Von Liesels Bussarl und dem Wunsch nach Schatten

«Ach Buaberln? saans herzlich willkommen im Karajan Domäng»? das ist Liesel. Und ihre etwas seltsame Ausdrucksart.
Das Salzburger Tusserl drückt uns jubelnd an sich, wie die Primadonna den Tenor im Schlussakt. Jedenfalls ist Innocents Nase zwischen Liesels Busen flachgedrückt, wie die vom Boxer Rocky nach dem vierten Veilchen. Das Gesicht unseres armen Freundes hat zuerst die Farbe von Alpenmilch, dann wechselt sie ins Bläuliche. Innocent japst und baut die Luftkrise. Nur dank der hurtig herbeigeschaffenen Apnoemaske und drei Tonnen Sauerstoff findet er in unsere Welt retour.
«Bussarl... Bussarl», jault die Liesel, «da bin y aber froh, ass s Buaberl wieder zu unsi kummt!»
Sie schürzt ihre aufgespritzten Lippen zum Kussmündchen, sodass sie aussehen wie Frau Holles Daunenkissen, die zum Ausschütteln bereitliegen.
Innocent imitiert einen Hustenanfall, um dem Geschlabber zu entkommen. Doch Liesel lässt nicht locker. Sie schnappt sich Ersatz.
UND DAS BIN ICH.
Wie ein tropischer Dauerregen fegt sie über meine Backen. Schon ist mein wunderbar aufgebautes l?Oréal-Fond-de-Teint (weil ich es mir wert bin!) zur Sau. Alle übertünchten hässlichen Rotstellen, Blauäderchen und Akne-Hügelchen funkeln nun auf wie die Lichter auf der Flugpiste. NA, DAS HAT DIE JA WIEDER MAL TOLL HINGEKRIEGT!
«Kommts reini...», jodelt die Liesel. Und sperrt das Tor zur «Domäng» weit auf.
Sie hat ihre Hütte das «Karajan Domäng» genannt, weil es nur etwa drei Hektaren vom Grab des Verblichenen weg liegt. Jeden dritten Tag begiesst die Liesel die Stiefmütterchen auf dem Maestro-Grab in Anif.
«SO AN GROSSER MANN... UND SO A KLAANS, SCHLICHTS GRAABERL!», zetert sie, wenn sie uns zum Kreuz trommelt und ein paar welke Blätter wegzupft. «Der hätt doch so ne Marmorgruben im Wienna Stefansdom verdient und net des Hundslöcherl hier.» Dann schlägt sie das Kreuz. Wischt sich ein paar Tränen aus den Falten. Und wir überlegen uns, wo Pereira mal liegen wird.
Später beknödelt sie beide. Und man kann über Liesel sagen, was man will: ABER KNÖDELN KANN SIE. Mit Marillen drin. Und Brotbröseln, die sie in einer Kilo Butter dunkelknusprig röstet, mit Vanillezucker würzt und über die tennisballgrossen Kugeln fegt.
ALSO, ICH ESSE IMMER NUR DIE BRÖSEL.
Das rächt sich. Denn die Plätze in der Felsenreitschule sind eng. Der Smoking noch enger. Und die Bauchbinde schnürt den Ranzen ein. Innocent ist auch bereits wieder bläulich angelaufen, und das hat mit dem Fläschlein grünen Veltliner sicher nichts zu tun. Sonst wär er ja grünlich.
Nein. Er hat sich geweigert, sein Konfirmationshemd gegen eine XXL-Variante auszutauschen: «Das Hemd hats bis anhin getan und wird es bis zu meinem letzten Atemzug tun», weigerte er sich, als ich ihm bei H&M ein Sonderkauf-Schnäppchen andrehen wollte. Nun müssen wir befürchten, dass das mit dem letzten Atemzug eintrifft, noch bevor Herr Muti zum Stöckchen greift. Denn es herrschen rund 44 Grad im Saal.
DABEI SIND DIE SCHEINWERFER NOCH NICHT EINMAL AUF VOLLTOUREN!
Im letzten Augenblick schäle ich meinem keuchenden Freund den Kittel vom Ranzen, den Schlips vom Hals und schon reisst auch das Hemd wie die Haut einer zu heiss gesottenen Blutwurst auf (Gratistipp: nie über 85 Grad garen).
Wie auf Kommando reissen sich nun auch die übrigen Männer die Fetzen vom Leib (zumindest vom Gürtel an aufwärts). Die Frauen sind eh schon halb nackt erschienen und nur mit diesem Schmuck bedeckt, dessen Goldpreis von Minute zu Minute so heftig ansteigt wie die Temperatur im Saal. Bref: Muti hält das Stöckchen nach oben? und alle Smokingkittel sind unten.
Mit «Macbeth» hat Verdi ein wunderbares Werk geschaffen. Aber ehrlich? die Hälfte hätte es auch getan. Der Mann mordet sich ja mit dumpfen Tönen zur Krone wie ein CEO an die Spitze des Konzerns. Hinter allem steckt? wie so oft!? das Weib. Es ist diese ehrgeizige Lady, und die ist so vollgespickt mit Tönen wie ein Legehuhn mit Eiern. Wir wissen: Die Sache ist erst ausgestanden, wenn die dicke Frau stirbt und im Wahnsinn das hohe Des singt.
So schwitzen wir uns alle durch die vier Akte, geben Liter von Schweiss und die Sänger Tonnen von Tönen von sich? bis es so weit ist: das hohe -DES! Wunderbar gestanden.
Und «DES wor suupi!», jubelt das Salzburger Publikum.
Nach dem Tode der Macbeths gibts die Trauerfeier im «Goldenen Hirschen».
«Also, der Muti is ja a fescher Kerl», reisst Liesel das kulturelle Gespräch an sich. «Hobt ihr des sotte Arscherl gsehn... y glaub der hott aane von diesen Frischzellern einigspritzt.»
Kokett wippt sie ihre Rundungen auf dem feinen Stuhl hin und her, sodass der Boden bebt und der Tisch wackelt. «Gottlob hob y so was net nöötig... y soog immer: e feschs Waaberl muess baut saan wia na guats, knaggis Schwaanderl, damit bei die Mannsbilder e Froiderl aufkummt...» Es versteht sich von selber, dass mit Schwaanderl nicht Schwanensee sondern Ferkelhof gemeint war.
Am andern Tag dann Strauss. Fünf Stunden ohne Zwischenrunde! Das lange Stück handelte von einer Frau, die sich einen Schatten kaufen wollte.
Bei 44 Grad im Scheinwerferlicht ein verständlicher Wunsch.

Samstag, 24. September 2011