Von Onkel Nudelstadts Wolf und Zigeu- äh, Fahrenden

Samstag - Onkel Nudelstadt fiepst ins Telefon. Seine Töne verwischen sich irgendwo im Äther. Oder wir werden von Putins Geheimriege abgehört. Jedenfalls sind seine Sätze wie diese zerrissenen Nebelfetzen, die morgens durch den jungen Herbsttag ziehen: «... dein Freund Innocent ist mega Weichpumpe... auf dem Weg nach Zürich Koffer vor dem Haus vergessen... wieder zurück... späteres Flugzeug!»

Wenn ich ab Zürich fliegen müsste, würde ich auch den Koffer zu Hause lassen. Zürich ist kein Fluglatz. Zürich ist ein Warteraum-Aquarium, wo die Swiss-Angestellten noch gelangweilter wirken als Huldis Goldfisch Max. Die Einzigen, die auf diesem Flughafen nicht rumgähnen, sind die wenigen Reisenden, weil die nämlich damit beschäftigt sind, endlich jemanden zu finden, der sie «abfertigt». Wer dann noch einen Koffer über die Kilometer Rollgehband schleppen muss, der kann sich selber den Gong geben.

«Wir kommen also später... für mich Wolf mit Stock...» WOLF MIT STOCK?

Hier wurde die Verbindung unterbrochen. Neben meinem Steuer spulte parallel zu Onkel Sermon eine blaue Lampe, die sich wie Frau Biellmann in der Pirouette drehte. «Aller à droite», brüllte eine Stimme durchs Megafon.
Drei Minuten später wurde ich auf dem Pannenstreifen unschön angemacht. JA ICH WEISS, DASS DER ELEGANTE AUTOFAHRER AM STEUER KEIN HANDY AN DIE LÖFFEL DRÜCKT. Aber meine ganze Telefonanlage ist wie ein welkes Gänseblümchen von meinem Armaturenbrett gezupft worden. ES WAREN ZIGEUNER. Und ich weiss, dass man das aus politisch korrekten Gründen nicht sagen darf. Es gibt keine politisch korrekten Zigeuner. Das sind fahrende Menschen. Nun ja - jedenfalls sind sie mit meiner Anlage sowie dem Computerkoffer weggefahren.
Ich war im oberen Stockwerk dieses umgekehrten Autobahnraststätte-Vs, das wie zwei gespreizte Hurenbeine über dem Asphalt steht. Unten jagt der Verkehr durch. Oben drehe ich durch: DENN AN MEINEM PFIRSICHNEKTAR NIPPEND, MUSS ICH ZUSEHEN, WIE FLINKE HÄNDE AN MEINEM AUTO RUMFINGERLN. Letzteres lässt einen entsetzten Sirenenschrei los. UND JETZT STELLEN SIE MAL DIESE SIRENE AB!

Also schlimmer als der Verlust dieser Telefonanlage und des Computers mit all den schönen Glossen drin war der Lärm, der eine schadenfreudige Menge zusammengetrommelt hat. Hier einigte alle ein weises Nicken: «Man lässt ein Cabrio auch nicht einfach so stehen, wenn man Pfirsichsaft säuft...» DIE SYMPATHIE WAR GANZ AUF DER SEITE DER ZIGEUNER, DIE UNSEREINS ABER - ZUGEGEBEN! - NICHT SO NENNEN DARF.

Sonntag - Das mit dem Cabrio ist folgendermassen: MEINES IST ES NICHT. Es gehört Innocent. Ich muss es ihm nach Cannes bringen, damit er dort die Croisette aufmischen kann. Nicht umsonst nennen die Italiener solche Schlitten «Feigen-Flitzer».
Das Cabrio hat irgendwo eine computerisierte Mechanik, welche das Dach schliesst. Aber die Mechanik ist an einem Montag erbaut worden. Und dies nachdem der Erbauer einen sehr, sehr langen Sonntag hinter sich hatte. Jedenfalls fahre ich von Rom bis Cannes mit offenem Dach und bekomme dieses verdammte Deck nie mehr zu. Über mir: DIE DONNERNDEN WOLKEN. Immer wenns tröpfelt, drapiere ich hurtig Plastikblachen über Sitze und Gepäck. Wir sehen aus wie ein dahinjagendes RIESENKONDOM.

Und nun also der Polizist: «Vous guidez... vous téléfonez... vous ètes fou!»

NA ALSO - DAS IST ABER EIN FLOTTES MECKERKÖPFLEIN.

«Schö muss schnellstens zu mon Oncle, parceque il wö le Wolf am Stock pur Znacht... et les Fahrende ont piqués mon tèlèfong de voiture... e mäntenang sind Sie dran!?» GOTT SIND DIESE FRANZÖSISCHEN POLIZISTEN HÄSSLICH! Also wenn ich die mit den Italienern vergleiche - da steckt mehr drin. Jedenfalls sieht dieses uniforme Beinkleid aus wie ein abgestreiftes Schirmfutteral.

ICH STREITE MICH NIE LANGE MIT DER OBRIGKEIT! Da ist mir die einfach zu blöde. Zum Streiten habe ich Innocent. Der Polizist steht mit offenem Mund da, wie ich ihm den Wisch mit all dem von den Fahrenden «Weggefahrenen» zeige. Nun wird das Männchen auch noch tuntig-schrill: «C?est égal! Vous portez pas les Ceintures! 150 Euro!»
ERST KÖNNEN VOR LACHEN - DU GEIGE! Die Sicherheitsgurten klemmen wie das Verdeck!

Montag - Machen Sie mal einem Kellner klar, dass Ihr Onkel einen «Wolf am Stock» möchte. Gottlob kannten die hier den Nudelstadt. Sie nennen ihn den «Püree-Onkel», weil er immer alles püriert essen will. Zwar hätte er für den Preis seiner neusten Zahnimplantaterien drei Villen am Meer kaufen können, aber die Sache schaukelt noch immer wie Grethchens Wippe.

«Monsieur, votre oncle commande toujours Loup de Mer haché et Purée de Pommes de Terre» - seufzt der Kellner.

«Weshalb ist das Hotel voll mit Russen?», tobt der Onkel eine Stunde später. Immer nur «Spasiba hier... spasiba da»... DA HÖRT DER SPASS MIT UND OHNE IBA ABER AUF! «... und wie die mit den 500-Euro-Noten wedeln... das ist doch alles Maffia» tourt Innocent auf 100. «ABER HABT IHR DIE RUSSISCHEN WEIBER GESEHEN?! - DIE SEHEN AUS WIE NACH EINER SCHLITTENFAHRT MIT DREI FLASCHEN WODKA...»

Daraufhin hockte sich der alte Schleimer in sein Cabrio. Und liess die Lampen blinzeln...

Politisch korrekt ist auch das nicht.

Dienstag, 11. Oktober 2005