzfrei. Und mit Schirm.
Denn der Winter hält nun Einzug. Und bald schon ist das sonnige New York mit Schnee bedeckt.
Ich würde gerne WEISS VERZUCKERT schreiben.
Aber ehrlich: Der Schnee ist hier so grau wie ein geplatzter Elefant. Und Manhattan keine Sekunde so romantisch wie in all diesen Weihnachtsfilmen, die ich so gerne sehe. JA, NEW YORK SIEHT IM SCHNEE GRAU AUS WIE DRESDEN VOR DEM AUFBAU... zum Abdonnern.
«Auf Honduras scheint die Sonne», tröstet mich Innocent. Und klappt den Koffer für unsere nächste Etappe zu.
Die Schuhe aus Peking Ost hat er tatsächlich entsorgt.
Nicht umsonst sagt man: AMERIKA? DAS LAND, WO WUNDER MÖGLICH SIND...
Von Schuhen aus Peking Ost und Schnee in New York
Samstag, 25. Februar 2012