Von Liesel, Knödeln und dem Opern-Traumpaar

Freitag - Seit Jahren sind für mich die Salzburger Festspiele: LIESELS KNÖDEL. Und Inncoents geiler Blick auf dieselben.
«Na da san?s ja, die Buaben...» kicherte Lieselchen und drückte kokett ihre zwei Pfanni ins Mieder.
«Jetzt hat sich diese Zuckerzicke auf ihre letzten Tage doch wahrhaftig die Zitzen straffen lassen!», zische ich zu Innocent.

O.k. Ist der blanke Neid. Ein Leben lang wäre ich gerne ein einziges Mal nur im Dirndl mit Mieder dahergewippt. ICH HÄTTE DARUNTER WAHRHAFTIG WAS ZU BIETEN GEHABT! Nicht einfach nur Aufgeblasenes, wie beim Salzburger Palatschinken hier. Nein. Bei uns war alles natür und dran.

Die Liesel aber hat sich in den Gründerjahren die Möpse erst aufpolstern, dann in den 70ern silikonieren und schliesslich das ganze Faltengebirge im neuen Jahrtausend wieder entschrumpeln lassen. Man sagt, ohne Liesel wären Salzburgs Schönheitschirurgen nur Bettelstudenten.

Auch die Lippen, mit denen nun unsere lustige Trachten-Trächtige über Innocent herfegt wie Linda mit dem Staubsauger über die Bettvorlagen - also diese Saugnäpfe haben etwas verdächtig Aufgespritztes. Um ehrlich zu sein: Es sind keine Lippen mehr - Liesels Mund ähnelt zwei prallvollgelüfteten Schwimmkissen, die nun karpfenmündig nach Innocent schnappen.

«Ach Lieselchen», wehrte der alte Don Juan glucksend ab, «du siehst aus wie ein frisch gebeseltes Salzburger Noggerl...so luftig und frisch!» DIESER SCHLEIMER!

Unterwegs ist er mir stundenlang in den Ohren gelegen: «Halt mir diese aufdringliche Person vom Leibe. Immer wenn sie mich durchgeknutscht hat, hab ich danach einen Hautausschlag!»

Drum zehre ich das Lieselchen von Innocent weg: «Du darfst nicht so feurig an sein Eingemachtes ran - sonst glühn schon bald seine Kniegelenke. Er hat nämlich zwei neue Scharniere und 33 Schrauben intus!» Ich schaue die heisse Liesel eisig an: «... und jede neue Schraube wäre eine zu viel...» «Au mei - do hat er wieder e Spasserl gmocht!», jubelts aus dem Mieder und dann holt Liesel aus der Küche ihre Knödel. Diese Kugeln sind ähnlich robust wie alles, was die Gute zu bieten hat: «Y hob s Rezept vo mainer Ur-Ahnin seelig, der olten Schlosswirtin - und au der Kaiser soll ihre Knödel geadelt haben, so hats uns Kindern immer erzählt...»

Na, der Kaiser war ja ein ganz Schlimmer und bei der lieselschen Familie liegt das Knödeln eben in den Genen.

«Unsere Familie geht bis auf den Tell zurück...», will Innocent nun nicht im österreichischen Adelsschatten stehen. «Meine Vorahnen hatten noch diese Apfelplantagen, auf deren Frucht der Meister mit der Armbrust geschossen hat und...» «Ich bin eine einfache Trämlerstochter vom Depot Morgarten...», unterbreche ich das seichte Gezirpe harsch. «... und ich hätte gerne gewusst, wo wir in der Traviata sitzen werden!»

Liesel holt die Tickets: «Du kennst ja den geizigen Lauser...», flüstert sie mir zu, «... das Geld, das er mir überwiesen hat, reichte kaum nur für zwei Notsitze unterm Dach! Ich hab euch Sauerstoffflaschen, Coramine, Feldstecher und einen warmen Tee für den Aufstieg in den obersten Rang bereit gestellt!»

Wenn es auch aufgeblasen und knitterfrei gespritzt ist - zumindest hat Liesel das Herz auf dem rechten Fleck.

Samstag - Ganz Salzburg war aus dem Häuschen. Noch nie wurde eine Traviata so bejubelt wie dieses russische Vollblut aus Krasnodar. Wisst ihr, wo Krasnodar liegt? Ich auch nicht. Na egal! Wer so wunderschön sterben kann wie diese Anna Netrebko, braucht keinen Geburtsschein. Und ihr Alfredo ist ein Mexikaner mit Namen Rolando. Genauer: Villazon. Das alleine klingt schon wie eine Fuge von Bach: ROLANDO VILLAZON... ANNA NETREBKO... TATATATAAA. Kein Wunder gelten die zwei opernweit als d a s Traumpaar, obwohl er wie sie andersweitig engagiert sind und beide nur gesanglich so tun als ob sie gepaart seien.

Also - wen wunderts, dass wir uns den Weg ins grosse Festspielhaus durch den Mob regelrecht erkämpfen mussten. Überall fuchtelten uns schlecht gekleidete Menschen mit Plakaten entgegen: «SUCHE KARTEN... SUCHE KARTEN!» und als einer Innocent zuflüsterte, er würde für einen Platz gar 1000 Euro hinblättern, kam dieser Pfeffersack doch tatsächlich ins Wanken: «Wir könnten für die Plätze doch sechs Roche-Aktien kaufen...» UND FÜR SO ETWAS KOCHE ICH SEIT 37 JAHREN TÄGLICH EIN DREI-MINUTEN-EI!

Ich habe dann dem Wankelmütigen klar den Tarif durchgegeben und meinerseits auch ein Plakat hoch gehalten: «SUCHE KARTEN... SUCHE KARTEN!» Das K habe ich spasseshalber durch ein H ersetzt.

Ein Polizist nahm mich prompt ins Gebet: «Das hier ist keine Tuntenschau, lieber Herr - das ist Kultur auf höchstem Niveau. Was suchen Sie eigentlich hier?» «Meine Plätze», sagte ich sonnig zum Uniformo. Der Mann mit seinen Goldknöpfen und dem steifen Mützchen sah aus, als käme er aus dem Land des Lächelns aber er war die Bitternis in Person: «Unglaublich, was heute alles nach Salzburg kommt!»

Später, als ich bei Lieselchen in den Busen heulte, die Salzburger würden aber auch gar kein Spässchen goutieren, tröstete sie mich: «Och, dös war nur der Serschant Alois - sei Muater hat bei Jedermann die Buhlschaft gspült...» Typisch - die Mutter jedermanns Nutte. Und ihr Herr Sohn will unsereinem sagen, wos lang geht!

Dienstag, 13. September 2005