Von Schneekugeln und Bunga-Bunga in Rom

Keine Weihnachtsstimmung in Rom. Nichts. Keine Panetone in den Auslagen. Keine summenden Weihnachtsmänner. Keine kleinen Engel, die wie eine Flugstaffel von Berlusconis Wehrmacht über Krippchen düsen.
NICHTS. EINFACH NICHTS.
Es kann doch nicht sein, dass in diesem Land nur BUNGA-BUNGA-FREUDE herrscht?
Ihr kennt ja Bunga-Bunga. In Italien haben sies nun bis zum Abwinken ausgeschlachtet: Silvio mit dem üppigen Lächeln und dem schütteren Haar... dann das fröhliche Mädchen Ruby aus Marokko... dazu ein paar Ministerinnen und ein Riesenbett... BUNGA-BUNGA!
ES WURDE AUCH ZUM MELODISCH EINFACH GESTRICKTEN SCHLAGER NACH SHAKIRAS WAKA WAKA. VIEL PAUKE... VIEL SCHLAGKRAFT? KURZ: BUNGA-BUNGA BUMSTE SICH WACKAWACKER AUF DER HITLISTE NACH OBEN.
Na bitte, Frau Merkel. Vielleicht wären mit ähnlichen Methoden ihre Probleme mit einem Bums gelöst.
DIE MENSCHEN WOLLEN KEINE POLITIK-POLITIK. SONDERN NUR NOCH BUNGA-BUNGA.
Das ist die andere Art des Gotthard-Durchstichs, wenn man so will.
Bunga-Bunga statt Weihnachten?
Ich meine: JETZT GEHÖRT DOCH ENDLICH DIE TANNE MIT DEN LICHTERN AUF DIE PIAZZA VENEZIA.
Und das Ständlein mit dem heissen Türkenhonig auf den Navona-Markt. Aber nein. Alles schreit Bunga-Bunga!
Die Alten jammern: Das komme nun eben davon, weil die Puffs nach dem Krieg abgeschafft worden seien... und weshalb Herr Berlusconi ausgerechnet mit einer Marokkanerin... als ob es in Italien nicht auch anständige Frauen gebe... Silvio müsse jetzt endlich Haare lassen...
Also: Frust hoch zehn. Da fahre ich nach Rom, um meine Weihnachtsgeschenke zusammenzutrommeln.
Und statt Halleluja nur Bunga-Bunga.
Dazu macht mich Innocent noch telefonisch madig: «... du hast ein Römer Bankkonto!»
«Ja, da ist aber nichts mehr drauf... alles verputzt!»
«Ich brauche aber für die Steuern deine Bewegungen.»
«BEWEGUNGEN?»
«Ja? die Bewegungen im 2009!»
«Aber du kennst doch meinen Watschelgang. Sonst gibts keine Bewegungen bei mir...»
Nun wird Innocent schrill, wie Berlusconi, wenn man ihm das Bunga-Bunga wegnehmen will. «ES GEHT UM DIE TRANSAKTIONEN AUF DER BANK... BEWEGUNGEN IM KONTO... ICH MUSS EINEN JAHRESAUSZUG DAVON HABEN. CAPITO?!»
Ach Gottchen. Es ist einfacher, Berlusconis Hintern in Bewegung zu bringen als die Angestellten einer italienischen Bank.
Ich komme an den Schalter: «Hallo. Un Estratto del mio conto, per favore...»
Im Hintergrund: musikalische Bunga-Bunga-Rhythmen. Im Vordergrund dieses etwas abwesende Lächeln, das ein ganzes Land verbindet: «Computer kaputt!»
NA, BINGO BINGO!
Abends sitze ich mit meinem fitten Vetter Tom vor dem Pantheon. Es ist noch so warm, dass die Glühwürmchen wieder Hochzeit feiern. DOCH ES SIND NICHT DIE GLÜHWÜRMCHEN! Es sind wunderbare Schneekugeln, welche tamilische Händler einem chinesischen Schneekugelmacher abgekauft haben. Und nun in dieser warmen Winternacht auf die Menschen loslassen.
Die Kugeln muss man sich so vorstellen: kinderkopfgross... glitzerweiss... und ins Innenleben etwas Geheimnisvolles implantiert, das sie plötzlich grünlich, rosig und dann wieder schneekugelweiss flimmern lässt.
OH ENDLICH EIN BISSCHEN WEIHNACHTSVORFREUDE!
Ich frage nach dem Preis der Zauberkugel.
Der Verkäufer: «25 Euro.»
Ich: (falle in Ohnmacht)? «ohhhhhhh.»
Er: «23 Euro...»
Bei 20 Euro erwache ich langsam aus dem K.o. Taste mich übers Kaffeetischchen und hauche: «10 Euro.»
Er (fällt in Ohnmacht): «ohhhhhhhh.»
Wir treffen uns bei 14 Euro. Aber ich muss 20 Stück nehmen. Dazu noch zehn Laserstifte, die es Sterne regnen lassen. JA. JA. IHR KÖNNT MICH GERNE EIN KINDLICHES GEMÜT SCHIMPFEN. ABER ICH KANN MIT STERNCHEN UND SCHNEEZAUBERKUGELN EINFACH MEHR ANFANGEN ALS MIT BUNGA-BUNGA-HOPSASSA.
Tom ist auch total von der Rolle. Der tamilische Händler hat ihm einen durchsichtigen Gummiball gezeigt. Wenn der Ball auf dem Pflaster aufschlägt und hochhüpft, leuchtet er in seinem Innern. Und dieses Innere zeigt einen Goldfisch, der Flimmerblasen ausspuckt. Ich meine: DA HAT SICH DER CHINESE ABER ETWAS EINFALLEN LASSEN!
Und? ohne nur einen Moment lang rassistisch zu sein? SO EIN BLASENBLASENDER FISCH IST DOCH ETWAS GANZ ANDERES ALS EINE RUMWACKELNDE RUBY...
Wir fallen noch fünf Mal in Ohnmacht, dann kaufen wir 50 Hopsball-Kugeln mit flimmerblasenden Fischen.
DAS IST AUCH EIN SCHÖNES GESCHENK.
Und wenn die Omi meines Göttibuben Olivers sich auch «so eine schöne Ledertasche aus Italien» gewünscht hat, wird sie dieser Hopsball bestimmt auch riesig freuen.
WENN NICHT? SOLL SIE SICH EINE BUNGA-BUNGA-CD DAZUSTECKEN!

Samstag, 27. November 2010