Von Schneepfützen in Adelboden und den Bergdohlen

Donnerstag Adelboden hat sich den Schneepelz übergestreift.
Gut und recht.
Die Saison wird lauthals als «JAHRHUNDERTTRAUMFALL» besungen. Und bei Bäckermeister Haueter sind noch nie so viele Januar-Loch-Torten gebacken worden wie dieses Jahr.
Kurz: Adelboden hat das süsseste Januar-Loch seit Jahrzehnten.
Der Schnee brachte das Glück. Dazu gabs noch himmlisches Wetter. DA HAT SICH PETRUS ABER ETWAS BESSERES FÜR DEN KONJUNKTURAUFSCHWUNG EINFALLEN LASSEN ALS FRAU MERKEL UND IHRE RACKER-BANDE...
O.k. Der Schnee ist nicht jederkinds Sache. Ich meine: Er ist meistens mit nassen Schuhen verbunden. Und mit diesen seltsamen Wasserflecken an den Hosen, die immer aussehen, als hätte sich eine umweltverschmutzte Wolke aufs Beinende gelegt.
Und natürlich kann ich tausendmal brüllen? «SCHUHE AUSZIEHEN»?, die Umgebung stellt sich gegenüber solchen Bittrufen taub. Dieselben Leute, die mir den Abfall trennen und das Rauchen verbieten, torkeln in ihren Skischuhen schonungslos in meiner Barbie-Wohnung herum und hinterlassen kleine Lachen auf den Teppichen, wie Dackel Lumpi, als er noch nicht stubenrein war.
JA BIN ICH DENN NICHTS ALS VON DÜMPELNDEN DACKELN UMGEBEN?
Ich meine: Solcher Schnee ist ja für die Sportskanonen und Skiraser wunderbar? ABER FÜR UNS, DIE WIR DIE BÖDEN FEGEN MÜSSEN, IST ER EINE KATASTROPHE. Besonders die kleinen Steinsplitterchen, die verhindern sollen, dass wir älteren Eistänzer ins Schleudern kommen, machen die gute Stube zur Kiesgrube.
DESHALB: SCHUHE AUSZIEHEN!
Natürlich hält sich keine Sau an die Hausordnung. Sie kommen direkt von der Piste hereingesnöbert, knallen ihr feuchtes Brett in die Küche und jaulen: «Ich muss ganz, ganz dringend... uiiiii... ich halts nicht mehr aus...»
Hastig schälen sie sich aus ihren seltsamen Anzügen, entfädeln Hosenträger und zupfen die Helme von ihren Köpfen, wie Pierens Edi die Korken vom Flaschenhals? dann knallt die Toilettentür. Man hört ein beglücktes Aufstöhnen. Und am Boden glitzert eine Schneelache wie der Oeschinensee. Nur ist der Oeschinensee sauberer.
HINTER DER TÜR BRAUST DIE SPÜLUNG.
Vor der Tür brause ich. «Könnt ihr vertelli die Schuhe nicht ausziehen... ich bin doch nicht eure Putzmannschaft!»
Schon schnallen sie sich die Hosenträger wieder fest. Bugsieren den Helm auf. Und torkeln in ihren Astronautenanzügen ins Weisse dieser Welt: «Tschuldigung? aber es pressierte. Sonst hätte ich mir in die Hosen gemacht...»
AHA. Und ich habe die Sauerei jetzt auf dem Spannteppich.
DAS IST DER WAHRE UMWELTSCHMUTZ! Dackel sind irgendwann mal trocken? Skifahrer nie.

Freitag Manchmal fliehe ich aus der überhitzten Stube, in der mein Ölofen mir mit jeder Flamme klarmacht, wie ich den kostbaren Rohstoff dieser Welt verjuble. Und von den Ölländern abhängig bin.
Ich habe ein Säcklein mit geschnittenem Altbrot dabei. Noch auf dem Sterbebett hat mir mein Vater seine Dohlen ans Herz gelegt: «Ich füttere sie im Winter jeden Tag... es sind Bergvögel... sie bringen dir den Ruf des Wildstrubels... versprich mir, dass du für sie sorgst...»
Kaum trete ich aus dem Haus in den verschneiten Garten, schweben die Vögel geräuschlos wie eine Pechwolke an. Sie setzen sich erwartungsvoll auf den Zaun. Und ihre gufenkopfkleinen Augen stieren auf den Sack mit den Brotstückchen.
Ich werfe die Mocken auf die Skipiste? die dunkle Wolke hebt ab. Sie verteilt sich auf dem glitzerfunkelnden Weiss in viele kleine schwarze Flecken.
Nach zwei Minuten zieht die Vogelschar wie ein schwarzer Trauerschleier in Richtung Wildstrubel ab. Die Dohlen grüssen mir dort wohl meinen Vater auf Wolke sieben.

Samstag Im Dorf herrscht Scheiaweia. Und Dress-Modeschau.
Zu meiner Zeit hatten anständige Skihosen noch die Eleganz einer Abfallhalde. Sie waren elefantengrau. Oder kaminfegerschwarz. Und sie hatten ein kleines Gummiband an den Füssen.
Heute? Skifahrer-Omis tragen den grellschreienden Papageien-Look und sehen aus wie eine wildgewordene Hardrock-Band.
Selbst alte Männer haben ihre geölten Glatzen mit hippen Stirnbändern abgebunden. Ab Band ruft eine maschinengestickte Kuh «Ski Heil».
DAS IST STIMMUNG!
Und diese vermaledeiten Skischuhe, die mir früher meine kranken Füsse zu Omeletten geformt haben und kaum weicher waren als jener Knebel Holz, der heute in jeder Skihütte im Cheminée lodert? diese Klumpschuhe von einst sind heute federleicht und bunt wie ein Musical-Programm.
EINZIG DIE SCHNEEPFÜTZE, DIE SIE AUF DEN TEPPICHEN HINTERLASSEN, IST DIE ALTE GEBLIEBEN!

Donnerstag, 29. Januar 2009