In Adelboden schüttets. JAWOHL? ES SCHÜTTET NOCH IMMER!
Die Bergwelt hängt waschküchengrau vernebelt herum. Und man muss sich doch fast wundern, dass die Kühe noch nicht quaken.
NUN GUT. ES IST EIN VERSCHÜTTETER SHIT-SOMMER!
ÜBERALL.
Selbst Tante Huguette schreibt aus der Sonnenstube der Schweiz, genauer: vom Campingplatz in Mendrisio. «Wir haben den Tauchkurs gestrichen und schnorcheln nun durch die Hauptstrasse.»
Nur von der Insel in Italien meldet mir Gianni, dass die Tomaten wie verschrumpelte Omas am Strunk hangen. Bei dieser Sauhitze würden alle Deos Forfait geben. Und meine wunderbaren Geranienstöcke seien zu braunem Stroh mutiert.
ICH BRINGE IHN UM!
Tausende Male habe ich Gianni gesagt, er müsse in einer Zeit, wo sich das Klima ändert, seine Spritzstrategie ändern. Aber immer wieder bockt er: «Im Boden hats genug Wasser... wir sehen es nur nicht... doch es ist da. Das war immer so. Und die Tomaten verfaulen, wenn zu viel gespritzt wird.»
Ich stehe dann ohnmächtig vor Wut vor dieser Landschaft mit dem Dörrgemüse. Tausende von Ameisen, Käfern und Vögel bedienen sich? für unsereins reichts nicht einmal zu einer anständigen Caprese (ihr wisst ja: Tomatenscheibe... Mozzarella... Basilikumblatt... Tomatenscheibe... Mozzarella... Basilikumblatt...). Und alles nur, weil dieser Sturkopf sich nicht dem Klimawandel anpassen kann. Ja, Gianni ist noch genauso spritzig wie vor einem halben Jahrhundert, als sein Vater Leo einmal monatlich den Salat mit der Kanne besprühte. Da wird kein Tropfen geändert. Und wenn ich heulend vor dem Geranienstroh stehe, tätschelt er mir den Rücken: «Na, na... und jetzt denken wir mal an die Sahara und die vielen durstigen Seelen in dieser Welt!»
Was willst du da sagen?
HÄTTE ICH IHN NICHT SCHON VORHER UMGEBRACHT, ICH KÖNNTE GLEICH NOCH EINMAL...!
Zurück nach Adelboden. Es schüttet. Und leider hats keine Badelandschaft.
Die Scheichs von Kuwait wollten ja so etwas finanzieren. Als ihre Finanzen dann aber ebenfalls im Regen standen, liessen sie die oberländischen Wasserpläne austrocknen. Und die Adelbodner im Regen stehen.
Viele meckerten, das sei, weil die Adelbodner zu 97 Prozent gegen Minarette gestimmt hätten. Doch solche Behauptungen sind auf Sand gebaut.
«E, dasch doch mydüüri glych...», meinte das Babettli auf Singsang-Oberländerisch. «Sones Aupebaad choschtet üs Millioone und wo üs dr lieb Gott doch ummesuscht s Hudelwätter schiggt u s schiffe laat, bruuchts sicher keener so automatischer Duschene...»
ALSO, WO DAS BABETTLI RECHT HAT, HAT ES RECHT!
Aber es wäre halt doch schön, wenn man sich nun in einer riesigen Badelandschaft vergnügen könnte, während es draussen nebelt und hudelt.
Nun haben die Adelbodner auch noch abgestimmt, dass ihr Freiluftbad verschwinden soll. JA, GEHTS DENEN EIGENTLICH NOCH? Dort stecken doch alle meine Kindheitserinnerungen im Bassin. Das Adelbodner Freibad ist nämlich eines der ältesten Alpenbäder und reinste Art-déco-Architektur? von der Kasse bis zum Sprungturm. In den Fünfzigerjahren wurde es himbeerfarbig und mit einem Anstrich ins Zitronige aufgebrezelt.
JA, SO EIN TAG ZU FÜSSEN DER ALPEN IN DIESER ART-DéCO-BADI WAR WAHNSINNSWONNE. Selbst wenn es à gogo schiffte.
Nun wollten die Adelbodner dem Gemeinderat einen Denkzettel erteilen. Sagten zu einer Sanierung «Njet». UND FERTIG ISTS MIT HIMBEERROT UND ZITRONENFARBE!
Da tröstet einen auch die Himbeertorte bei Schmid und der zitronige «Vogellysi»-Drink beim Hauerter nicht über den nostalgischen Badetraum hinweg.
Als ich vor bald einmal 40 Jahren meinen nassen Sommer von Adelboden auf eine ausgetrocknete Insel nach Monte Argentario Sud verlegte, merkte ich bald einmal: KEIN UNTERSCHIED! HANS WAS HEIRI!
Menschen, die auf einer Insel leben, sind eigen. Und haben ihre eigenen Ansichten. Ihre eigene Welt. Ob Meeres- oder Alpeninsel ist egal. Erneuerungen werden am Fernsehschirm begutachtet? doch dann stellt man die Kiste ab. Schaut über die Wellen. Oder zum Wildstrubel. Und seufzt. «Gottlob sind wir nicht wie die!» Über allem ist das Bestreben, das Althergebrachte, die Tradition, die überlieferten Riten zu bewahren. Zu pflegen. Zu schützen.
DAS IST SCHÖN. UND DAS IST? WIE ICH AN LEIB UND SEELE ERFAHRE? NICHT NUR IN DER SCHWEIZ SO.
Allerdings? in Adelboden wie auch auf der kleinen Insel in Italien fliegen die Jungen weg. Davon. Ihre eigenen Traditionen engen sie zu stark ein. Und sie wollen Neues, anderes sehen.
Allerdings merken sie dann bald: Das andere ist auch nicht frei vom Inseldenken. Denn Inseln sind wir alle.
Und deshalb sollte sich nicht das Klima verändern. Sondern wir.
Damit es auf der ganzen Welt regnet. Und überall die Sonne scheint.
Von Inseln und Hans wie Heiri
Samstag, 27. August 2011